"GOTT IST GRÖSSER ALS DER MENSCH"

Datum:
Montag, 20. September 1999

Vom Suchen und Finden Gottes als zentralem Schlüssel für die Zukunft von Religion und Kirche im 21. Jahrhundert - Eröffnungsreferat des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz bei der Herbst-Vollversammlung am 20. September 1999 in Fulda:

Rede-Manuskript Inhalt:

I. Der unstillbare Hunger des Menschen nach Erfüllung
II. Das Wesen des Menschen als Transzendenzgeschehen
III. Gottesvorstellungen in neuen Religionen
IV. Grundlegende Merkmale des biblischen Gottesverständnisses
V. Gott in der Sphäre des Heiligen und der Zugang dazu
VI. Das Beten als Medium religiöser Sprache

"GOTT IST GRÖSSER ALS DER MENSCH"

Während unserer Bischofskonferenzen kehren wir immer wieder ein bei Gott. Aber dies soll diesmal nicht nur für die vielfältigen Gottesdienste, die Eucharistiefeiern und das Stundengebet gelten, sondern auch für dieses Eröffnungsreferat. Schon seit vielen Monaten habe ich mir im Reigen der zwölf Eröffnungsreferate, die ich nun seit 1987 gehalten habe, dieses Thema vorgenommen.

Es ist also ganz unabhängig von den schwerwiegenden Fragen der Regelung der Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen entstanden. Aber ich habe schon lange die oft quälende Frage, ob wir angesichts der gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen, mit denen sich auch die Kirche befassen muß, und inmitten vieler innerkirchlicher Probleme die entscheidende Frage immer mehr in den Hintergrund drängen lassen: das Fragen nach Gott. Manchmal gewinne ich den Eindruck, es würde von den vielen Themen, mit denen wir uns beschäftigen, verdrängt. Je sichtbarer unsere Institutionen werden, um so unsichtbarer wird Gott selbst. Dabei sind wir alle in erster Linie nur angetreten, um ihm zuerst die Ehre zu geben. Es ist uns verheißen, daß alles andere uns dazugegeben wird. Immer wieder höre ich den Herrn zu uns heute wie damals bei Martha und Maria sagen: "Martha, Martha, du machst dir viele Sorgen und Mühen. Aber nur eines ist notwendig. Maria hat das Bessere gewählt, das soll ihr nicht genommen werden." (Lk 10,41f.)

Dies gilt nicht nur für die Menschen außerhalb der Kirche. Es gilt für uns alle und wird zu einer Art fundamentaler Gewissenserforschung. Diese ist um so notwendiger, wenn wir an der Jahrtausendwende uns nach den Prioritäten des kirchlichen Tuns fragen.

Also fragen wir möglichst elementar nach Gott. Jetzt sind wir nur für ihn da. Ich meine dies im Sinne des russischen Schriftstellers Sinjawskij: "Man soll nicht aus alter Gewohnheit glauben, nicht aus Angst vor dem Tod, nicht für alle Fälle, nicht deshalb, weil uns jemand zwingt, nicht aus humanistischen Grundsätzen, nicht deshalb um die Seele zu retten oder um originell zu sein. Man soll glauben aus dem einfachen Grund, weil es Gott gibt."

In den letzten Jahren gab es religionsphilosophisch und theologisch in vielen Disziplinen bedenkenswerte Neuansätze in der Gottesfrage. Dies gilt ganz besonders auch für die Trinitätstheologie. Selbstverständlich kann ich im Rahmen dieses Referates nur auf einige ausgewählte Perspektiven eingehen, die mir wichtig erscheinen.

I. Der unstillbare Hunger des Menschen nach Erfüllung

Die klassische Philosophie und Theologie konnten weitgehend voraussetzen, was das Wort "Gott" bedeutet. So kann Thomas von Aquin bei der Darstellung der Wege zu Gott, also der sogenannten Gottesbeweise, nach der Darlegung z.B. eines unbewegten Bewegers oder einer letzten Zielursache in aller Knappheit sagen: "Quod omnes dicunt Deum" (S.th.I qu.2 art.3c.). Ganz gewiß können wir nicht mehr den schwierigen Übergang in einer so knappen Weise formulieren. Dafür bedarf es einer Reihe von gedanklichen Schritten, auf die wir noch im einzelnen zurückkommen (vgl. zum Thema N. Fischer, Die philosophische Frage nach Gott = Amateca 2, Paderborn 1995).

Ein entscheidender Ausgangspunkt ist die Frage nach dem Menschen. Hier geht es m.E. vor allem um die metaphysische Anlage des Menschen überhaupt. Die Struktur des Menschen ist anders als der Befund bei den übrigen Lebewesen. Wir sprechen schon seit langem in der Anthropologie davon, daß das Tier eine weitgehend angeborene, aber gewiß auch erworbene Sicherheit hat im Umgang mit dem Milieu, in dem es lebt. Die Instinktsicherheit begrenzt aber zugleich das Tier auf seine Umwelt. Der Mensch ist viel weniger durch solche Triebe und Tendenzen, die freilich in ihm auch wirksam sind, bestimmt. Er ist darum grundsätzlich ein Wesen der Welt-offenheit. Diese Weltoffenheit bedeutet aber für das Leben des Menschen, daß er in diesem weiten Horizont stärker vielfältigen Gefahren ausgesetzt und auch unbehaust ist. Seine Stärke ist auch seine Schwäche. Er hat die Sicherheit der Natur verloren. Für ihn ist die Natur eher eine Herausforderung, sich und sein Dasein selber zu übernehmen und zu gestalten. In diesem Sinne ist der Mensch eine ihm selbst gestellte Aufgabe, der er nicht entrinnen darf und kann. Darum ist sein Wesen eng mit der Gestaltung seiner Freiheit verbunden. Dies macht seinen Risikocharakter aus. Der Mensch muß sich, um zu seiner Selbstdeutung zu gelangen, bewußt zu sich selbst verhalten.

Diese Weltoffenheit und Unbestimmtheit seiner Natur gibt dem Menschen die Notwendigkeit, immer wieder zu suchen, wie er sich am besten selbst verwirklicht. Deshalb muß er auch immer wieder die Frage Kants stellen: Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Darin kommt die Endlichkeit des Menschen ganz besonders zum Ausdruck, weil nur einem endlichen Wesen sein eigenes Können, Sollen und Dürfen fraglich erscheint. Schließlich aber kann der Mensch aus eigenem Antrieb allein zwar die Wahrheit suchen, aber nicht endgültig finden. Wenn er aus eigener Kraft dem sittlichen Anspruch genügen will, stößt er immer wieder auch auf Unwissenheit und Schwäche. Er kann die gesuchte erfüllte Ruhe gelingenden Lebens nicht selbst finden, jedenfalls nicht inhaltlich vollständig und für alle verbindlich. Wir kennen das Augustinus-Wort, daß der Mensch ein ruheloses Herz hat, das nicht in ihm selbst an ein Ziel kommt. Jedenfalls erkennt sich der Mensch aus der Kraft seiner eigenen Natur wesentlich als ein ruhelos suchender Geist. Diese immer wieder durch die faktische Situation unsicher gewordene Suche findet in sich selbst und in der endlichen Welt keinen verläßlichen Halt. Der Mensch taumelt eher in einer ständigen Haltlosigkeit, denn er sucht immer wieder eine neue Erfüllung seiner Unruhe. So ist der Mensch ein Wesen der Hoffnung, das auf ein höchstes vollendetes Gut ausgestreckt ist, das er aber mit eigenen Kräften nicht erreicht. Es gibt also ein unstillbares Streben und Verlangen des Menschen nach Vollendung, das auch auf eine unendliche Kraft hinweist, aber er kann diese Vollendung nicht aus eigener Kraft erlangen. Er kann sich ihr höchstens asymptotisch oder im Nu des Augenblicks annähern. Im Handeln erfährt der Mensch diese Grenzen noch sehr viel stärker. Es ist besonders M. Blondel gewesen, der das unheilbare Mißverhältnis zwischen dem Antrieb des Wollens und dem menschlichen Ziel der Handlung aufgezeigt hat. Blondel bestimmt den Menschen von daher als ein Wesen, das auf eine von außen kommende Erfüllung seines unendlichen Strebens angewiesen ist. Dieses Ziel ist darum unverfügbar und wird mit einem Geschenk verglichen. Blondel gebraucht dafür den noch weiten und offeneren Begriff des Übernatürlichen. Für ihn ist dies zugleich "absolut unmöglich und zugleich absolut notwendig" (vgl. Action, 388). So kann der Mensch die Spannung, die in ihm selber ist, nicht endgültig lösen.

Darin zeigt sich die paradoxe Natur des Menschen. Er findet in der Welt keine Erfüllung. Keine der im Horizont des Fragenden auftauchenden möglichen Antworten gibt ihm je Befriedigung. Dies bringt den Menschen immer wieder neu vor die Entscheidung, wie er diese paradoxe Anlage gebraucht. Er kann seine unstillbare Sehnsucht verdrängen, fällt aber dann leicht in die animalischen Dimensionen zurück, indem er sich mit der Erfüllung seiner Triebe begnügt. Da diese aber keine wirkliche Erfüllung bieten, flüchtet er oft in die Wiederholung einer Ersatzerfüllung. Diese entwickelt sich nur allzuleicht zur Sucht, aus der er schwerlich herausfindet. Er kann aber auch seine unstete Natur dadurch zu erfüllen suchen, indem er ruhelos im Endlichen sein Glück sucht, dabei stets wie bei wechselnden Moden eine andere Erfüllung sucht. Dies ergibt eine ständige Steigerung einer eben letztlich doch unerfüllten Suche, die am Ende nicht selten Enttäuschung, Frustration, ja sogar Ekel erzeugt. Unsere Konsumwelt, die immer wieder die Bedürfnisse steigert und sie neu schafft, hat etwas von dieser schlechten Unendlichkeit an sich, in die hinein sich der Mensch verliert.

II. Das Wesen des Menschen als Transzendenzgeschehen

Diese knappe Analyse zeigt, daß der Mensch sich als ein transzendierendes Wesen aufgegeben ist. Man kann freilich den Mangel an Vollendung und den Anstoß zum Transzendieren als Faktum hinnehmen, ohne aber darin einen Verweis auf eine ganz andere, "jenseitige" Vollkommenheit zu sehen. Das transzendierende Denken des Menschen offenbart seine Fraglichkeit. Man nimmt dem Menschen seine Eigenart und seine Auszeichnung, wenn man ihn in seinem unendlichen Hunger nimmt, der freilich pervertiert werden kann in einer Ersatzbefriedigung. So scheint vieles ambivalent. In den Zerstreuungen der menschlichen Existenz verdeckt sich und meldet sich eine fundamentale "Unruhe" (Heidegger: Sorge) des Menschen. Er erfährt die Uneinholbarkeit seines Seinkönnens und zugleich die unausweichliche Inanspruchnahme durch eine Erfüllung: "Der Mensch überschreitet unendlich den Menschen" (B. Pascal)

Die Frage nach Gott und der Glaube an Gott verlangen als eine wesentliche Voraussetzung, daß der Mensch diese transzendierende Bewegung annimmt. Oft ist sie unter den Bedingungen einer hochgradigen Säkularisierung abgeflacht und bleibt im endlichen Bereich stecken. Man verzichtet auf das Wagnis, sich auf eine noch unbekannte, unsichtbare Wirklichkeit loszulassen, fürchtet den Abschied von den irdischen Dingen als letzte Erfüllung und sucht diese z.B. im innerweltlichen Fortschritt, in der Anhäufung von Reichtümern und in stets neuen Erlebnissen. Unsere wahre Welt kann uns dabei durch ihren Glitzer und ihre Faszination, ihren ständig neuen Reiz und die zahllosen Erwartungen geradezu behexen. Deshalb gibt es in unserem täglichen Leben eine oft heimliche Verschlossenheit gegenüber der wirklichen Unruhe unseres Denkens und Herzens. Wir schließen die Dächer über unseren Köpfen, weil wir die wirkliche Unruhe unseres Geistes mit der Ungewißheit und dem Wagnis des Suchens fürchten und meiden.

Es ist aber auch möglich, daß sich dieses Transzendieren einer ständigen Bewegung überläßt, die gar kein Ziel kennen will. E. Bloch spricht immer wieder vom "Transzendieren ohne Transzendenz". Wenn die Stelle für ein Ankommen an einem Ziel gänzlich unbestimmt oder sogar leer bleibt, handelt es sich um eine Fiktion, eine Utopie oder ein Reich der Illusion, das nicht selten auch mit dem Rausch, den Träumen oder Drogen einhergeht. Man kann dies eine "leere Transzendenz" nennen, die inhaltslos ist und bleibt. Es ist aber auch möglich, dieses Transzendieren ohne Transzendenz ganz in die Zukunft hineinzuverlegen und die Erfüllung progressiv-kritisch auf eine von Entfremdungen befreite Gesellschaft beziehen. Dieses Transzendieren strebt dann nach einer aktiven Weltveränderung, die sich nicht dem "Bestehenden" anpassen bzw. sich darin verlieren will. Damit kann auch das "Prinzip Hoffnung" einhergehen, das ein futurisches Transzendieren meint. Es ist dann nicht zufällig, daß in solchen Sinnentwürfen der Tod des Menschen etwas vollkommen Unbegreifliches ist, an dem das Denken strandet.

Diese Überlegungen zeigen, daß man das Transzendieren des Menschen nicht einfach in die Zukunftsperspektive umdeuten kann. Die Zeitschiene kann nicht völlig aufnehmen, was mit "Transzendenz" gemeint ist, auch wenn man es als "absolute Zukunft" oder als Zukunft deutet, die von vorne auf uns zukommt (während die rein menschliche Zukunft ein Entwerfen künftiger Möglichkeiten vom Menschen aus wäre; Unterschied von "futurum" und "adventus" zur Übersetzung von Zukunft). Die verschiedenen Entwürfe einer politischen Theologie oder einer Befreiungstheologie bleiben an dieser Stelle nicht selten tief zweideutig.

Es ist freilich auch möglich, daß das Anzielen einer solchen Erfüllung des Transzendierens anders strukturiert ist. Denn es gibt nicht selten bei nicht wenigen Menschen ein Streben nach der Verwirklichung eines Gutes, das unbedingte Gültigkeit verlangt und auch keine einschränkenden Bedingungen zuläßt. Wir können in diesem Sinne von absoluten Instanzen sprechen, deren letzte Begründung in einem unzeitlichen, außerweltlichen unsichtbaren Grund besteht, nämlich etwas Absolutes darstellt oder wenigstens daran teilhat. Eine solche Instanz ist dann "jenseits" irdischer Teilziele oder innergeschichtlicher Instrumentalisierungen. Dies können z.B. "Werte" sein, wie "Gerechtigkeit", "Freiheit", "Solidarität", einzelne Menschenrechte usw. Diese Ideale sollen unbedingt verwirklicht werden.

Es gibt also im Vorgang des Transzendierens gleichsam so etwas wie Stationen, die ein letztes Erfülltwerden zwar noch nicht einschließen, aber doch unbedingte Gültigkeit verlangen. Ich habe diese absoluten Instanzen einmal auch Vornamen für die noch verborgene Wirklichkeit Gottes genannt. Man kann dann nicht auf die Dauer bei dieser "Zwischeninstanz" stehenbleiben, weil sie sich irgendwie doch als bedingt oder nicht erreichbar erweist. Es muß schließlich eine Transzendenz geben in eine letzte Begründung hinein, die alle menschlichen Kräfte schlechthin übersteigt, absolut weltunabhängig ist und in sich selbst ruht, d.h. keiner Abhängigkeit unterliegt und selbst unverfügbar bleibt. Man kann hier eine Unterscheidung der klassischen Philosophie und Theologie bedenken, daß es nämlich für die Begründung grundlegender ethischer Gebote und Imperative ein "fundamentum proximum" und ein "fundamentum ultimum" gibt.

Gewiß geschieht dieses Transzendieren zu einer absoluten Instanz, die meist in einer unbedingten moralischen Herrausforderung besteht, namenlos, abstrakt und beinahe neutral. Es läßt sich jedoch nicht leugnen, daß solche Ideale mit großer Leidenschaft und auch oft mit großer Opferbereitschaft verfolgt werden. Sie können freilich rasch abgleiten, wenn z.B. "Gerechtigkeit" am Ende nur für bestimmte Schichten, Rassen oder Klassen realisiert wird. Dies zeigt die Brüchigkeit und Verletzlichkeit dieser Zwischeninstanzen. Sie drängen danach, eine letzte Gründung und Rettung zu finden, gleichsam einen Bürgen zu erhalten, der ihre unverletzliche Geltung und ihren unbedingten Anspruch gewährleistet.

Meist geht man an dieser Stelle ziemlich unvermittelt auf Gott über, ja man unterscheidet oft gar nicht diese absoluten Zwischeninstanzen vom göttlichen Gott. Dies hängt damit zusammen, daß der Transzendenz-Begriff innerlich vielschichtig ist und keineswegs so eindeutig ist, wie wir es oft empfinden. Darum muß in einem erneuten Anlauf nochmals davon die Rede sein, was es heißt, wenn wir sagen: Und diesen letzten Grund nennen alle Gott.

III. Gottesvorstellungen in neuen Religionen

Was aber mit "Gott" gemeint ist, ist im Blick auf die Geschichte der Gottesidee und auch ihren heutigen allgemeinen Gebrauch nicht so selbstverständlich. Religionsgeschichtlich scheint dies eine Binsenweisheit zu sein. Aber auch der christliche Glaube, der in sich eine feste Gewißheit seiner Wahrheit hat, mußte sich immer wieder in Vergangenheit und Gegenwart mit dieser Vieldeutigkeit auseinandersetzen.

So kann man die große Gefahr des Arianismus für den Christusglauben der frühen Kirche nur voll erfassen, wenn man sich vergegenwärtigt, daß im Mittelplatonismus, der kulturell eine große Macht darstellte, die Gottesidee gestuft war. Es gab den Gott schlechthin und schließlich in entsprechendem Abstand, aber zur Sphäre Gottes gehörend Gott im Sinne des "zweiten Gottes". Die Aussagen des Neuen Testaments über die Unterordnung des Sohnes unter den Vater und über diese Gehorsamsbeziehung schienen von dieser Gottesvorstellung sehr gut wiedergegeben zu werden. So war es nicht nur auf dem Konzil von Nikaia, sondern über 50 Jahre ein erbitterter Kampf, mit der Stellung Jesu Christi auch den Gottesbegriff zu klären. Unser Glaubensbekenntnis von Nicäa-Konstantinopel zeigt uns heute noch deutlich die Spuren dieser Auseinandersetzung, wenn es dort zur Klärung allen Zeiten übermittelt wird, daß wir glauben: "An den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller Zeit: Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater; durch ihn ist alles geschaffen."

Offensichtlich sind solche Gefahren nicht ein für allemal gebannt, wenn sich auch diese verschiedenen Versuchungen nicht einfach wiederholen. "Gott" findet sich heute oft in einer radikalen anthropologischen Wende. Die neue Religiosität glaubt, neue Zugänge zu ihm zu schaffen. Dies geht bereits auf die Theosophie des letzten Jahrhunderts zurück. Der Mensch erkennt sich selbst als das ewige, unvergängliche Selbst (Theos) in allen Erscheinungen des Weltalls. Diese Entwicklung des Selbst führt gleichsam entlang der spirituellen Erfahrung und Überlieferung der Menschheit von einem göttlichen Keim zur Vollendung. Die Göttlichkeit ruht im Menschen und entfaltet sich evolutiv durch die Führung seitens der verschiedenen Menschheitslehrer, unter denen der "Meister Jesus" als einer von vielen rangiert. Auch die Anthroposophie Rudolf Steiners enthält viele solcher Elemente, worauf hier nicht näher zurückzukommen ist. Es ist kein Zweifel, daß diese theosophischen Ansätze gleichsam das Grundmuster und die Matrix der neureligiösen Aufbrüche des 20. Jahrhunderts sind. Ich nenne hier nur die Vertreter des New Age, aber auch Fritjof Capra in seinem Buch "Wendezeit" (Bausteine für ein neues Weltbild, Bern 1983). Die Gottheit ist am Ende nichts anderes als "die Selbstorganisations-Dynamik des gesamten Kosmos" (Wendezeit, 324).

Es gibt ähnliche aber doch anders gelagerte Entwicklungen, wenn heute versucht wird, ein neues Heidentum mit frischem Leben zu erfüllen. So erscheint das Christentum etwa in der in Berlin gegründeten "Heidnischen Gemeinschaft" als die Religion der Naturverachtung und der Zerstörung. Im Rückgriff auf die heidnischen Naturgötter wird Gott nun in den Bäumen und in den Naturgeistern erkannt und verehrt. Das personale Gottesbild der jüdisch-christlichen Tradition wird vielfach ersetzt. "Das sich spiralförmig nach oben hin vollendende Leben ist das organische Gewebe mit kosmischen Dimensionen, in dem der Mensch nur mehr eine kleine Zelle bildet. In dieser Verlagerung des religiösen Gottesbildes werden sofort auch die kulturellen Verschiebungen des angestrebten Paradigmenwechsels postmoderner Spiritualität sichtbar. In Abkehr von einem objektiven Charakter religiöser Erfahrung ist der Zugang zu diesem neuen Gottesbild einzig durch die subjektive Erfahrung und Erlebnisfähigkeit des Einzelnen möglich. Die Erfahrung der Gesundheit, vermittelt durch die verschiedenen Körpertherapien, gewinnt als Erfahrung der strebenden Lebenskraft heilsvermittelnden Wert. Im Leben selbst liegt die Botschaft; das Leben ist das Heil, das Leben ist Gott." (M. Fuß, Neue Götter für eine neue Zeit? Gottesvorstellungen in neuen Religionen, in: Fragen nach Gott, hrsg. V. M. Strocka, Frankfurt 1996, 35-58, Zitat 47) Man kann hier von einem bioezentrischen Gottesbild sprechen. Im übrigen sei hier nur noch der Hinweis gestattet, daß auch die Scientology-Sekte ähnliche Ideen vertritt ("Thetan" als universale Lebenskraft).

Der italienische Religionswissenschaftler R. Pettazzoni spricht hier von "Theoplasma" und meint damit eine Art von Knetmasse, aus dem sich der heutige Mensch seine Götter formt und sie wechselnden Bedürfnissen anzupassen versucht. Die Soziologen sprechen in ähnlicher Weise von einer "Bastelbiographie", die in den verschiedenen Lebensphasen aus verschiedenen religiösen Bausätzen sich jeweils ein neues Gottesbild zusammenfügt. Dabei ist es ganz erstaunlich, in welchem Maß neue religiöse Bewegungen von solchen Aspekten weltweit geprägt werden (vgl. M. Fuß, Global denken, lokal handeln. Religionstheologische Überlegungen zu neuen religiösen Bewegungen, in: Ordenskorrespondenz 1, 1996, 72-86). Vieles erscheint zwar nicht als eine neue Weltreligion, die einen einheitlichen Namen und eine prägende Gründergestalt hätte, aber die Orientierung an einer vitalen Lebensgottheit im Verbund mit der modernen Selbsterfahrung des Menschen ist wie eine Art Netzwerk, das viele heterogene Gruppen miteinander verknüpft. Dabei werden die einzelnen Gottesbilder zwar noch weithin mit einer jüdisch-christlichen Sprache benannt, faktisch aber erscheint dieser Gott immer wieder in einer Vielzahl von neuen Sinnerfahrungen und vieler paralleler Nischen in der modernen Subkultur. Dabei ist es charakteristisch, daß diese Gottesbilder nicht miteinander verbunden sind, sondern in einer diffusen Religiosität synkretistisch aus allen religiösen Traditionen der Welt stammen. Es ist ein auf sich selbst bezogener Glaube, der nicht das Wort eines göttlichen "Du" gehört, sondern das Echo des eigenen Rufens in die Welt ist. "Bei der Suche nach ganzheitlicher Geborgenheit geht es um die richtige Technik persönlicher Selbstverwirklichung. Das Aufbrechen einer elementaren, kosmischen Religiosität, die unmittelbar mit dem ‘Leben’ verbunden ist, führt zu einem sehr vitalen Gottesbild im Rahmen persönlicher Nützlichkeitserwägungen des ‘Hier und Jetzt’. Der objektive Urgrund allen Seins wird zu einer Instanz-Mischung subjektiven Glücksgefühls. Die Potenzierung der elementaren Lebenskraft erklärt das Zusammenfallen von Heil und Gesundheit in modernen Erfahrungsgruppen." (M. Fuß, Neue Götter für eine neue Zeit?, 53)

Wie sehr hier die Tradition verbogen wird, wird etwa an dem sichtbar, was man gewöhnlich "Transzendenz" nennt, nun aber öfter auch "Transgression" (K. Hutten) heißt. Die Suche nach Gott überschreitet zwar eine rein materialistische Sicht der Welt in eine unsichtbare, hintergründige Tiefe, aber diese bleibt ein Teil unseres Universums. Hier ist eine radikale Differenz zum biblischen und klassischen Gottesbild: "Der Gott der neuen Religiosität ist Selbstvollzug des Kosmos. Herzstück der drei abramitischen Religionen bleibt demgegenüber, daß Gott weder in der Eigendynamik des Universums noch im Selbstverwirklichungsvermögen des Menschen aufgeht, sondern als ‘Person’ dieser Welt in ungeschuldeter Freiheit und Liebe gegenübersteht, obgleich er in Natur und Kosmos schöpferisch anwesend ist." (M. Fuß, Neue Götter für eine neue Zeit?, 54) In diesem Zusammenhang wird auf neue Weise deutlich, daß die Orientierungskrise unserer Gegenwart in der Tat eine "Gotteskrise" ist (J. B. Metz).

IV. Grundlegende Merkmale des biblischen Gottesverständnisses

Durch diese gewiß sehr knappe Zusammenfassung ist wohl deutlich geworden, warum man im Umgang mit dem Wort "Gott" kritisch bleiben muß. Dabei müssen wir uns bewußt sein, daß das Wort Gott in mannigfacher Hinsicht ohnehin durch die Geschichte belastet ist. Ich zitiere dazu gerne ein Wort M. Bubers, nämlich aus dem 1953 erschienenen Werk "Gottesfinsternis". Dort heißt es eindrucksvoll: "Ja... es ist das beladenste aller Menschenworte. Keines ist so besudelt, so zerfetzt worden. Gerade deshalb darf ich darauf nicht verzichten. Die Geschlechter der Menschen haben die Last ihres geängstigten Lebens auf dieses Wort gewälzt und es zu Boden gedrückt; es liegt im Staub und trägt ihrer aller Last. Die Geschlechter der Menschen mit ihren Religionsparteiungen haben das Wort zerrissen; sie haben dafür getötet und sind dafür gestorben; es trägt ihrer aller Fingerspur und ihrer aller Blut. Wo fände ich ein Wort, daß ihm gliche, um das Höchste zu bezeichnen! ... Gewiß, sie (die Menschen) zeichnen Fratzen und schreiben ‘Gott’ darunter, sie morden einander und sagen ‘in Gottes Namen’. Aber wenn aller Wahn und Trug zerfällt, wenn sie ihm gegenüberstehen im einsamsten Dunkel und nicht mehr ‘Er, Er’ sagen, sondern ‘Du, Du’ seufzen, ‘Du’ schreien, sie alle das Eine, und wenn sie dann hinzufügen ‘Gott’, ist es nicht der wirkliche Gott, den sie alle anrufen, der Eine Lebendige, der Gott der Menschenkinder?! Ist nicht er es, der sie hört? Der sie - erhört? Und ist nicht eben dadurch das Wort `Gott´, das Wort des Anrufs, das zum Namen gewordene Wort in allen Menschensprachen geweiht für alle Zeiten? Wir müssen die achten, die es verpönen, weil sie sich gegen das Unrecht und den Unfug auflehnen, die sich so gerne auf die Ermächtigung durch ‘Gott’ berufen; aber wir dürfen es nicht preisgeben. Wie gut läßt es sich verstehen, daß manche vorschlagen, eine Zeit über von den ‘letzten Dingen’ zu schweigen, damit die mißbrauchten Worte erlöst werden! Aber so sind sie nicht zu erlösen. Wir können das Wort ‘Gott’ nicht reinwaschen, und wir können es nicht ganzmachen; aber wir können es, befleckt und zerfetzt wie es ist, vom Boden erheben und aufrichten über einer Stunde großer Sorge." (Werke I, München, Heidelberg 1962, 509f.)

Dieser Text macht hellhörig und zwingt uns wenigstens zu einigen Reflexionen über den Gebrauch des Wortes Gott. Ich möchte dafür folgende Perspektiven erwähnen:

1. Das Wort "Gott" wird sprachlich nur sinnvoll in enger Zusammengehörigkeit mit der Frage nach dem Sinn der Wirklichkeit im Ganzen gebraucht.

Die Gottesfrage wird sich oft bei einzelnen Ereignissen entzünden und vielleicht nicht immer äußerste Horizonte vom Anfang und vom Ende der Welt mit sich bringen. Heute ist die Gottesfrage darüber hinaus vornehmlich im Bereich der menschlichen Sinnsuche angesiedelt. Aber das Wort "Gott" darf nicht nur auf ein Ziel meiner geistigen Bewegung begrenzt werden. Er ist gewiß auch die Veränderung und Wandlung meines Verstehens. Aber er ist nicht nur ein Moment meines Selbstverständnisses. Bestimmte individuelle und kollektive Subjektivierungen der Gottesidee sind unverträglich mit dem Begriff des Absoluten oder des wirklichen Herrseins Gottes über die Welt. Die Schrift sieht immer einen Zusammenhang zwischen Mensch, Welt und Gott. Dabei ist kein Rückfall in ein kosmo-theologisches Denken gemeint, das die Personhaftigkeit und Freiheit Gottes verdeckt. "Gott" zielt auf das Dasein des Menschen und durch ihn auf die Welt. In der richtig gestellten Gottesfrage ist die Suche nach Gott immer schon durch die Weltwirklichkeit vermittelt und sei es im Modus einer negativen Antwort, wie wir es immer wieder bei Augustinus vernehmen: Die Welt antwortet, daß sie nicht Gott sei. In diesem Sinne sagen alle Gottesaussagen etwas über den grundlegenden Zusammenhang und die Bedeutung des Wortes "Gott" für die Welt. Ein Gottesverständnis ohne diese Konsequenz für die Erkenntnis und das Heil der Welt würde sich selbst mißverstehen.

2. Das Wort "Gott" verlangt und verheißt eine letzte unaufhebbare Einheit von Sinn und Sein, Anspruch und "Mächtigkeit".

Wenn der Sinngedanke nur auf ein rein mentales Moment abgeblendet wird, genügt er nicht für die Gottesfrage. R. Spaemann hat dies schon vor einiger Zeit aufgezeigt und immer wieder in Erinnerung gebracht (vgl. in: Wer ist das eigentlich - Gott?, hrsg. von H. J. Schultz, München 1969, 56-65; Das unsterbliche Gerücht, in: Merkur, Nach Gott fragen. Über das Religiöse, Sonderheft 605/606, Sept./Okt., Stuttgart 1999, 772-783; vgl. auch K. Lehmann, Kirchliche Dogmatik und biblisches Gottesbild, in: Die Frage nach Gott, hrsg. von J. Ratzinger, Freiburg 1973, 116-140; ich folge in diesem Abschnitt in veränderter Form meinen eigenen Ausführungen). Es ist unbedingt notwendig, "Gott" als moralische Herausforderung und als Sinn-Anspruch zu verstehen. Gott ist radikal mehr und ganz anders als das Bestehende. Er ist auch nicht einfach eine reine Zutat zu dem, was ohnehin ist. "Gott" bedeutet in der Tat einen ganz neuen Sinn, der mit der Faktizität noch nicht gegeben ist. Wir haben im ersten Teil über Grundworte wie "Friede", "Mitmenschlichkeit" usw. als Vornamen für Gott gesprochen. Wenn sie selber nicht über sich hinausgehen und zum wahren Namen Gottes finden, bleibt es freilich Ersatz. "Gott" ist aber auch nicht nur ein Hoffnungszeichen für unsere Erwartungen. Das Wort Gott ist auch nicht nur eine Chiffre für unseren Protest. Das Wort "Gott" verliert seinen entscheidenden Sinn, wenn es keinen Bezug wirksamer Art hat zur Natur und zur menschlichen Wirklichkeit, die unmenschlich, friedlos, zukunftslos und ungerecht ist. Wenn Gott beziehungslos im Verhältnis zur Realität der Welt gedacht wird, dann ist er radikal ohnmächtig. Die Kraft des moralischen Sinnes wäre dann nicht mehr als Postulat und Sehnsucht.

Robert Spaemann hat schon früher darauf hingewiesen, daß gerade die alttestamentliche Klage voraussetzt, daß "Gott" eine letzte Einheit von Sinn und Sein, besser noch von Gut-sein und Macht ist. Gott ist nur Gott, wenn dem moralischen Sinn-Anspruch auch auf derselben Ebene die heilvolle Mächtigkeit und Kraft der Rettung entspricht. Nur einem Gott, den man zu Hilfe rufen kann, kann man auch seine Klage sagen.

3. Die Transzendenz Gottes kann nur verstanden werden, wenn zugleich seine Gegenwart und seine Nähe in der Welt erkannt ist.

Gott ist der Ursprung der Freiheit, der uns aus dem Eingebundensein in das Vorhandene herausruft. Er ist eine zeitüberlegene Macht, die an nichts gebunden ist und dennoch alles an sich bindet. In diesem Sinne überwindet er auch alle nationalen und partikularen Gesichtspunkte. Er ist zeitüberlegen, aber zugleich auch geschichtsmächtig.

Ein nur jenseitiger Gott wäre nicht Gott, denn er wäre der Welt nicht mächtig. Die christliche Theologie fängt die strengen Transzendenz-Aussagen der Antike immer wieder durch gegenläufige Immanenz-Aussagen auf: Gott umfaßt und übersteigt alles, dennoch ist er mehr in uns selbst als unser eigenes Innerstes. Die Unverfügbarkeit, Freiheit und Geschichtsmächtigkeit des biblischen Gottesbildes formt sich schließlich zum vollen Begriff der Personalität aus, die Nähe, Zugänglichkeit und Anrufbarkeit bedeutet. Die Präsenz des Unbedingten zeigt sich im Bedingten. Die Allgegenwart Gottes verlangt zugleich, daß er von allem unabhängig ist und nicht bloß Bestehendem verhaftet ist. "Die christliche Gotteserfahrung hat erst der verstanden, der erkennt, daß Gottes Diesseitigkeit seine Zuwendung zur Welt, seine Präsenz in der Welt durch die Macht der Liebe, die Diesseitigkeit seiner Transzendenz ist, der Anbruch der Zukunft Gottes." (W. Pannenberg, Wie kann heute glaubwürdig von Gott geredet werden?, in: Gottesfrage heute, Stuttgart 1969, 51-64, Zitat 63)

4. Der biblische Gott sprengt durch sein Personsein den Begriff des Absoluten im herkömmlichen Sinne.

Der antike Gott ist selig nur im Bezug auf sich. Darum sind die Götter schweigend. Ihre Göttlichkeit wächst mit der Entfernung zur Welt. Daß Gott überhaupt von sich aus eine Beziehung zu anderem als er selbst stiftet, ist das absolut Neue im christlichen Gottesgedanken. Es geht nicht mehr um das totale Abgeschiedensein dessen, der nur sich selber braucht und in sich selber steht. Die Tatsache, daß Gott eine Beziehung stiftet, bedeutet eine gewaltige innere Umwandlung des Gottesgedankens, die vielleicht bis heute noch nicht ausreichend in der Theologie durchdacht ist. Diese Möglichkeit und Wirklichkeit der Beziehung erfüllt sich in der Selbstmitteilung seiner Liebe. Am Ende dieser Umwandlung steht das Schriftwort "Gott ist die Liebe" (1 Joh 4,8). Jemand hat einmal erklärt, mit diesem Satz drehe sich eine Angel in der Tür der Weltgeschichte. Denn die antike Erfahrung könne diesen Satz nicht sagen, sondern würde eher die "Liebe" zum Subjekt machen: Liebe ist eine Art von Gottheit.

5. Gott ist nur Gott, wenn er zugleich auch der Richter der Welt und der Menschheit ist, vor dem wir mit Furcht und Zittern Verantwortung ablegen müssen.

Dieser Satz kann erschrecken. In der Tat sind das Gerichtsmotiv und die "Furcht Gottes" in der Tradition oft in einer verhängnisvollen Weise mißbraucht worden. Nicht selten sind damit Angst und Schrecken erzeugt worden, die das Gottesbild verfinstert haben. Das Thema ist weit und kann hier nur knapp angedeutet werden (vgl. M. Reiser, Die Gerichts-Predigt Jesu, Münster 1990; Welt-Gericht und Weltvollendung, hrsg. von H.-J. Klauck, Freiburg 1994). Es läßt sich jedoch nicht übersehen, daß in unserer Zeit - als Gegenreaktion zunächst verständlich - das Pendel ausgeschlagen hat, so daß man nur den liebenden und versöhnenden Gott sieht, dem man nur in Vertrauen entgegengeht. Dies ist grundsätzlich richtig. Wenn man diesen Gedanken jedoch übersteigert und die Furcht Gottes sowie das Gericht eliminiert, dann verharmlost man zugleich die wahre Größe Gottes. Nur Gott selbst kann schließlich gut und böse restlos unterscheiden. Wenn wir den Gerichtsgedanken streichen, nehmen wir nicht nur Gott etwas von seiner Hoheit, sondern uns selbst auch den Ernst unseres Tuns weg. Das Gericht hat entscheidend gerade auch mit der Verantwortung des Menschen zu tun. Glaube schließt auch das Handeln in sich, das vor dem Gericht Gottes zu verantworten ist. Zorn und Erbarmen sind Zeichen des Einsatzes Gottes für den Menschen und die Welt. Dies hat mit einer Drohbotschaft wenig zu tun, denn es geht nicht um das Einhämmern von Angst- und Schuldgefühlen, sondern um den Ernst des Handelns und die Verantwortung der Tat des Lebens.

Ähnliches gilt für die Furcht Gottes. Sie macht uns darauf aufmerksam, daß wir endliche Menschen uns der Grenzen bewußt sind. In der Furcht spüren wir auch, daß wir uns nicht übernehmen dürfen, sondern im Erschrecken vor der Herrlichkeit und Überlegenheit Gottes um die Fehlbarkeit und die Bedrohung des Menschlichen wissen. In der Furcht Gottes verliert der Mensch alle Anmaßungen gegenüber Gott, er erkennt seine Kreatürlichkeit und weiß auch, daß Gott das Leben und die Schöpfung zusammen mit seinen Weisungen besser für uns eingerichtet hat, als wir es von uns aus könnten. Die Furcht Gottes hängt so eng mit der Ehrfurcht zusammen, die nicht nur dem heiligen Gott gilt, sondern auch z.B. der Heiligkeit und Unantastbarkeit des menschlichen Lebens und dem Unversehrtbleiben sowie Schonen der Schöpfung.

Es bleibt dann immer noch wahr, daß Gott ein barmherziger Richter ist und wir Menschen uns nicht die göttliche Synthese von Gerechtigkeit und Liebe, Gericht und Erbarmen vorstellen können, die allein Gott selbst schaffen kann.

Es gibt noch manche Strukturen des Gottseins, die bedacht werden müßten. Dies ist aber hier nicht möglich. Ich denke z.B. an die Aussagen über Gott den Vater und Probleme, die uns noch stärker seit der feministischen Theologie aufgegeben sind.

V. Gott in der Sphäre des Heiligen und der Zugang dazu

Alle diese Perspektiven und Strukturen sind notwendig, um in der gemäßen Weise von Gott zu sprechen. Aber sie genügen noch nicht. Dies wird vor allem evident, wenn wir uns klar machen, daß der Mensch ja von sich aus Gott nicht voll erkennen kann, sondern daß die Erkenntnis Gottes uns vor allem durch seine eigene Manifestation zuteil wird. Es gibt ein solches Sich-Zeigen Gottes, nicht nur im Sinne der geschichtlichen Offenbarung des Alten und Neuen Testaments, sondern Gott selber macht sich gleichsam auf den Weg zum Menschen, damit wir ihn überhaupt verstehen. Sonst würden uns tatsächlich vielleicht Furcht und Schrecken überwältigen.

Wenn dies so ist, dann erhebt sich jedoch erst recht die Frage, wie Gott sich uns zeigt und auf welche Weise er sich uns kundgibt. Wir dürfen ihn ja nicht unter die uns bekannten Gegenwartsweisen endlicher Dinge einordnen, wie wir z.B. einen Stein vorfinden oder auch Pflanzen wahrnehmen und Tiere sehen. Gott kommt auf seine Weise. Dafür gibt es nun eine besondere Kategorie, die in diesem Jahrhundert in vielfältiger Weise erforscht worden ist, ohne daß schon ein allgemeingültiger Abschluß erkennbar wäre. Dabei geht es um das Denken des Heiligen (Zur Geschichte und Systematik vgl. B. Casper u.a., Besinnung auf das Heilige, Freiburg 1966; Die Diskussion um das Heilige, hrsg. C. Colpe, Darmstadt 1977; J. Splett, Die Rede vom Heiligen, Freiburg/München 1973, 2. Auflage 1985; R. Schaeffler, Religion und kritisches Bewußtsein, Freiburg 1973; dazu viele Schriften aus der Schule Bernhard Weltes und Klaus Hemmerles).

Diese Frage nach der besonderen Erscheinungsweise Gottes, die vor allem von R. Otto (Das Heilige, Breslau 1917, München 1947 u.ö.) im Anschluß an Jes 6,1ff. entfaltet worden ist, sieht im Heiligen eine spannungsvolle Gegensätzlichkeit und Einheit zumal, nämlich das furchterregende und eher abstoßende, Distanz schaffende Moment ("mysterium tremendum"). Im Kontrast dazu , aber auch in Einheit steht mehr das faszinierend-anziehende Moment des Heiligen, das auf seine Weise Nähe und Ermutigung schafft. Man kann in diesem Grundphänomen des Heiligen leicht auch Gericht und Gnade entdecken. Man hat das Heilige auch das Numinosum genannt, das freilich nicht als irrational bezeichnet werden darf.

Wenn der Mensch sich dem Heiligen nähert, muß er sein Denken wandeln. Es kann dabei nicht um einen unmittelbaren Zugriff gehen, der nichts "heilig" sein lassen kann und der alles hinterfragen möchte. Nicht das Denken hat Bedingungen an das Heilige zu stellen, sondern das Heilige stellt sie an das Denken. Das Denken muß sich lösen vom Verfügen und vom Fassen, es muß zuerst "seinlassen", freigeben. Es geht nicht um die eigene Verfügungsmacht, die dem neuzeitlichen Vernunftbegriff zutiefst innewohnt, sondern es muß auch ein empfangendes, hinnehmendes, in diesem Sinne vernehmendes Verstehen geben. Nur dieses seinlassende Denken ist fähig, den Aufgang des Heiligen wahrzunehmen. Ein solches Denken weiß immer auch, daß es das, was es erblickt, einem anderen verdankt. Wenn man sich Gott zuwendet, muß man ihn zuerst in seiner eigenen Herrlichkeit kommen lassen (vgl. hier die vielbändige Theologische Ästhetik "Herrlichkeit" von Hans Urs von Balthasar). Darum sind die Unmittelbarkeit der Begegnung, die freilassende Annäherung, die Dankbarkeit und das hörende Verstehen in diesem neuen Denkstil notwendig. Damit ist die Erkenntnis des Heiligen immer auch eng verbunden mit der Notwendigkeit der Umkehr. Der klassische Schlüsseltext von Jes 6 zeigt wiederum, daß es hier immer zuerst einer Erneuerung und Reinigung der Augen bedarf.

Dabei ist nicht nur gleichsam die Objektseite wichtig, sondern auch die Art und Weise des Vernehmens. Wir sind gewohnt zu sagen, daß wir alles aufnehmen entsprechend der Kapazität und der Art des Empfangenden ("omne quod recipitur, ad modum recipientis recipitur"). Aber dies allein genügt nicht, denn der Empfangende muß die eigene Hoheit und unableitbare Souveränität, die Bibel spricht in allen Sprachen von der "Herrlichkeit" (kabod, doxa, gloria), respektieren. Ohne ein solches Freilassen und Seinlassen gibt es kein wirkliches Verstehen des Heiligen. Die Phänomenologie spricht hier auch von einer Entsprechung zwischen dem "Noema" und der "Noesis". Wir können uns dies leicht in der Wechselbezogenheit von göttlicher Epiphanie und menschlichem Auge, von göttlichem Wort und menschlichem Ohr näherbringen. Nur von Gott erleuchtete Augen ("Augen des Glaubens") können die Wirklichkeit Gottes erfassen. Es gibt kein noetisches Moment ohne ein ihm spezifisch zugehöriges noematisches Moment (vgl. E. Husserl, Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie I, Haag 1950, 232). Dieses Entsprechungsverhältnis ist gegenseitig. Beide sind in ursprünglicher Weise gegeben und aufeinander zugeordnet. In diesem Sinne hat besonders die Phänomenologie, die etwas zur Anschauung bringt, wie es von sich selbst her ist (ohne daß wir es mit unseren Begriffen überfallen), einen wesentlichen Beitrag zur Entdeckung und Ausgestaltung des Heiligen als einer besonderen Sphäre geführt, in der der göttliche Gott erst zugänglich wird.

VI. Das Beten als Medium religiöser Sprache

Diese Überlegungen erfordern noch einen letzten Gang, der sich nun allerdings auch besser verstehen läßt. Wenn man eine Entsprechung von Gehalt und Akt, Noema und Noesis beim Bedenken Gottes für besonders wichtig hält, taucht die Frage auf, welche Annäherungsweisen denn am wichtigsten und am angemessensten sind.

Es gibt viele Erkenntnisweisen des Heiligen und Göttlichen. In der Zwischenzeit haben wir gelernt, daß ein religiöses Phänomen auf vielfache Weise erkannt wird. Hier können auch die Historie, die Psychologie, die Soziologie, die Sprach- und Kunstwissenschaft, die Religionsphilosophie und natürlich die Theologie jeweils ihren Beitrag leisten. Sie erproben mit ihren Methoden und Kategorien jeweils den Zugang. Freilich erhebt sich hier auch die Frage, wie weit eine wissenschaftliche Objektivierung religiöse Phänomene in eine solche Distanz bringt, die die Eigenart des Heiligen verletzen könnte. Man kann auch die Liebe zwischen Menschen so sezieren, daß sie in ihrer Lebendigkeit und in ihrer Unmittelbarkeit entschwindet. Etwas ähnliches geschieht nur allzuleicht mit dem Religiösen und erst recht mit dem Heiligen, noch mehr mit dem erscheinenden Gott. Manchmal findet eine solche Entfremdung des Phänomens statt, daß uns gerade das entkommt, was an ihm einzigartig und unzurückführbar ist. Ich bin fest überzeugt, daß die Theologie, aber auch das liturgische Sprechen und Tun nicht immer genügend vor dieser Gefährdung gewappnet sind. Dies alles verlangt von den Wissenschaften, die sich mit der Religion und dem Heiligen befassen, ein hohes methodisches Bewußtsein, das auch die Selbstkritik nicht scheut (vgl. dazu M. Eliade, Die Religionen und das Heilige, Salzburg 1954; R. Schaeffler, Religionsphilosophie, Freiburg 1983). Dabei geht es nicht nur um unsere Begriffe und Bilder, die wir gebrauchen, sondern überhaupt um die Angemessenheit des Denkens vor Gott. Wenn wir früher vom Seinlassen Gottes sprachen, vom Aufgang der Herrlichkeit Gottes, dann geht es jetzt noch darum zu fragen, wie das am besten geschieht. Auf jeden Fall müssen wir dabei Gott die Ehre geben, wie wir gewöhnlich sagen. Wir müssen uns ihm in Furcht und Zittern nähern, weil wir oft unreine und sündige Menschen sind. Die Religionen haben dafür einen guten Sinn. Es kommt darauf an, daß wir uns Gott so annähern, wie es ihm gebührt. Diese "Gebührensbeziehung" spielt in der Phänomenologie eine große Rolle (vgl. D. von Hildebrand, Christliche Ethik, Düsseldorf 1959, 294ff; Das Wesen der Liebe, Regensburg 1971, 145f.).

Schon immer hat man gewußt, daß das Beten eine besondere Zugangsweise zu Gott ist. Beten ist der Ernstfall von Religion. Deswegen hat Martin Buber immer wieder deutlich gemacht, daß die Urform des Zugangs zu Gott nicht einfach das Reden über ihn ist, sondern daß wir immer die Anrede brauchen. Dabei braucht dies nicht zu heißen, daß man von Gott gar nicht im Sinne eines "Er" sprechen dürfte. Die Hymnen können durchaus von Gott im Stil des "Er" reden. Aber dies setzt immer die Anrede voraus, die wir in der Relation Ich-Du erfahren. Dabei geht es nicht nur um so etwas wie eine Aussage, die Vorhandenes nur feststellen würde, sondern es ist immer auch eine Sprachhandlung, durch die das Gesuchte immer erst real in Erscheinung tritt. Es gibt beim späten Wittgenstein - der frühere Wittgenstein blieb ja gegenüber dem religiösen Sprechen extrem reserviert - eine tiefblickende Notiz, die auf die Eigenart dieses spezifischen Gegenübers aufmerksam macht. Diese Notiz heißt: "Gott kannst du nicht mit einem Andern reden hören, sondern nur wenn du der Angeredete bist." (Zettel, Nr 717, in: Schriften 4, Frankfurt 1970, 429. Dies ist die letzte Notiz.) Das redliche Sprechen von Gott kann sich also nur in unserem eigenen geschichtlichen Dasein bilden und verifizieren.

Davon muß jede Hermeneutik des Sprechens von Gott ausgehen. Hier darf ich besonders auf eine neue Veröffentlichung B. Caspers hinweisen (Das Ereignis des Betens. Grundlinien einer Hermeneutik des religiösen Geschehens, Freiburg 1998; vgl. aber auch R. Schaeffler, Das Gebet und das Argument. Zwei Weisen des Sprechens von Gott. Eine Einführung in die Theorie der religiösen Sprache, Düsseldorf 1989). Das Beten ist ein Handeln, das sich vom propositionalen und argumentierenden Reden unterscheidet. Es ist ein Sprechen im Angesicht des Anderen. Wir müssen sehr auf diese Verschiedenheit der Sprachformen und Sprachspiele im Religiösen achten. Dies gilt gerade auch im Gottesdienst, in dem es gewiß mehrere Weisen des Sprechens geben kann, aber auch leicht Grenzverletzungen entstehen. Darum ist z.B. nichts peinlicher als das unüberlegte Gerede und Geschwätz gerade im Gottesdienst. Hier gibt es eben auch viele Fehlformen. Nicht zuletzt darum ist das Schweigen und Verstummen so wichtig, wenn wir von Gott sprechen und uns von ihm ansprechen lassen wollen.

Es gibt viele Sprachhandlungen des Gebetes, die man eigens erläutern müßte. Da ist z.B. eine sehr elementare Form des Betens in der Klage. Dies ist und bleibt eine elementare Grundäußerung des Betens: "Aus tiefer Not schrei ich zu Dir." Das "Warum?" der Klage stellt unser Leben in Frage. Man denke hier nur an die große Warum-Frage in Ps 22,2: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" Es ist für unser Beten typisch, daß wir diese einfache, ganzheitliche und offene Art des Sprechens mit Gott nicht mehr so recht schätzen. Im Beten sollen wir aber vor Gott unser Herz ausschütten. Andere Sprachgestalten kommen hinzu, wie das Loben, das Danken und das Bitten. Im Bitten erfahren wir unsere Bedürftigkeit und Armut. In ihm kommt auch unser Vertrauen auf Gott zum Ausdruck. Das Danken ist ein Sich-öffnen des Menschen zu Gott als dem Geber der Gabe, sei es nun für das Brot des Tages, eine bestimmte Freude, die Errettung aus einer Gefahr oder eine eingetretene Gesundung. Darin wird aber Gott selber, besonders sein Geben gepriesen: "Denn Du bist gut." Schließlich mündet dies alles ein in das Preisen und Loben, in denen wir auf höchste Weise selbstlos Gott Gott sein lassen, ihn in seine Herrlichkeit hinein freigeben.

Wer diese Zugänge zu Gott nicht immer wieder erprobt und übt, kann ihn nicht verstehen, entfremdet sich ihm und steht in der Gefahr, ihn zu verkennen. Gerade im Gebet muß der Mensch immer wieder unterscheiden zwischen Gott und den Götzen, zwischen dem göttlichen Gott und den selbstgemachten Idolen. Nur in der Anbetung lernt er seine eigene Freiheit tiefer kennen und bewahren. Ein englischsprachiger Liturgiker hat in diesem Zusammenhang beachtliche Veröffentlichungen publiziert, Geoffrey Wainwright (Doxology, London 1980). Er ist der Meinung, daß die Sprache des Gottesdienstes erst den "Gegenstand" vermittelt, auf den die Theologen reflektieren. In diesem Sinne glaubt er, daß alle religiöse und theologische Rede im Kern "doxologisch" ist. Auch im deutschen Sprachgebiet gibt es viele theologische Untersuchungen, daß gerade auch das Dogma in der Doxologie wurzelt und theologische Aussagen deshalb auch immer Anteile an der Doxologie enthalten (vgl. J. Drumm, Doxologie und Dogma, Paderborn, 1991). Dies gibt zu denken. Deshalb ist es auch gut, die uns selbstverständlich gewordene Rede "Sprechen von Gott" durch das Thema "Gott beim Namen rufen" oder "Gott nennen" zu ergänzen.

Dies wäre ein letztes Thema, das ich jedoch nur noch nennen will. Wir sprachen von der Wichtigkeit der Anrede im Gebet. Gott hat einen Namen. Wir sollten vielleicht mehr als auf einen Gottes-Begriff auf den Namen Gottes achten. Der Name, der mir übergeben wird, läßt sich anrufbar machen und lädt dazu ein. Erst der Name bringt mir jemand in den Bereich der Erreichbarkeit und der Nennbarkeit.

Ich weiß, daß ich sehr vieles, das nicht minder zentral wichtig ist, übergehen muß. Ich denke dabei an die Offenbarung Gottes in Jesus Christus, die trinitarische Struktur Gottes besonders im Neuen Testament, das Gespräch über Gott mit den Religionen, besonders dem Judentum und dem Islam. Noch gewichtiger ist gerade heute die Frage nach der Vereinbarkeit der Güte Gottes mit dem Leid in der Welt. Die Theodizee-Problematik macht dem Menschen von heute besonders zu schaffen. Theologie und Beten "nach Ausschwitz" kann eine Floskel sein, aber sie enthält auch eine tiefe Anfrage, die man am Ende nur im Blick auf Jesus den Gekreuzigten angehen kann.

Ich breche hier ab. Gott bleibt immer ein unbegreifliches Geheimnis. Er allein erfüllt unsere Sehnsucht und unsere Unruhe, mehr als wir uns denken und träumen können. Nur wenn wir uns ihm ganz vorbehaltlos öffnen und entschieden glauben, entdecken wir seinen Reichtum. Darum spricht schon Elihu im Buch Ijob ein weises Wort, wenn er uns sagt: "Gott ist größer als der Mensch." (33,12) Menschen die in einer atheistischen Welt leben mußten, in der immer wieder der Tod Gottes verkündet wurde, haben diese Erfahrung in ihrem Leben besonders gespürt. Deswegen möchte ich noch einmal ein Wort von Andrej Sinjawskij anführen, den ich zu Beginn dieses Vortrags zitiert habe: "Über den Menschen ist genug geredet worden. Es ist Zeit, an Gott zu denken." ("Gedichte an Gott sind Gebete", hrsg. F. Ph. Ingold und I. Rakusa, Zürich 1972, 57)

Copyright: Bischof Karl Lehmann, Mainz

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

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