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Nochmals zum Staat-Kirche-Verhältnis

Datum:
Samstag, 28. Juli 2007

Nochmals zum Staat-Kirche-Verhältnis

Gastkommentar in der Mainzer Kirchenzeitung "Glaube und Leben" Juli 2007

Am 13. Juni 2007 habe ich in einem Festvortrag in der Universität Krakau und am 19. Juni beim neu gegründeten Karlsruher Foyer „Kirche und Recht“ ein Grundsatzreferat gehalten „Zum schiedlich-friedlichen Verhältnis von Staat und Kirche heute“. Bei der Karlsruher Veranstaltung hatte ich mich stärker auf neuere Entwicklungen im deutschen Staatskirchenrecht und auf Äußerungen dazu bezogen. Bei beiden Gelegenheiten hatten die Medien vorher den ganzen Text. Er war auch rasch im Internet zugänglich.

Es kam mir darauf an, die Grundstruktur unseres Staat-Kirche-Verhältnisses in Deutschland zu skizzieren. Dabei ging es mir um Freiheit/Unabhängigkeit und Kooperation als Eckpfeiler einer respektvollen Beziehung. Dass die Religionsfreiheit für alle gilt, war ganz selbstverständlich. Aber ich habe auch Wert darauf gelegt, dass nicht nur die so genannte negative Religionsfreiheit im Sinne bloßer Toleranz gemeint ist, sondern auch die positive Religionsfreiheit, in der der religiös und weltanschaulich neutrale Staat die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen gewährleistet, damit die einzelnen Religionen und Kirchen in ihrer Verantwortung ihren Beitrag leisten für das Leben der Menschen in Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität. Da der Staat nach dem berühmten Böckenförde-Diktum nicht selbst das Ethos der Bürger mit seinen Voraussetzungen schaffen kann, hat er bei aller Distanz ein wohlwollendes und förderndes Interesse am Wertbeitrag von Religion und Kirche, solange diese sich im Rahmen des Grundgesetzes und des Rechtes bewegen. Dies ist etwas völlig anderes als ein Verschmelzen von Kirche und Politik, aber auch keine absolute Entkoppelung in eine wechselseitige Gleichgültigkeit hinein.

Es war auch meine Absicht aufzuzeigen, dass diese Struktur von der Entstehung her eine lange Geschichte hat, denn ohne das dramatische Ringen über Jahrhunderte zwischen Kirche und Staat wären diese Strukturen kaum zustande gekommen. Sie hängen mit der europäischen Geschichte in ihren wichtigsten Phasen und auch mit der prägenden Kraft der Bibel und des christlichen Glaubens in Europa eng zusammen.

Um so erstaunter war ich über eine Reihe von Reaktionen auf meinen Vortrag. In ihm kommt z.B. das Wort „Islam“ – von einem Fremdzitat abgesehen – nur ein einziges Mal vor. Als ich über die Hintergründe und den Sinn des Modells Körperschaft öffentlichen Rechts sprach und auch den wechselseitigen schmerzlichen Lernprozess zwischen Staat und Kirche anführte, habe ich ausdrücklich zugestanden, dass es „sinnvoll (ist), den Körperschaftsstatus auszuweiten und zu übertragen. Dies (nämlich der Lernprozess) wird m.E. in der jetzigen Situation vor allem im Blick auf die Verleihung des Köperschaftstatus an den Islam weitgehend übersehen“. Kurz zuvor wird mit Berufung auf das Grundgesetz (Art. 140 in Verbindung mit Art 137,5 der Weimarer Verfassung) von einer weiteren Verleihung des Körperschaftsstatus an andere Religionen und Kirchen gesprochen, „wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten“. Ich habe nur darauf hingewiesen, dass dazu bestimmte Voraussetzungen gehören und dies nicht beliebig geschehen kann.

Es war verblüffend, was einige allzuschnelle Kommentatoren daraus gemacht haben. Sie haben aber offensichtlich nur verkürzte Agenturmeldungen benutzt. Es findet sich in meinem Text weit und breit keine Äußerung, die eine rechtliche „Gleichstellung“ des Islam mit den christlichen Kirchen grundsätzlich ablehnt. Mancher hat auch aus meinem Text herausgelesen, was er selbst nicht so deutlich sagen wollte, mich aber freilich als Gewährsmann missbrauchte. Dies betrifft vor allem die Ablehnung einer rechtlichen Gleichstellung. Höhepunkte des Missverständnisses waren auf der anderen Seite die Behauptungen, ich würde eine „rechtliche Diskriminierung“ des Islam betreiben und ich würde den Islam „in die zweite Bundesliga verbannen“. Ich hätte „zwei Klassen von Religionsgemeinschaften im Sinn“. Es ist dann auch kein Wunder, dass Sätze aus dem Zusammenhang herausgerissen werden. So hat die Aussage, dass die religiös-weltanschauliche Neutralität des Staates nicht einfach mit unreflektierter Toleranz im Sinne einer leeren Gleichgültigkeit identifiziert werden darf, überhaupt nichts mit dem Islam zu tun.

Mir ist wieder einmal aufgegangen, wie schwer es in unserer Gesellschaft ist, differenziertere Zusammenhänge sachlich und mit der nötigen Geduld darzustellen. Dies aber ist eine Voraussetzung, um die anstehenden Probleme überzeugend und mit möglichst großer Zustimmung der Beteiligten einer Lösung zuzuführen. Es ist auch unverkennbar, dass einige Kritiker ganz andere Interessen haben. Ich nehme keinem Muslim übel, wenn er seine Interessen vertritt. Mancher aber möchte für den Islam nur eine näher gar nicht präzisierte „Gleichstellung“ einklagen, um die angeblichen „Privilegien“ der christlichen Kirchen zu beseitigen. Diese Tendenzen wollte ich freilich einmal etwas entlarven und auch beim Namen nennen.

Nicht minder grotesk war der Versuch einiger Kritiker, die evangelische Kirche und ihren Ratsvorsitzenden, Bischof Prof. Dr. Wolfgang Huber, in Gegensatz zur katholischen Kirche und zu mir zu bringen. Wer auch nur das Referat von Bischof Huber auf dem Evangelischen Kirchentag in Köln (6. bis 10. Juni 2007) „Wie hältst Du´s mit der Religionsfreiheit?“ (KNA-Dokumente Juli 2007, 2-4) zur Kenntnis nimmt, sieht unschwer, dass es hier keine Differenzen unter den christlichen Kirchen gibt, die man gegen uns ausschlachten könnte. Im Übrigen gibt es seit Jahrzehnten gerade im Staatskirchenrecht vom gemeinsamen zweibändigen „Handbuch des Staatskirchenrechts“ (2. Auflage) bis zu den 40 Bänden der „Essener Gespräche“ (1966 ff.) eine enge Zusammenarbeit, wie sie nur auf wenigen Feldern existiert. Dies geht auch aus den in meinem Vortrag angeführten Zeugnissen und Veröffentlichungen hervor.

So kann ich jeden, der sich irgendwie mit meinen Äußerungen beschäftigt, warnen, sich mit den zitierten Urteilen im Stil von „unhaltbar“, „einseitig“ usw. zufrieden zu geben, ohne dass meine Argumentation auch nur von ferne aufgegriffen wird – und sei es recht kritisch. Es ist zwar eine bare Selbstverständlichkeit, auf den authentischen Text zu verweisen, aber es ist offenbar notwendiger denn je.

Um so dankbarer bin ich den Zuhörern in Krakau und Karlsruhe, zu denen viele namhafte Juristen und Richter der höchsten Bundesgerichte gehörten, für das offene Zuhören und die positiven Reaktionen, auch wenn ich niemand einfach für meine Darstellung instrumentalisieren möchte. Ich vertraue auf die Überzeugungskraft der Argumente und damit auf eine gediegene Diskussion mit längerem Atem.

(c) Karl Kardinal Lehmann

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz