am 13. Oktober 2006 in der Katholischen Akademie Berlin
Feiern und Jubiläen sind seit alter Zeit und in den meisten Kulturen ein willkommener Anlass, den normalen Gang der Dinge zu unterbrechen und innezuhalten. Nichts ist selbstverständlich. Und dies entdecken wir, wenn wir nachdenken auf das hin, was war und jetzt ist. Denken und Danken gehören in unserer Sprache nicht zufällig zusammen.
Es ist in besonderer Weise so, wenn wir heute den 70. Geburtstag des Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Staatsminister a.D., Prof. Dr. Hans Joachim Meyer, feiern.
Nach dem Gewinn der deutschen Einheit war es immer mein Traum, dass wir auch im deutschen Katholizismus Spitzenpositionen mit Frauen und Männern aus dem Bereich der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, den neuen Bundesländern, besetzen könnten. Es dauerte eine Weile, bis dies möglich war. Bei der Suche nach einem neuen Präsidenten des Deutschen Caritasverbandes hatten wir zuerst Glück. Bald aber wurde ein Laie in vorderster Reihe erkennbar. Von April bis Oktober 1990 war Prof. Dr. Hans Joachim Meyer Minister für Bildung und Wissenschaft in der einzigen frei gewählten Regierung der DDR. Bald danach wurde er Säschischer Staatsminister für Wissenschaft und Kunst. Zwölf Jahre hat er dieses Amt ausgeübt. So war Prof. Meyer gerade prädestiniert, seit November 1990 Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses und seit November 1992 Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken zu werden. Bald sind es zehn Jahre, dass er schließlich zum Präsidenten gewählt worden ist (25. April 1997).
Dies war nur möglich mit einer untadeligen Vergangenheit. Wir haben es in der Laudatio von Prof. Hans Maier schon gehört. Das Studium der Rechts- und Staatswissenschaften wurde ihm aus politischen Gründen verweigert. Dafür lernte er im Lokomotivbau als Hilfsarbeiter die industrielle Welt kennen. Mühsam, aber mit großer Konsequenz, konnte er aufrechten Hauptes das Studium der Anglistik/Amerikanistik und der Geschichte mit der Promotion und der Habilitation abschließen und wurde schließlich Professor an der Humboldt-Universität. Er hatte sich aber auch kirchlich immer wieder eingesetzt, so z.B. als Mitglied der Dresdener Pastoralsynode. Es war ein Glücksfall, dass wissenschaftliche Qualifikation, öffentliches Bekenntnis als katholischer Christ und hohe verantwortungsvolle Tätigkeit in der Politik in Hans Joachim Meyer zusammenkamen.
Was ist das für ein Mann? Ich will dies aus meiner ureigenen Erfahrung, angefangen von der Vorbereitung des Mainzer Jubiläums-Katholikentags von 1998, ein wenig zu erhellen versuchen. Bis heute spürt man, dass er – durch die Erfahrungen mit dem DDR-Staat noch gesteigert – ein Mann des Rechtes ist. Er ist sehr sensibel und zugleich unerschrocken, wenn er der Überzeugung ist, dass Recht verletzt worden ist. Ähnlich ist es mit der Meinungsfreiheit. Es gehört zu seinen Grundüberzeugungen, dass der Mensch frei sein muss in der Mitteilung und Diskussion seiner Überzeugungen. Transparenz ist ihm in dieser Hinsicht ein hohes Gebot. Es geht aber nie einfach um das Reden als solches. Dies ist bei ihm immer verbunden mit Zuhören und Argumentieren. Darauf setzt er. Lässt man sich so auf Hans Joachim Meyer ein, hat man immer einen anregenden und aufrichtigen Gesprächspartner. Hat er in diesen Dingen das Empfinden, dass ihm dazu die Freiheit eingeschränkt oder gar verweigert wird, ist er unerbittlich. Dafür bringt er Mut und Schlagfertigkeit, besonders aber auch wissenschaftlich geprägten Scharfsinn mit.
Für diese Freiheit gibt es zunächst keine Grenze, auch wenn es um das Gespräch und die Diskussion im Rahmen der Kirche geht. Aber Hans Joachim Meyer ist viel zu klug und zu erfahren, wenn es um das Festhalten an unerschütterlichen Marksteinen unseres Lebens geht. Darum ist er in den Grundfragen des Dogmas und der Liturgie ein verlässlicher Fels. Bei solchen Herausforderungen kann er wie ein Löwe kämpfen. Er möchte nichts Wesentliches verlieren, was geistig und spirituell einmal mit guten Einsichten gewonnen worden ist. Aber er ist bei aller historischen Kenntnis kein archivarischer Geist, sondern nützt das spirituelle und religiöse Potenzial zur offensiven Verteidigung an vorderster Front. Der Diasporakatholik aus Rostock scheut darum auch nicht Disput und Streit, wenn es notwendig ist.
In zahlreichen Gesprächen, gerade auch wenn Konflikte drohten, hat Hans Joachim Meyer sich in meinen Augen immer durch Klugheit und nüchternen praktischen Sinn ausgezeichnet. Gradlinigkeit in allen Dingen ermutigt seine Partner. So kann man – dies ist meine Erfahrung – ihm vertrauen. Er ist nicht beleidigt oder gekränkt, wenn man ihm widerspricht. Nur bei bloßer Machtausübung, die nicht auf Argumente hört, begehrt er auf. Dafür würde ich insgesamt die große Tugend des „Freimuts“ bei ihm loben, der biblische Begriff dafür, nämlich „parrhesia“, ist freilich damit unzulänglich übersetzt.
So sind wir, die Deutsche Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken, in diesen vergangenen zehn Jahren gut miteinander gefahren. Vielleicht denkt nicht jeder so aus den Reihen der Bischöfe. Aber es ist meine Erfahrung. Es hat uns gut getan, dass ein so gewandter, diskussionsoffener und entschiedener Katholik mit den verschiedenen Erfahrungen aus Rostock, Berlin und Dresden Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken wurde. Er hat einen positiven Sinn für die Freiheit des Christenmenschen, die selbstverständlich Entschiedenheit des Glaubens und Bindung an Aufträge und Personen nicht ausschließt. Nach dem Verständnis der Rolle der Laien gilt dies auch im Inneren der Kirche, ohne sich in die innerkirchlichen Nischen zu flüchten.
Verehrter Herr Präsident, lieber Herr Professor Meyer, im Namen der deutschen Bischöfe, ganz besonders aber persönlich möchte ich Ihnen für diese partnerschaftliche und faire, von großer Sachlichkeit geprägte und überzeugende Zusammenarbeit von Herzen danken. Wir können ahnen, wie vielen Belastungen Sie in freilich völlig verschiedener Form vor und nach der „Wende“ ausgesetzt waren. Sie haben mit Ihrer verehrten Frau, der ich nicht weniger danke, die Überbeanspruchung nicht gescheut und haben bis zum heutigen Tag ein überzeugendes Beispiel eines mündigen katholischen Laien gegeben, der Zivilcourage ausstrahlt und zugleich durch und durch von Loyalität bestimmt ist.
Ich wünsche Ihnen Gottes reichen Segen für Leib und Seele, besonders Gesundheit und Wohlergehen, Zuversicht aus der Kraft des Glaubens für alle Tage und Freude im Kreis Ihrer Familie und Freunde, nicht zuletzt aber auch an dem wichtigsten Ehrenamt in der Kirche unseres Landes. Dank und Gottes Segen! Ad multos annos!
(c) Karl Kardinal Lehmann
Es gilt das gesprochene Wort
von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz
Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz