Festansprache zur Vorstellung des Sonderpostwertzeichens „Papst Johannes Paul II.“

am 17. Mai 2005 in Mainz (Erbacher Hof)

Datum:
Dienstag, 17. Mai 2005

am 17. Mai 2005 in Mainz (Erbacher Hof)

Postwertzeichen sind eine relativ späte Phase in der Geschichte der menschlichen Kommunikation. Wir sagen in der Alltagssprache auch gerne Briefmarken oder Freimarken. Die Daten für ihre Genese werden verschieden gedeutet. Die einen zählen das Jahr 1653 als Ursprungsdatum, als nämlich die Pariser Stadtpost Papierstreifen herausgab zur bezahlten Weiterleitung von dem, was wir heute „Post“ nennen. Gewöhnlich wird für Briefmarken jedoch das Jahr 1840 in Großbritannien und 1849 in Deutschland, nun in Bayern, als Datum für das Erscheinen moderner Postwertzeichen angegeben.

Natürlich gab es schon früher eine entsprechende menschliche Kommunikation. Lange Zeit waren es vor allem Boten, die Nachrichten von einem Ort zum anderen gebracht haben. Natürlich gab es auch andere Medien für Mitteilungen, wenn man z.B. an Instrumente, wie das Alphorn, denkt, die zwischen tief eingeschnittenen Tälern eine Brücke der Verständigung schufen. Ähnliches gilt auch für das menschliche Pfeifen. Wir dürfen also diese und andere Wege der menschlichen Kommunikation als Vorläufer sehen für die Briefmarken, die als aufklebbare Wertzeichen zur Freimachung von Postsendungen dienen. Freilich ging es immer um einen grundlegenden Austausch von Nachrichten zwischen Menschen, ob es nun Unglücksnachrichten oder Drohungen, Friedensangebote oder Grußbotschaften waren. In jedem Fall sollten Schweigen und Verständnislosigkeit überwunden werden. Trennende Mauern zwischen Menschen sollten durch Mitteilungen kein letztes Hindernis darstellen. Insofern gehört die Geschichte der Briefmarken wie auch der Post zu den Mitteln, um in der Menschheit immer mehr wechselseitige Information zu schaffen. Wir sehen bei den Briefmarken heute noch eine weitere Entwicklung der Kommunikation: Zunächst waren sie reine Wertmarken zur Dokumentation, dass eine Briefsendung, eine Nachricht, eine Botschaft, zur Beförderung bezahlt und freigemacht wurde. Heute sind sie selbst durch die Motive, die auf ihnen abgebildet sind, kleine Botschaften geworden. Dadurch sind sie auch in ihrer Besonderheit für Sammler von großer Bedeutung.

Eine Briefmarke trägt nun das Antlitz von Papst Johannes Paul II. Der Bundesminister der Finanzen, Herr Hans Eichel, hat schon eine vorzügliche Hinführung zu der Bedeutung dieses Papstes gegeben. Ich glaube, dass dieser Zusammenhang nicht zufällig und beliebig ist. Papst Johannes Paul II. hat nämlich in ganz besonderer Weise, das, was die Briefmarke darstellt, durch sein Leben verwirklicht, nämlich Kommunikation geschaffen und Menschen näher zusammen gebracht. Gewiss ist jeder Papst durch seine Aufgabe als Führer einer großen Weltreligion ein Pontifex Maximus, ein Brückenbauer ersten Grades. Es ist eine fundamentale Aufgabe gerade der christlichen Religion und der Kirchen in ihrem Bereich, dass sie Trennungen und Spaltungen überwinden und immer wieder zu Einheit und Versöhnung führen. Es ist darum besonders tragisch, wenn sie untereinander das Band dieser Verständigung durch endgültige Verwerfungen und Abspaltungen zerstören. In ganz besonderer Weise hat sich aber der verstorbene 264. Papst Johannes Paul II. die vebindenden Aufgabe der Medien zu Eigen gemacht. Auch wenn das Papsttum schon früh die modernen Massenmedien in seinen Dienst stellte – ich denke etwa an die Gründung von Radio Vatikan in den frühen Dreißiger Jahren oder noch früher die Erstausgabe der Vatikanzeitung „l’Osservatore Romano“ 1861 -, so hat Papst Johannes Paul II. in ganz außerordentlicher Weise die modernen Kommunikationsmöglichkeiten in höchstem Maß genutzt. Er war auch auf seine Weise ein Genie der Kommunikation. Seine außerordentliche Persönlichkeit, die eine große unbefangene Zuwendungsfähigkeit besaß, und seine erstaunliche Sprachenkenntnis haben dies besonders erleichtert. Dazu kam seine hohe Gesprächsbereitschaft, die keinen Adressaten von vornherein einfach ausschloss. Besonders wenn es um die Möglichkeit um Frieden und Versöhnung ging, hat der Papst nicht gezögert, Gespräche und Begegnungen zu suchen. Die 104 großen Pastoralreisen in alle Kontinente und Hunderte von Reisen in Italien und ganz besonders in seiner eigenen Diözese Rom verstärken diesen Grundzug.

Ich glaube, dass diese Eigenschaften tief auch in der Grundeinstellung von Johannes Paul II. verwurzelt sind. Der Priester und Ethiker, Bischof und Papst hatte in seinem eigenen Leben durch zwei Diktaturen hindurch tiefe Verletzungen der menschlichen Kommunikation erlebt, Lüge und verzerrte Propaganda, Feindschaft und Unversöhnlichkeit zwischen den Menschen. Am Grund seiner großen Kommunikationsbereitschaft steht ein tiefer Wille zur Versöhnung und zum Frieden unter den Völkern. Dafür hat er sich sein ganzes Leben verzehrt und bis in die letzten Tage immer wieder seine Stimme erhoben. So ist Johannes Paul II. buchstäblich ein weltweiter Kommunikator geworden, der vermutlich in den 26 Jahren seines Wirkens, einschließlich des Echos auf sein Leiden und Sterben, so viele Milliarden Menschen erreicht hat, wie wenige andere vor ihm und mit ihm. So hat Johannes Paul II. auch wirklich in einer neuen Weise, eben auch Dank der Nutzung moderner Medien, die katholische Kirche zu einer wirklich weltweiten Gemeinschaft gestaltet, die er bis in alle sonst eher vergessenen Winkel erreichte. So hat er überzeugend verwirklicht, dass die katholische Kirche schon seit alters ein ursprünglicher und elementarer „Global Player“ ist.

Es ist schön, dass diese Marke auch Ausdruck unserer Dankbarkeit ist, die wir gerade von Deutschland aus diesem Kirchenmann schulden. Wohl schon von Jugend an war er unserem Land, unserer Sprache und unserer Kultur trotz der brutalen Besetzung seiner Heimat durch die Wehrmacht und trotz der Nähe seines Geburtsortes zum Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau zugewandt und ist uns durch alle Nazi-Gräuel hindurch treu geblieben. Ich habe an anderer Stelle aufgezeigt, wie dies gerade auch in seiner Verbundenheit zur Stadt Mainz, zu ihrer Universität und zum Bistum Mainz sowie den Bischöfen offenkundig und erkennbar ist. Noch weniger als drei Wochen vor seiner Wahl zum Papst war er mit einer Delegation polnischer Bischöfe hier. Dreimal hat er unser Land besucht: 1980, 1987, 1996. Nur allzu gerne wäre er zum Weltjugendtag im August diesen Jahres nach Köln gekommen. Aber immer hat er auch bei den Gesprächen darüber bescheiden und demütig hinzugesetzt: „...wenn ich noch lebe“. Wir haben besonderen Grund zu danken, nicht zuletzt für seinen indirekt politisch wirksamen Beitrag zum Abbau der Feinseligkeiten zwischen Ost und West, zur Versöhnung mit seiner polnischen Heimat und zur Einigung unseres Landes. Wie froh und dankbar ist er 1996 mit Bundeskanzler Helmut Kohl durch das Brandenburger Tor in Berlin geschritten! Es ist also angemessen, dass wir von diesem Standort Deutschland aus eine Briefmarke mit seinem Antlitz herausbringen. Es ist besonders schön, dass dies heute, am 17. Mai geschieht, denn morgen, am 18. Mai, wäre Johannes Paul II. 85 Jahre alt geworden.

Die zuständige Abteilung in Ihrem Haus, Herr Bundesminister Eichel, hat ein eindrucksvolles Bild der Katholischen Nachrichtenagentur als Grundlage für den Entwurf von Werner H. Schmidt, Frankfurt am Main, gewählt. Es ist, so meine ich, ein sehr gelungenes Bild. Es zeigt im Hintergrund mit dem tiefen Blau des Himmels, das wir von Marc Chagall von St. Stephan in Mainz besonders gut kennen, die weltweite Bedeutung und Ausstrahlung dieses Mannes und seiner Botschaft. Störende Wolken werden nicht geleugnet, aber sie verändern nicht den Gesamteindruck. Papst Johannes Paul II. schaut in einer für ihn bezeichnenden Weise in die Welt: der Grundton seines Blickes ist positiv, vertrauend und zuversichtlich; aber zugleich gibt es bei allem feinen Lächeln auch einen Schuss Skepsis. Noch ist nicht aller Tage Abend. Er weiß um das Leid der Welt. Darum stützt er sich, wie so oft in seinem Leben und Wirken, ganz besonders auch am Ende, auf das Kreuz, das ihn trägt und hält. Es ist in der tiefen doppelten Bedeutung, dass es zugleich das Leiden und die Bedrängnis in unserer Welt zum Ausdruck bringt und dennoch auch den Sieg über alle Widrigkeiten unseres Lebens bekennt, das richtige Zeichen für unsere Gegenwart zwischen den Zeiten. Jesus hat am Kreuz gesiegt. So konnte der sterbenskranke Papst mitten in seinen Schmerzen und bei seinem Abschied auch zu den Seinen in der päpstlichen Familie, in seinem Haus sagen: „Ich bin froh, seid Ihr es auch!" Darum geht der Blick auch noch weiter. Er geht über unsere Zeit und Gegenwart hinweg, ohne sie in irgendeiner Weise gering zu schätzen. Das Blau des Himmels nimmt auch den Papst in seine Unendlichkeit auf.

Verehrter Herr Bundesminister Eichel, im Namen der deutschen Katholiken, der Bischöfe in unserem Land und besonders auch persönlich, ganz gewiss auch noch ohne Mandat für viele andere Menschen, möchte ich Ihnen einen herzlichen Dank sagen für die Herausgabe dieses Sonderpostwertzeichens aus Anlass des Todes von Papst Johannes Paul II., aber auch im Rückblick auf sein ganzes Leben und Wirken. Mit der Herausgabe dieser Briefmarke sprechen Sie vielen Menschen in unserem Land weit über die Grenzen der Kirche hinaus aus dem Herzen. Ein herzliches „Vergelt´s Gott!“ Wir wünschen Ihnen für viele andere Fragen, die Sie in diesen Tagen bedrängen, Gottes reichen Segen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte bei dieser Gelegenheit auch über diese einzelne Briefmarke hinaus einen herzlichen Dank sagen, Ihnen Herr Bundesminister Eichel, aber auch Ihren Damen und Herren in der verantwortlichen Abteilung für die große Hilfe, die Sie für die Herstellung der Postwertzeichen leisten, oftmals als historische Dokumente und Zeugnisse für Vergangenheit und Gegenwart. In vieler Hinsicht erinnern sie an große geschichtliche Gestalten, auf deren Schultern wir alle stehen. Sie kämpfen auch gegen den Strom des Vergessens un dzeigen uns, wie sehr wir mutigen Frauen und Männern unsere geschichtliche Gegenwart verdanken. Oft haben diese ihr Leben für uns gegeben. Sie tragen darum ganz entscheidend auch bei zur Erinnerung und lebendigen Begegnung mit unserer Geschichte. So leisten Sie einen großen Beitrag zum Gespräch mit unserer Geschichte und Kultur. Dies hat gerade auch im Blick auf die Bildung so vieler Menschen eine oft größere Wirkung als teure Projekte in diesem Bereich. So darf ich Ihnen allen auch bei dieser Gelegenheit einen herzlichen Dank sagen.

Sonderpostwertzeichen heißt das Wort. Darin steckt auch das Wort „Wert“. Dies ist zum einen ein ökonomischer Wert, aber auch ein großer menschlicher Wert. Werte hängen freilich nicht einfach, wie es in unseren Tagen manchmal anklingt, beziehungslos an einem Himmel der Werte. Werte werden erst dann lebendig und konkret, wenn sie im wirklichen Leben geerdet und verankert sind. Darum brauchen Werte eben auch ganz elementare Vorbilder, nicht zuletzt für unsere jungen Menschen, aber auch für uns alle. Ich danke Ihnen, dass Sie uns mit der Briefmarke „Papst Johannes Paul II. 1920-2005“ ein kleines, aber symbolträchtiges Postwertzeichen geschenkt haben. Ich bin gewiss, dass viele Menschen dieses lebendige Gesicht voller dankbaren Erinnerung gerne weitersenden. Herzlichen Dank!

(c) Karl Kardinal Lehmann

 

 

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz