Zum religiösen Charakter der Papstwahl
Die Wahl des neuen Papstes fand in einer Zeit statt, in der in vielen Ländern Wahlkämpfe vorbereitet wurden oder auch stattfanden, so in Deutschland im Blick auf Nordrhein-Westfalen und in Italien mit einer Regierungskrise. Vor diesem Hintergrund mag es gut sein daran zu erinnern, dass Wahl nicht einfach Wahl ist.
Nun kann dies nicht bedeuten, dass man die Papstwahl in Geschichte und Gegenwart verklärt. Sie kennt alle Höhen und Tiefen, und man kann aus ihr viel lernen im Blick auf Missbräuche und Abwehr von Gefahren bei Wahlen. Allein im 20. Jahrhundert hat jeder Papst die Papstwahlordnung neu erlassen, indem er zwar entscheidende Elemente einer bewährten Tradition aufnahm, aber auch manche neue Bestimmungen einführte, z.B. heute im Blick auf die Mediengesellschaft, in der wir leben.
Es ist jedoch nicht zu übersehen, dass die Papstwahl eine eigene, unverwechselbare Struktur hat, die sie bei allen Ähnlichkeiten mit dem Parlamentarismus am Ende davon doch unterscheidet. Die Wahl findet in der Sixtinischen Kapelle, also einer Kirche statt. Darum hat der Leiter der päpstlichen Zeremonien eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der Wahl. Die Kardinäle kommen in so genannter Chorkleidung, d.h. wie zu einem Gottesdienst. In der Mitte der Sixtinischen Kapelle ist die Heilige Schrift aufgeschlagen. Wenn man den Konklave-Eid schwört, legt man seine Hand auf sie. Bevor der Wähler seinen Stimmzettel in eine Urne legt, spricht er bei jeder Wahl: „Ich rufe Christus, der mein Richter sein wird, zum Zeugen an, dass ich den gewählt habe, von dem ich glaube, dass er nach Gottes Willen gewählt werden sollte.“
Wenn man seinen Stimmzettel abgibt, tut man dies unmittelbar vor dem riesigen Gemälde Michelangelos mit dem Jüngsten Gericht. Die Verantwortung, die jeder durch seine Stimme ausübt, kommt einem dabei ganz besonders in das Bewusstsein.
Außerdem heißt es in der aktuellen Papstwahlordnung „Universi Dominici Gregis“ von 1996: „Schließlich ermahne ich mit dem gleichen Nachdruck wie meine Vorgänger die wahlberechtigten Kardinäle eindringlich, sich bei der Wahl des Papstes nicht von Sympathie oder Abneigung leiten zu lassen, sich weder durch Begünstigung noch von den persönlichen Beziehungen zu einem beeinflussen zu lassen, noch sich von der Einwirkung angesehener Persönlichkeiten oder Druck ausübender Gruppen oder vom Einfluss der sozialen Kommunikationsmittel, von Gewalt, Furcht oder vom Verlangen nach Popularität bestimmen zu lassen.“
In diesem Zusammenhang muss man es auch verstehen, dass nicht nur die Stimmzettel, sondern sämtliche Notizen der Wähler, die jeweils bei einem Wahlgang entstanden sind, sofort danach verbrannt werden. Das Konklave-Geheimnis schützt mit den stärksten Strafen, die es in der Kirche gibt, die Unabhängigkeit und Freiheit der Wahl sowie den Schutz der beteiligten Personen.
Die letzte Wahl trifft in der Überzeugung der Kirche Gott selbst, indem er freilich zur Bezeichnung und Findung der geeigneten Person Menschen in seinen Dienst nimmt. Aber nicht die Kardinäle verleihen dem Gewählten die Vollmachten. Dies tut Gott allein. In dem Augenblick, in dem der Gewählte erklärt, dass er die Wahl zum Petrusdienst annimmt, hat er uneingeschränkt alle Vollmachten seines Amtes, die Gott selbst ihm überträgt. Er ist sofort ganz und gar Papst. Alles, was bei der Amtseinführung später hinzukommt, stellt eine wichtige und eindrucksvolle Symbolik dar. Nicht mehr und nicht weniger.
Es ist verständlich, dass der Gewählte innerlich mit der Annahme zögert. Ihm hat Papst Johannes Paul II. am Ende der Papstwahlordnung in der Ich-Form, was für einen solchen Gesetzestext extrem selten ist, folgenden Zuspruch vorbereitet: „Sodann bitte ich denjenigen, der gewählt werden wird, sich dem Amt, zu dem er berufen ist, nicht aus Furcht vor dessen Bürde zu entziehen, sondern sich in Demut dem Plan des göttlichen Willens zu fügen. Gott nämlich, der ihm die Bürde auferlegt, stützt ihn auch mit seiner Hand, damit er imstande ist, sie zu tragen; der ihm die schwere Aufgabe überträgt, gibt ihm auch den Beistand, sie zu erfüllen, und verleiht ihm, indem er ihm die Würde zuteil werden lässt, die Kraft, dass er unter der Bürde des Amtes nicht zusammenbricht.“
Mit einem Dankgebet und dem „Te Deum“ (Großer Gott) endet das Konklave wiederum in gottesdienstlicher Form. Nach der unmittelbar folgenden Verkündigung des Namens des neuen Papstes an das wartende Volk erteilt dieser als erstes den Apostolischen Segen „Urbi et Orbi“.
Hieraus wird die eigene Struktur der Papstwahl überdeutlich, mag sie in vielen Einzelbestimmungen auch den parlamentarisch-demokratischen Abläufen sehr ähnlich sein. Diese hat sie auch in ihrer Geschichte mitgeprägt.
© Karl Kardinal Lehmann
von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz
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