Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, hat in den letzten Monaten immer wieder einen neuen intensiven Dialogprozess zugesagt, um die im vergangenen Jahr aufgebrochene Krise des Vertrauens zu überwinden. Damit war auch klar, dass viele Menschen sich daraufhin wieder mit Fragen und Anliegen melden, die bisher noch keine oder nach ihrer Meinung noch keine zufriedenstellende Antwort gefunden haben.
Acht verdienstvolle CDU-Politiker auf Bundes- und Landesebene, die früher Verantwortung trugen oder heute noch im Dienst sind, haben in einem öffentlichen Schreiben die Bischöfe an ein solches unerledigtes Thema erinnert, das nun schon über 40 Jahre lang immer wieder in der Kirche diskutiert wird. Es geht um die Frage, ob die Kirche nicht angesichts des gesteigerten Priestermangels überlegen könnte, in Familie und Beruf bewährte Männer zu Priestern zu weihen. Die Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland hat sich schon 1971-1975 mit großer Leidenschaft um dieses Thema gekümmert. Ich denke auch, dass bereits das Synodendokument „Die pastoralen Dienste in der Gemeinde" etwas von der Antwort widerspiegelt, die damals die Bischöfe in die Diskussion einbrachten (vgl. Offizielle Gesamtausgabe I, 628f.). Vielleicht hätte man im Brief auch darauf hinweisen sollen.
Ich habe mich immer darum bemüht, dass die Kirche auch offen über neue Zugangswege zum Priestertum nachdenkt, ohne dass die Diskussion schon identisch wäre mit einer Antwort auf diese schwerwiegende Frage. Auf die verschiedenen Initiativen, die schon in das Jahr 1970 zurückgehen, will ich hier nicht eingehen. Ich habe aber auch immer dafür gekämpft, dass wir offen und ehrlich mit diesem sensiblen Thema umgehen. Wir wollten ja nicht das unserer Kirche eigene, kostbare Gut des ehelosen Priestertums beschädigen und junge Menschen davon abbringen.
Die Situation ist in der Zwischenzeit gewiss herausfordernder geworden, wenn man an die abnehmende Zahl von Priesterweihen und die Folgen vieler pastoraler Strukturveränderungen in unseren Diözesen bedenkt, gerade auch im Blick auf die Zukunft. Es war zu erwarten, dass diese Frage nach den „viri probati" (in Ehe und Familie bewährten Männern) wieder auf die Tagesordnung kommt, wenn man zu einem Dialogprozess über die heutigen Fragen einlädt.
Das Echo auf diesen Brief der katholischen Politiker war recht verschieden. Leider hatte der Beifall von kirchenkritischer Seite darin sofort eine Gelegenheit ergriffen, um die Reformträgheit der Kirche anzuprangen. Es war schade, dass die in der Zwischenzeit geführte Diskussion über Fragen und Probleme des geistlichen Amtes dabei wenig berücksichtigt wurde. In manchen Kommentaren der Medien wurde deshalb auch die „Hierarchie" mit ihrer Unfähigkeit zur Erneuerung übel beschimpft, wie es etwa Heribert Prantl in einem Kommentar „Der Aufstand der Katholiken" der „Süddeutschen Zeitung" unternommen hat (21./22. Januar 2011).
War man über diese Einseitigkeit einige Tage traurig, so ereilte uns bald eine Stellungnahme des im November 2010 als Kardinal eingesetzten Professor Dr. Walter Brandmüller (25./26.1.), der seit einigen Jahrzehnten in Rom als Präsident der Historischen Kommission des Vatikans dient und früher als angesehener Historiker an der Universität Augsburg lehrte. Bei allem Verständnis für einen kräftigen Widerspruch zu dem Brief der acht Politiker habe ich mich jedoch als Bischof, der lange in Deutschland wirkt, wegen des Tons geschämt, der aus diesem offenen Brief spricht. Man muss doch nicht gleich, wenn man das Thema der „viri probati" anspricht, eine „andere Kirche" wollen, „gar einen deutschen Sonderweg" ins Spiel bringen, der „in die Nähe eines Schismas, einer Nationalkirche" führt. Vor allem aber war ich zutiefst enttäuscht, wie hier z. B. der amtierende Bundestagespräsident, immerhin nach dem Bundespräsidenten die zweite Autorität in unserem Land, eine amtierende Bundesministerin und drei hochverdiente Ministerpräsidenten, die sich jahrzehntelang für ihre Kirche einsetzten, beschimpft werden. Dies ist in unserem Land nicht der Stil, mit dem wir auch bei Meinungsverschiedenheiten miteinander umgehen.
Die beiden genannten Stellungnahmen sind gewiss Extreme. Der Dialogprozess wird sich bei allen Themen eine neue Mitte suchen müssen, ohne nur in faule Kompromisse abzudriften. Hoffentlich kommen wir aus dieser doppelten Dialogunfähigkeit heraus.
(c) Karl Kardinal Lehmann
Dieser Gastkommentar ist in der Ausgabe vom 6. Februar 2011 der Mainzer Kirchenzeitung "Glaube und Leben" abgedruckt.
von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz
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