Vortrag bei der Ringvorlesung der Theologischen Fakultät Trier zum Zweiten Vatikanischen Konzil in der Universität Trier am 14. Dezember 2004
I.
Wer vom „Konzil“ spricht, darf nicht nur auf die vier höchst eindrucksvollen Jahre 1962 bis 1965 schauen. Freilich war dies der Höhepunkt: das Zusammentreffen von 2.400 Konzilsvätern aus aller Welt, die stürmischen Ereignisse vom Oktober und November 1962, die 2.200 Konzilsreden, die 500 Abstimmungen und die 16 verabschiedeten Dokumente. Die Beobachter und Delegierten der nichtkatholischen Kirchen spielten - auch ohne Stimmrecht – gewiss eine große und einflussreiche Rolle als Katalysatoren in einem umfassenden Gespräch. Es genügt auch nicht, an die unerwartete Konzilsansage durch den unvergesslichen Papst Johannes XXIII. am 25. Januar 1959 in der Basilika St. Paul vor den Mauern zu denken. Von den 70 Entwürfen der Vorbereitungskommission für Konzilsdokumente blieb nur eine Hand voll übrig, und dabei blieb kaum ein Stein auf dem anderen. Das umfangreichste Dokument, die Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“, war überhaupt nicht vorher geplant. Papst Johannes XXIII. hatte ausdrücklich einen solchen Text gewünscht.
Heute erkennen wir deutlicher, dass der Gedanke an ein solches Konzil sich schon länger immer wieder rührte - so z.B. von Pius XII. auch während des Krieges erwogen wurde, aber die Zeitläufe waren der Durchführung nicht günstig gesonnen. Das Konzil hat so Geschichte gemacht, dass wir die Kirchengeschichte der letzten Jahrzehnte gerne in „vorkonziliar“ und „nachkonziliar“ einzuteilen gewohnt sind. Gewiss kann man damit in einem ersten Zugriff bestimmte Mentalitäten und Verhaltensweisen kennzeichnen. Aber diese Schemata sind doch recht grobschlächtig. In Wirklichkeit kann man sich dadurch auch viel verstellen. Denn gerade die große Theologie und die umfassenden Bewegungen zur Erneuerung der Liturgie und des Laienapostolates, genährt durch eine vertiefte Kenntnis der Bibel, haben schon seit den zwanziger Jahren einen Aufbruch geschaffen, ohne den das Konzil schlechthin nicht denkbar ist. Ähnliches gilt für die ökumenische Bewegung. Dass das Konzil trotz aller Auseinandersetzungen am Ende so einmütig begrüßt wurde, setzt eine lange intellektuelle und spirituelle Bereitung voraus. Darum können auch heute noch viele Impulse aus der Zeit vor Konzilsbeginn origineller und schöpferischer sein als manches, was sich nach Konzilsende bis zum heutigen Tag so progressiv ausgibt. Mit derselben Deutlichkeit freilich muss man auch sagen, dass sich längst nicht alles, was das Konzil an Wegweisendem hervorgebracht hat, aus der Theologie und Kirchenerfahrung der Vorzeit ableiten lässt. Es gibt auch viele Impulse, die selbst für Fachleute relativ überraschend kamen. Ich denke z.B. an die Aussagen zum Atheismus oder zu den Heilsmöglichkeiten für die Nichtchristen.
II.
Was ist eigentlich geschehen? Wo sind die Schlüsselereignisse zu dieser Kirchenversammlung und vor allem auch zu ihrer Wirkung? Zunächst sind es vor allem drei Bezugsfelder, die im Mittelpunkt des konziliaren Geschehens liegen: die innerkirchliche Erneuerung, die neue ökumenische Nähe und das gewandelte Weltverhältnis. Die 16 Dokumente lassen sich auf diese Bereiche verteilen: Grundvollzüge im Leben der Kirche, neue Beziehungen zu den übrigen christlichen Kirchen sowie zu den Weltreligionen, erneuerte Sendung in die Welt hinein, wobei vor allem folgende Themen im Vordergrund standen: Würde der menschlichen Berufung, Rang der menschlichen Person und ihrer personalen Rechte, Ehe und Familie, Kultur und Fortschritt, soziale und ökonomische Fragen der Völkergemeinschaft, Frieden in der Welt.
Was war aber nun maßgebend geworden, um auf diesen drei Feldern sach- und zeitgerechte Aussagen zu machen, die auch eine gewisse innere Einheit aufweisen? Es sind wohl zwei Angelpunkte, die einen beherrschenden Einfluss hatten: Dienst und Dialog. Dienst ist nicht bloß eine Beschreibung der letzten Zielsetzung des kirchlichen Amtes, sondern ist zuvor eine Grundkategorie im Verständnis des Handelns der Kirche in der Welt. Die Kirche ist nicht um ihrer selbst willen da, sondern besinnt sich auf ihre ureigene Aufgabe, „Instrument“ des Heils für die ganze Welt zu sein. Dieser Dienst kann nur Früchte bringen, wenn ein unheilvoller Gegensatz zwischen dem Amt und den Laien überwunden wird, selbstverständlich ohne den jeweils eigenen Auftrag preiszugeben. Das zweite Stichwort heißt Dialog. Dialog ist niemals als harmlose Weltverbrüderung und naives Sichanpassen an die Welt gedacht. Dialog ist auch kein unverbindliches Gerede. Im Unterschied zum Wort „Gespräch“ dient der Dialog dem gemeinsamen Finden und Anerkennen der Wahrheit und - und dies ist nun das Wichtigste - benutzt zu diesem Zweck auch institutionalisierte Verfahrensweisen. Ein Dialog ist also entschieden zielgerichtet und auf einen herzustellenden Konsensus bezogen. Der Dialog strebt nach einer Einigung, die einem zuvor bestehenden Missverständnis oder einem Streit ein Ende macht, mindestens sucht er eine Verständigung, welche aufgetretene Gegensätze ausgleicht. Dabei können auch problematisch gewordene Geltungsansprüche zum Thema gemacht und auf ihre Berechtigung hin untersucht werden. Diese durch Argumentation gekennzeichnete Form der Kommunikation wird im neueren philosophischen Denken auch „Diskurs“ genannt. „Dialog“ ist etwas weiter gefasst, hat aber eine ähnliche Struktur. Er zielt auf eine Einigung in einer strittigen Sache, wobei es nicht zuletzt um die solide Haltbarkeit eines erreichten Konsensus geht, damit der Streit nicht bei nächster Gelegenheit wieder ausbricht. Andere Formen des Gesprächs haben eine lockere Fügung, sind direkt auf die Sache bezogen, wobei sich die angestrebte Einigung mehr auf verborgene Weise vollziehen kann.
Der Dialog verläuft, wenn er sich selbst recht versteht, nach den Prinzipien der Wahrheit und der Freiheit. Im gemeinsamen Dialog hat jeder Teilnehmer gleiche Chancen. Das Gespräch gelingt nur durch die Antizipation, „dass beide Parteien auf der Ebene grundsätzlicher Gleichberechtigung und Freiheit in voller Offenheit miteinander zu sprechen bereit sind. Das erfordert nicht nur, dass derjenige, der es eingeht, diese Voraussetzungen bei sich selbst realisiert, sondern das hängt auch davon ab, ob der Partner auf ein unter diesen Voraussetzungen geführtes Gespräch einzugehen bereit ist. Das Eingehen des Gesprächs ist also immer ein Wagnis und erfordert von den Beteiligten Mut und Überwindung der natürlichen Selbstbezogenheit.“ Äußere Überlegenheit und der Zwang des Mächtigeren dürfen bei der Wahrheitsfindung des Dialogs keine Rolle spielen. Wer sich auf einen Dialog einlässt, muss ferner ein gewisses symmetrisches Verhältnis von Hören und Sprechen zu wahren wissen und auf jede Form von „Gewaltanwendung“ außer der Kraft der Argumente verzichten. Damit ein solcher Dialog überhaupt gelingen kann, muss eine hohe Solidarität vorausgesetzt werden. Ein wirklicher Dialog ist also recht anspruchsvoll, wird allzu leicht verletzt und gelingt darum gar nicht so oft, wie man vielleicht denkt.
III.
Dienst und Dialog als Vollzugsweisen des Kircheseins kreisen nicht um sich selbst. Sie verdoppeln nicht einfach das, was die Welt schon selber weiß. Sie bringen eine eigene Botschaft. Wir nennen heute mit einem biblisch?theologischen Grundbegriff den Inhalt und auch die Form der Vermittlung dieser Botschaft „Evangelium“. Das Evangelium ist „die Einladung zum Glauben an Gottes geschichtliche Nähe in Jesus Christus. Diese Einladung ergeht in der Botschaft der Bibel und hat als solche heilschaffende Kraft.“ Es ist eine Botschaft, die dem Menschen Heil und Glück, Ganzheit und Vollendung bringen kann. „Evangelium“ ist natürlich nicht nur die Chiffre für ideologische Wünsche und Forderungen einzelner, ganzer Gruppen oder des Zeitgeistes. Das Evangelium von der rettenden Nähe Gottes ergeht in Jesus Christus, dem „treuen Zeugen“ des Vaters. In ihm, dem Sohn, ist grundsätzlich alles gesagt, was Gott dem Menschen von sich selbst enthüllt und mitteilt. Es ist die Botschaft von einem Gott, der voll und ganz, nicht mehr überholbar und reuelos, in unsere Geschichte eingetreten, selbst geschichtlich geworden ist. Das Evangelium ist die wirkmächtige und befreiende Botschaft Gottes selbst, sodass es nicht in seiner Kraft entleert wird, wenn es in unsere endliche, sterbliche Wirklichkeit kommt. Darum ist es auch ein heilschaffendes Wort, das nicht nur in diesem Leben gilt, sondern das in Jesus Christus durch den Abgrund des Todes gegangen ist und durch den Sieg über den Tod in der Auferstehung in allen Situationen des Lebens und des Sterbens einen letzten Halt bietet. Diese Botschaft behält Gottes Kraft, auch wenn sie in unsere Schwachheit kommt und manchmal ohnmächtig die Welt zu durchdringen sucht.
Dieses Evangelium ist zu allen Menschen gesagt. Es lebt zwar in der Kirche und hat hier so etwas wie eine angestammte Heimat. Hier wird es elementar gehört und bewahrt, verkündigt und ausgerichtet. Aber das wirkmächtige Wort des Heils soll an alle gehen. Die Einladung ist unbeschränkt. Eine andere Sache ist es, wer diese Einladung Gottes wirklich im Leben annimmt. Es liegt auf der Hand, dass die Kirche, auch wenn sie die angestammte Heimat des Evangeliums ist, sich mit diesem nicht einfach deckt. Das Evangelium ist selbst auch das Maß für die Kirche, der kritische Maßstab, an dem sie selbst gerichtet wird. So wird es bis zur Vollendung der Welt ein stetiger Prozess sein, dass die Kirche über sich hinausgeht und immer wieder allen Menschen diese Frohbotschaft verkündet. Kirche gibt es nur unter diesem Auftrag und in dieser Sendung, das Evangelium allen Menschen zu verkünden. Man kann von der Kirche nicht reden, ohne sie als Botin und Zeugin des Evangeliums für alle Welt darzustellen; man kann aber auch vom heilschaffenden Wort Gottes nicht reden, ohne die Kirche als konkret verantwortliche Trägerin dieser Botschaft im Auge zu behalten. „Evangelium“ ist dabei ein Grundwort des Alten und des Neuen Testamentes. Es soll frohmachen und befreien, nicht Angst einjagen und knebeln. So ist deutlich geworden, in welch hohem Maß „Evangelium“ die wahre Gabe des christlichen Glaubens darstellt. „Evangelien“ und „Evangelisierung“ verstehen sich nun besser.
Das Evangelium ist also das, worum sich alles dreht. Letztlich ist es in der Person Jesu Christi begründet und bezeugt zugleich die von ihm der ganzen Welt mitgeteilte Botschaft. Dienst und Dialog sind die Weisen, wie das Evangelium in die Welt kommt. Das Evangelium hat also grundlegend etwas mit Dienst und Dialog zu tun: Es ist ganz und gar Dienst an dem, was als verloren gilt und gerettet werden soll; es ergeht besonders wirksam im Dialog mit der Welt. Der Dialog ist nicht die einzige Form, in der das Evangelium wirksam wird. Dies kann auch anders geschehen: durch eine Mahnung, ein Lied, die Klage, die Erzählung, ein Protest, einen Befehl ... Aber ganz gewiss ist der Dialog eine besonders ausgezeichnete Weise, wie das Evangelium seine Adressaten erreicht. Der Dialog wurzelt bereits im Geheimnis der Menschwerdung: Gott selbst tritt als das in die Geschichte gesandte Wort in die Welt ein. Wie Jesus Christus sich den Mächten dieser Welt aussetzte und gar auslieferte – das Wagnis des Dialogs annehmend –, ähnlich muss sich die Kirche der ihr entfremdeten Welt stellen und sich mit ihr in liebendem Streit auseinandersetzen. Anders kann man die Mauern der Trennung und des Missverständnisses nicht durchstoßen: „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab ... Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird“ (Joh 3,16f.). Darauf zielte alles konziliare Geschehen: alle subtile Theologie, alle Institutionen, alle heilige Liturgie, alle mutige Mission.
Papst Paul VI. hat sich in seiner ersten Enzyklika „Ecclesiam Suam“ vom 6. August 1964 über die Kirche, ihre Erneuerung und ihre Sendung in der Welt ganz und gar diesem Programm verpflichtet. Diese Enzyklika ist auch heute noch und gerade wiederum heute ein großes und wichtiges Dokument. Wenn Kirche und Welt verschieden sind, jedoch nicht voneinander getrennt werden dürfen, ist dieses Gespräch zwischen Kirche und Welt lebensnotwendig. „Die Kirche muss zu einem Dialog mit der Welt kommen, in der sie nun einmal lebt. Die Kirche macht sich selbst zum Wort, zur Botschaft, zum Dialog“. Die Heilsgeschichte wird im Ganzen dialogisch begriffen: Gott lädt ein, aus freier Initiative, von der Liebe geleitet, ohne Berechnung, unter Wahrung der Freiheit, alle ohne Unterschied, in wohlwollender Gesinnung, in missionarischer Verantwortung. Der Dialog kann uns nicht von der Verpflichtung gegenüber unserem Glauben entbinden, befiehlt uns jedoch ständig auch, uns voll und ganz auf die Sorgen und Nöte der Welt einzulassen. Die Weite des Dialogs erzeugt einen eigenen Geist des wahren Gesprächs. „Im Dialog entdeckt man, wie verschieden die Wege sind, die zum Lichte des Glaubens führen, und wie es möglich ist, sie alle auf dasselbe Ziel hinzulenken. Auch wenn sie voneinander abweichen, können sie doch zur Ergänzung beitragen, weil sie unsere Überlegungen auf ungewohnte Bahnen lenken und uns zwingen, unsere Forschungen zu vertiefen und unsere Ausdrücke neu zu gestalten. Die Dialektik dieses Denkens und dieser Geduld lässt uns auch in den Meinungen der anderen Wahrheitselemente entdecken; sie wird uns zwingen, unsere Lehre möglichst unparteiisch vorzutragen und als Lohn für die Mühe, dass wir auf die Einwände der anderen eingegangen sind, wird sie uns die allmähliche Annäherung schenken. Sie wird uns weise und zu Meistern machen“.
Das Zweite Vatikanische Konzil war ein einziger großer Dialog dieser Art auf den schon genannten drei Bezugs- und Handlungsfeldern: innerkirchlich, ökumenisch, welthaft-gesellschaftlich. Die Kirchen in aller Welt haben nach dem Konzil versucht, diesen Aufbruch durch eine lebendige Vergegenwärtigung ins Heute („aggiornamento“) jeweils auf ihrem geschichtlichen und kulturellen Boden aufzunehmen und zu übersetzen. Ich möchte nur das Erwachen der lateinamerikanischen Kirche in Medellin im Jahre 1968 und die Synoden der zentraleuropäischen, besonders deutschsprachigen Länder Ende der 60er und zu Beginn der 70er Jahre erwähnen. Schließlich wäre das immense Reformwerk vor allem Papst Pauls VI. zu erwähnen, das die vielen Anstöße des Zweiten Vatikanischen Konzils in konkrete Münze für das Leben der Kirche umzuformen versuchte. Das Ende des Konzils war zugleich gekennzeichnet durch die Ergebnisse einiger Gespräche über besondere Konfliktsituationen, so der Briefwechsel mit der Versöhnungsbotschaft zwischen den deutschen und den polnischen Bischöfen vom 18.11./5.12.1965 und die Aufhebung des Bannes von 1054 zwischen den Kirchen in Ost und West. Das Konzil wurde bekanntlich so zum Startschuss für einen weit verzweigten ökumenischen Prozess, der die verschiedenen Kirchen auf mehreren Ebenen miteinander ins Gespräch brachte, bilateral und multilateral. Das Konzil machte rasch Schule.
IV.
Das Konzil hat viele neue Initiativen, Bewegungen und Institutionen im kirchlichen Leben geschaffen. Es gibt zweifellos auch spirituelle Neuaufbrüche. Die Kirche hat ihr Antlitz, besonders für Außenstehende, erheblich verändert. Für viele sind Reformen Wirklichkeit geworden, für die sie ein Leben lang gekämpft haben. Der Geist Gottes hat eine Beweglichkeit und eine Kraft zur Erneuerung geschenkt, wie sie vor dem Konzil weder von innen noch von außen für möglich gehalten wurde. Im Grunde haben viele der Kirche eine solche Kraft der Erneuerung und Verjüngung überhaupt nicht zugetraut. Nicht wenige, die von außen schauten, haben ähnlich gedacht wie manche, die sogar an herausragender Stelle das Konzil mitvorbereitet haben: Es fehlten im festen Gefüge des nahezu perfekten „Systems“ Kirche nur einige wenige Steine. So glaubte man an ein kurzes Konzil, das die vorbereiteten Entwürfe rasch annehmen wird. Es sollte jedoch ganz anders kommen.
Warum ist aber dieser Aufbruch im Lauf der Jahre und Jahrzehnte spärlicher geworden, ja nach dem Eindruck mancher geradezu versiegt? Ich brauche die verschiedenen Krisen nach dem Konzil nicht aufzuzählen, angefangen von den Ereignissen des Jahres 1968 bis in die jüngste Gegenwart. Heute empfinden es viele so, als ob wir nach 40 Jahren vor einem Scherbenhaufen enttäuschter Hoffnungen stehen. Müdigkeit, Resignation und Verweigerung sind nicht selten das Ergebnis.
Es wäre der größte Fehler, wenn man die Ursachen für diese Krise zu schnell dingfest machen wollte. So erblicken die einen die ganze Schuld bereits im Konzil selbst, die anderen im Verlust kirchlicher Disziplin. In Wirklichkeit muss man anders ansetzen: Das Konzil musste von einer Kirche ausgehen, die sich in den Kämpfen und Schwierigkeiten der Neuzeit durch Verteidigungsstellung und Rückzug einigermaßen unversehrt bewahrt hatte - und dies ist keineswegs gering einzuschätzen, wenn man die Stürme betrachtet, die über die Kirche seit dem 18. Jahrhundert hinwegbrausten. Freilich musste dafür auch ein hoher Preis gezahlt werden, denn die Kirche hat die lebendige Begegnung mit der jeweiligen zeitgenössischen Kultur und den gesellschaftlichen Fragen in dieser Zeit eher eingebüßt. Der neuzeitliche Katholizismus war eine feste Burg geworden, die im Inneren der Kirche den wahren Glauben und eine erstaunliche organisatorische Schlagkraft bewahrte, dennoch aber von den großen kontroversen Lebensproblemen sich eher abgeschnitten empfinden musste.
Im Grund kann man fast aIle Herausforderungen zwischen Glaube und Kultur, Kirche und Gesellschaft in der Neuzeit als elementare Konfliktsituationen zwischen Bewahrung der Identität und Dialogfähigkeit mit der Welt beschreiben, angefangen vom Galileikonflikt bis zu den erbitterten Kämpfen um das Heimatrecht der kritischen Methode in der Theologie während der Modernismus-Krise zu Beginn unseres Jahrhunderts. So hatten sich bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil in immer neuen Schüben viele Konfliktherde angestaut: Verhältnis zur Demokratie, Gewährung von Religionsfreiheit, Antwort auf soziale Fragen, neue philosophische Probleme, Rolle des mündigen Laien, Naturwissenschaften und Theologie, Einschätzung der Technik und Verhältnis zur modernen Zivilisation. Eine Erneuerung des Katholizismus war nicht möglich, ohne dass man aus dieser wohlbehüteten und wohl behütenden Verteidigungsstellung herausging und im Dialog mehr Zuwendung zur Welt und ihren Sachgebieten wagte.
Hans Urs von Balthasar hat bereits 1952 mit dem Titel seiner kleinen Programmschrift „Schleifung der Bastionen“ den Nagel auf den Kopf getroffen. Vieles, was schon lange im Untergrund rumorte und Antworten verlangte, schoss nun an das Tageslicht. Die „Schleifung der Bastionen“ setzte viele verdrängte Probleme frei. Was nun an Fragen und Problemen sichtbar wurde, war nicht nur eine momentane Enttäuschung, sondern erwies sich nicht selten als ein Problem, das weit herkam und schon in der Aufklärung nach Antworten verlangt hatte. Ich denke an alle Konflikte zwischen Vernunft und Glaube, Freiheit und Autorität, Wissenschaften und Glaubensverständnis bzw. Theologie. Mit einem oberflächlichen Gerede, das einem einen modischen Anstrich gibt, wird man mit diesen Fragen nicht fertig. Es gibt also in der nachkonziliaren Erbmasse Problemkinder, deren Ursprung über mehrere Generationen zurückreicht. Hier hilft nur ein sorgfältiges und differenziertes, mühsames und kluges Aufarbeiten der Vergangenheit. Diese Aufgabe kann man nicht ersetzen durch Schlagworte, unverbindliche Gespräche oder Stimmungen. Freilich auch nicht nur durch disziplinäre Weisungen oder Gesetze allein.
Bald nach dem Konzil kam es zu einschneidenden gesamtgesellschaftlichen Wandlungen, die nicht leicht voraussehbar waren. Kurze Zeit nach dem Konzil war die Welt erheblich anders geworden. Ich brauche nur das Jahr 1968 zu nennen mit den Ereignissen des Vietnam?Krieges, des Biafra?Konfliktes, des Einmarsches der Russen in die Tschechoslowakei und der weltweiten Studentenunruhen. Aber auch hier darf man nicht alles auf das Jahr 1968 schieben. Manches wackelte schon in den Jahren vorher, wie man z.B. am Rückgang geistlicher Berufungen, kirchlicher Publikationen und der Zugehörigkeit zu Vereinen und Verbänden unmittelbar vor und während des Konzils zeigen könnte. Vielleicht hat auch eine gewisse Konzilseuphorie dazu beigetragen, dass die tiefe Erosion des Säkularisierungsprozesses, die immer mehr auch das Denken und Verhalten der Menschen in der Kirche erfasste, verkannt worden war. Mir geht dies immer wieder auf im Blick auf die Unbefangenheit, mit der das Konzil von Gott spricht, und der Wucht, mit der bald nach dem Konzil die Gottesfrage aufbrach.
Niemand wird deswegen Ein- und Umbrüche in der Kirche dieser Zeit leugnen wollen. Vorkonziliare Disziplin ist rasch verloren gegangen, aber offenbar war sie schon innerlich labil und in Krisen nicht mehr tragfähig genug. Das Bußsakrament hätte nicht so rasch an Kraft verloren, wenn es nicht irgendwie schon morsch gewesen wäre. Hat man hier die Erneuerung trotz aller Bemühungen nicht zu spät angesetzt? Vieles, was theologisch heute noch als „vorkonziliar“ gilt, geriet zu Unrecht in Vergessenheit. Die theologischen Moden schwappen nun stärker auch in die katholische Theologie hinüber, wie man an der rasch sich ablösenden Beschäftigung mit z.B. Entmythologisierung, Säkularisierung, politischer Theologie, Befreiungstheologie usw. unschwer feststellen kann. Falsch ist dabei nicht, dass man sich mit diesen Themen befasste, die der Zeitgeist freilich überaus bevorzugte, sondern wie man solche schwierigen Themen anging: zu wenig gerüstet, auf Effekt bedacht, offen für öffentliches Aufsehen, rasch bereit zum Abbrechen, wenn sich eine andere Woge nähert.
Die unfruchtbaren Grabenkämpfe zwischen mehr und mehr substanzlos werdenden Progressisten und immer mehr sich überheblich gebärdenden Traditionalisten haben dem Zweiten Vatikanischen Konzil in gleicher Weise geschadet. Geschichtslos gewordene Anpasser und unglückselige Bewahrer haben über Jahre die wahre Aufgabe des Konzils verstellt. Ob man mit beiden in der richtigen Weise ins Gespräch kam, darf bezweifelt werden. So ist es z.B. legitim zu fragen, ob die Einführung der erneuerten liturgischen Bücher theologisch und pastoral nicht hätte besser begleitet werden müssen, ob man nicht doch zu viel der juristischen Inkraftsetzung allein vertraut hat.
Jeder wirklich mit der Realität der Kirche Vertraute könnte noch mehr Defizite und enttäuschte Hoffnungen aufzählen als in den nachkonziliaren Sündenkatalogen vieler kritischer Beobachter, vor allem im äußersten rechten Lager. Aber es geht nicht um die Aufzählung solcher Fakten, sondern um die Diagnose der Situation und die Therapie des Kranken.
Immer waren es eigentlich Verletzungen der Dialogbereitschaft. Man zieht sich wieder in sein Schneckenhaus zurück und meint, in dieser Rückzugssituation vor Anfechtungen gesichert zu sein. Man verweigert den Dialog miteinander, weil bestimmte Feindbilder ihn gar nicht mehr fruchtbar erscheinen lassen. Man respektiert zu wenig die Eigenständigkeit eines Partners und bricht den Dialog ab, indem man einseitige Entscheidungen trifft. Aber „mächtig“ ist in unserer Gesellschaft nicht nur der, der eine amtliche Stellung besitzt und Autorität ausübt. Da hat sich manches geändert. Ein notwendiger Dialog kann in der Öffentlichkeit leicht verzerrt werden, besonders wenn es sich schon um Konfliktlagen handelt. Man spricht dann seltener unmittelbar miteinander, sondern meist über die Medien von Anfang an gegeneinander. Die Verführung, den Dialog durch berechnende Wirkung von Kampfworten und Diskriminierung zu gewinnen, ist außerordentlich groß. Differenzierungen sind nicht beliebt. Es ist zwar gut, dass Fragen des Glaubens nicht bloß Spezialisten angehen, sondern alle betreffen, also auch von allen darüber gesprochen werden kann und muss. Aber um urteilen zu können, bedarf es sorgfältiger Information und eines angereicherten Sachverstandes. Wir sind heute oft so rasch im Reden und wenig geübt im Zuhören. Dies ist nicht nur ein Problem von Kirche und Theologie, sondern eine fundamentale Frage unserer Kommunikationskultur.
V.
Das Zweite Vatikanische Konzil ist und bleibt das geistliche Ereignis der Kirche im 20. Jahrhundert und ist schlechterdings nicht daraus wegzudenken. Papst Johannes XXIII. ist der Mann des Aufbruchs, der die Einberufung dieses Konzils gewagt hat. Papst Paul Vl. hat das Begonnene nicht nur entschlossen weitergeführt, sondern mit fast unvorstellbarer Mühe das Reformwerk in relativ kurzer Zeit bis in viele Verästelungen hinein verwirklicht. Johannes Paul I., fast nur eine Art Komet für die Kirche, und Johannes Paul II. haben schon durch ihre Namensgebung sichtbar gemacht, wie sehr sie dem Konzilserbe ihrer Vorgänger verpflichtet bleiben.
Dieser Hinweis auf die überragende Bedeutung des Zweiten Vatikanischen Konzils ist aber nicht nur eine historische Aussage. Ein Konzil ist überhaupt nie nur historisch zu verstehen, sondern lebt in der jeweils aktuellen Geschichte der Kirche weiter. Es gibt darum auch keine andere Lösung krisenhafter Phänomene und der Rezeptionsschwierigkeiten als eine entschlossene Zuwendung zu dem, was das Konzil gewollt hat. Allerdings werden wir dabei aus den Fehlern der bisherigen Rezeptionsgeschichte lernen müssen. Aus vielen Gründen, die ich anderswo erläutert habe, muss eine neu ansetzende Rückkehr zu den wirklichen Quellen des Konzils überzeugender als bisher einige Erkenntnisse beachten:
1. Die Konzilstexte selbst sind vielen fremd geblieben oder bereits fremd geworden. Vielerorts beruft man sich bei allen denkbaren Wünschen und Absichten grundlos und oft sogar gegen den Sinn der Entscheidungen selbst auf das Zweite Vatikanum. Oft spielt man den Geist des Konzils gegen seine Buchstaben aus, und natürlich auch umgekehrt: Man kann natürlich auch den wahren Geist durch einen unbeweglichen Buchstaben ersticken. Dieses Konzil stirbt in unserem Bewusstsein ab, wenn wir - vor allem die Bischöfe, Theologen, Priester, Diakone, hauptamtlichen Laien und alle, die interessiert sind - nicht immer wieder die großen Texte konsultieren und meditieren. Man kann heute jeden Text mit Hilfe fast unzähliger Untersuchungen gut erschließen. Beschäftigen sich Lehrveranstaltungen in unseren Universitäten und Veranstaltungen der Kirchlichen Erwachsenenbildung wirklich genügend mit diesen Texten? Und wie steht es mit der Fortbildung?
2. Es gibt nicht das chemisch reine Konzil, das die christliche Botschaft keimfrei, gleichsam vakuumverpackt anbieten könnte. Die meisten Konzilstexte zeugen bei näherem Zusehen selbst von vielen Tiefenschichten, mehrdeutigen Anspielungen und Aufgabenbeschreibungen. So sind sie nicht selten spannungsreich und signalisieren eine nicht mehr vom Konzil, sondern von der Theologie zu lösende Aporie. Sie enthalten jedenfalls sehr viel mehr solcher mehrschichtigen Dimensionen und bieten meist eben nicht jene einfachhin fertigen Lösungen, die wir gerne haben möchten. Darum darf man aber auch nicht Textfetzen herausrupfen, isolieren und zu Schlagwörtern machen. Immer ist auch die Aufgabe gegeben, die Ergebnisse des Konzils im Ganzen der Konzilstexte selbst und der großen Überlieferung der Kirche zu integrieren und zu lesen. Ich denke z.B. an die „Rangordnung der Wahrheiten“ (hierarchia veritatum: UR 11) und an das, was daraus oft abgeleitet wird.
3. Wir sprechen vom Evangelium, das durch den Dialog, zu dem die Kirche einlädt, Wirklichkeit werden soll in der Welt. Wer einen Dialog führen will, setzt sich - wie wir eingangs erklärt haben - Risiken aus. Dies lässt sich gar nicht vermeiden. Es bedeutet aber, dass man zum Dialog befähigt sein muss und eine Einübung dazu braucht. Es genügt also nicht einfach, sich zu öffnen und dialogbereit zu sein. Wir haben diesen Dialog vielfach - weil unerfahren - naiv geführt. Dies hat zwei Gründe. Einmal waren wir oft zu wenig im Evangelium als Wahrheit unseres Lebens begründet und verwurzelt. Wer sich nämlich im Dialog gerade einem starken Partner aussetzt, muss selbst ausreichend in der Lage sein, nicht nur Fragen standzuhalten und verlockende Alternativen hinnehmen zu können, sondern er muss auch aus der Kraft und Tiefe der eigenen Überzeugungen solche Antworten anbieten, dass sie auch einen Andersdenkenden wenigstens intellektuell überzeugen. Dazu gehört aber die Fähigkeit der Unterscheidung der Geister. Nur allzu leicht gerät man in den Sog der Kräfte des Dialogpartners. Aus der naiv gemeinten „Öffnung“ kann leicht ungewollte Anpassung, ja schließlich Umklammerung werden. Man braucht einen verlässlichen eigenen Standort im Dialog, der einem Gewissheit schafft und zugleich ermöglicht, sich vorbehaltlos auf den anderen einzulassen. Dies ist viel schwieriger, als wir dachten. Da wir so sehr auf Verteidigung und Abwehr eingestellt waren, waren die Fähigkeiten zum selbstständigen Aushalten und Gestalten des Dialogs wenig entwickelt.
In der Zwischenzeit haben wir gemerkt, dass man im Gespräch höchst verwundbar ist. Wenn dies so ist, heißt die Alternative nicht Rückzug in ein Getto, um die eigene Identität zu sichern, aber auch nicht schleichende Anpassung, in der wir nur aufgesogen werden. Dies gilt besonders für den praktischen Dialog mit der Welt, wo es nicht leicht ist, den versucherischen Kräften standzuhalten, dem Geist der Zeit anheim zu fallen. Dass wir uns nicht missverstehen: Auch der Bereich des Zeitgeistes fordert uns heraus, ist ein Ort der Bewährung für den Glauben und seine verwandelnde Kraft, aber es ist viel mühsamer, dabei sein eigenes Gesicht nicht zu verlieren.
Das Konzil wollte die Kirche aus der Haltung des bloßen Widerspruchs zur Moderne herausholen und sie zum Dialog öffnen. Aber dies sollte nicht nur ein einmaliger Akt der Reform sein, vielmehr eine grundsätzliche Erneuerungsbereitschaft, welche sich in veränderten Situationen immer wieder den Herausforderungen stellt. Johannes XXIII. hatte das Konzil einberufen, weil er zutiefst überzeugt war, dass die Probleme unserer Zeit bei aller Notwendigkeit von Weisung und Orientierung nicht allein durch Dekrete und Gesetze gelöst werden, sondern durch die gemeinsame Beratung mit allen, die Verantwortung tragen.
Gewiss, es gab auf dem Weg der Verwirklichung Schwächen und Inkonsequenzen, manchmal auch Irrwege. Aber warum reden wir denn so wenig von den vielen positiven Errungenschaften, die auf der Hand liegen? Was wäre denn die Kirche heute ohne die im Ganzen erstaunlich gelungene Erneuerung des Gottesdienstes und der Sakramente, ohne die ökumenische Annäherung der Christenheit, ohne das Friedensethos des Konzils, ohne das Erwachen so vieler ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in vielen Gemeinden, ohne das neue Leben in vielen geistlichen Bewegungen, Gemeinschaften und auch teilweise Orden? Dies darf man nicht einfach verschweigen. Warum sind wir nicht mutiger, wenn es um die Verteidigung dessen geht, was wir im Geist des Konzils neu gelernt haben? Warum haben wir uns von den notorischen Miesmachern so entmutigen lassen? Aber es gibt natürlich auch eine Gewissenserforschung in anderer Richtung: Warum sind wir den geschichtsvergessenen Veränderern um jeden Preis nicht mehr in die Parade gefahren? Warum haben wir nicht mehr mit jenen gerungen, die das Konzil durch Übereifer desavouiert haben?
Wer feiert, tut dies nicht folgenlos. Auch wenn es „nur“ 40 Jahre seit dem Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils sind, wollen wir uns in aller Eindeutigkeit zu dieser Kirchenversammlung und ihren Aufgaben bekennen. Wir sagen uneingeschränkt Ja zu diesem Konzil: zu seinem Geist, den man allerdings nicht ohne die buchstäbliche Mühe um die Texte gewinnen kann; zum ganzen, unverkürzten Konzil mit allen seinen Dimensionen und Schattierungen; auch zu den Problemen, den noch aufzulösenden Knoten, dem Unvollkommenen und auch zu den Lücken. Dabei steht das Wort „Konzil“ für zwei Dinge zugleich: die in mühseliger Auseinandersetzung gewonnenen und mit fast unvorstellbar hohen Zustimmungen verabschiedeten Aussagen und das geistliche Ereignis dieser Kirchenversammlung, das einen eigenen Stil des Miteinander Umgehens in der Kirche ausprägte. Konzil - das ist diese umfassende und begeisternde, nüchtern-heilige Wirklichkeit, kein Deckname nur für unsere eigenen Wünsche und Projektionen. Dabei wissen wir, dass kein großes Konzil schlagartig und problemlos in der Geschichte der Kirche verwirklicht werden konnte. Auch ein vom Geist Gottes geführtes Konzil trägt die Signatur der Endlichkeit, Begrenztheit und Brüchigkeit des menschlichen Lebens. Um wie viel mehr gilt dies von der Rezeption eines Konzils!
Wir lassen uns an ein geistiges und geistliches Erbe erinnern, das wir der Vergesslichkeit einer Wegwerf-Gesellschaft entreißen und in Dankbarkeit neu annehmen wollen. Solche Erinnerung führt uns durch Verkrustungen aller Art wieder zurück zu den unverbrauchten Quellen christlichen Lebens, vor allem zum Wort Gottes selbst. So kann die Erinnerung neue schöpferische Kräfte entbinden, die faszinierender und mutiger sind als die neuesten Moden, die morgen wieder von gestern sind. Das Gedächtnis des Konzils schenkt uns zu diesem Abenteuer neuen Mut.
Lassen wir uns am Schluss von Papst Paul VI. diese Vision von Kirche vor Augen führen: Die Kirche muss bereit sein, „den Dialog mit allen Menschen guten Willens innerhalb und außerhalb ihres eigenen Bereiches zu führen. - Niemand ist ihrem Herzen fremd. Niemanden betrachtet sie, als hätte er mit ihrer Aufgabe nichts zu tun. Niemand ist ihr Feind, der es nicht selbst sein will. Nicht umsonst nennt sie sich katholisch, nicht vergebens ist sie beauftragt in der Welt Einheit, Liebe und Frieden zu fördern ... Der Glaube ist ein Geschenk Gottes und Gott allein bestimmt in der Welt das Ausmaß und die Stunden seines Heils. Aber die Kirche ist sich bewusst, Same, Sauerteig, Salz und Licht der Welt zu sein. Die Kirche nimmt die umwälzenden Neuerungen der modernen Zeit zur Kenntnis. Aber mit aufrichtigem Vertrauen schaut sie auf die Wege der Geschichte und sagt den Menschen: Ich habe das, was ihr sucht und was euch fehlt.“
(c) Karl Kardinal Lehmann
Es gilt das gesprochene Wort
Im Originaltext sind eine Reihe von Fußnoten und Anmerkungen enthalten.
von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz
Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz