Gastkommentar für die Mainzer Kirchenzeitung "Glaube und Leben" im Oktober 2006
Seit der Rede des Papstes an der Regensburger Universität am 12. September ist die Auseinandersetzung um diese Vorlesung nicht zur Ruhe gekommen. Dabei ist aufschlussreich, dass es in den ersten Tagen nach der Vorlesung nirgends zu Rückfragen gekommen ist. Eine Stunde nach dem Abflug des Papstes kam bei der großen Pressekonferenz am Münchener Flughafen keine einzige Frage in dieser Richtung. Erst Tage danach begann von außen her eine regelrechte Kampagne.
Das Andauern der Proteste überrascht, weil der Papst ja durch seine engsten Mitarbeiter und schließlich auch er selbst drei Mal mit aller wünschenswerten Klarheit deutlich machte, dass er eventuell entstandene Missverständnisse bedauert, den Glauben der Muslime schätzt und dass er zu einem aufrichtigen Dialog zwischen Christen und Muslimen keine Alternative sieht. In der Regel reagieren hohe und höchste Verantwortliche in Politik, Kultur und Gesellschaft nie so differenziert und versöhnlich.
Umso erstaunlicher ist die Art der Vorwürfe. Unaufhörlich wird behauptet, der Papst habe mit dem angegriffenen Satz den Islam und seine Gläubigen beleidigt. Längst steht jedoch fest – auch im Manuskript vom 12. September, das die Presse erhielt, klar zu lesen –, dass der Papst ein Zitat gebrauchte, das er sich so nicht zu eigen machte. Es bleibt auch fast immer völlig offen, was der Papst eigentlich zurückzunehmen hätte. Denn bald nach den ersten Kritiken wurde die Aussage des vom Papst zitierten Kaisers Manuel II. aus Byzanz eingehend interpretiert (vgl. zum Beispiel meinen Vortrag beim Michaelsempfang in Berlin am 19.9., vielfach abgedruckt).
Vor diesem Hintergrund hat die Deutsche Bischofskonferenz am Ende ihrer Herbst-Vollversammlung in Fulda am 28.9. ein sehr deutliches Wort formuliert. Papst Benedikt hat beispiellos sensibel reagiert, er hat mögliche Missverständnisse bedauert, aber er braucht nichts zurückzunehmen und sich auch nicht zu entschuldigen. Jetzt muss darum auch Schluss sein mit offenen oder versteckten Drohungen.
In unserer Zivilisation herrscht Religions- und Meinungs- bzw. Redefreiheit. Auch der Papst kann kritisiert werden. Aber in jedem Fall gelten die elementaren Spielregeln eines sachlichen und fairen Umgangs miteinander und gerade auch mit klaren Äußerungen. Es darf nicht geschehen, dass man bei eindeutiger Textlage bestimmte Missdeutungen, die nicht das geringste Fundament haben, ständig wiederholt. So leider auch vor wenigen Tagen von vielen Außenministern islamischer Staaten bei einem Treffen in New York – und dies nach der klärenden Begegnung zwischen Papst Benedikt und 22 Botschaftern in Castelgandolfo.
Wir müssen offensichtlich ziemlich am Nullpunkt anfangen, denn hier geht es nicht um die wichtigen Inhalte des notwendigen Dialogs, sondern um ganz elementare Voraussetzungen seines Gelingens überhaupt.
© Karl Kardinal Lehmann
von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz
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