Grußwort bei der Feierlichen Eröffnung der Bonifatius-Route

am 10. Juli 2004 in Mainz

Datum:
Samstag, 10. Juli 2004

am 10. Juli 2004 in Mainz

Zur feierlichen Eröffnung der Bonifatius-Route sind wir hier auf dem Leichhof genau am richtigen Platz. Die Leiche des Bonifatius wurde von Utrecht über den Rhein nach Mainz gebracht, wo sie am 4. Juli 754 eintraf. Auch wenn es etwas unterschiedliche Einzelüberlieferungen gibt, so steht doch fest, dass man zunächst einen reibungslosen Weitertransport nach Fulda verhindert hat, weil die Mainzer einen solchen Fürsprecher – Bonifatius wurde schon wie ein Heiliger verehrt – nicht abgeben wollten. Schließlich war es auch für den Schüler und Nachfolger des Bonifatius, Bischof Lul, nicht leicht, die Mainzer zur Freigabe des Leichnams zu bewegen, nicht zuletzt um den Wunsch seines Lehrers zu erfüllen, in seinem Lieblingskloster Fulda die letzte Ruhe zu finden. Wie immer man die schwierige Geschichte im Einzelnen deutet, man darf jedenfalls annehmen, dass die benachbarte Johanniskirche in jenen Tagen zum Aufenthaltsort des Leichnams wurde und hier wohl auch Reliquien des Bonifatius blieben, was schließlich dann auch zu einer Tumba-Errichtung und einer Grabplatte führte. Eine Tumba-Platte aus dem Jahr 1357 findet sich seit 1823 im Dom.

Wir wissen nicht genau, wie lange der Leichnam des Bonifatius in Mainz verblieb. Die überlieferten Auseinandersetzungen dürften doch einige Tage gedauert haben. Vielleicht ist die feierliche Prozession um den 10. Juli 754 herum unter Leitung des Abtes Sturmi von Fulda und von Bischof Lul nach Fulda aufgebrochen (vgl. zu diesen Daten und Problemen L.E. von Padberg, Studien zur Bonifatiusverehrung = Fulda Hochschulschriften 25, Frankfurt 1996, 60-81). Da in der Zwischenzeit das Martyrium des Bonifatius überall bekannt war, fand der Leichenzug größte Beachtung, sodass auch häufig Station gemacht werden musste. Zur Erinnerung wurden so genannte Bonifatius-Kreuze errichtet und einige Kirchen erbaut. Wenigstens an einigen Punkten lässt sich der Reiseweg der Prozession rekonstruieren. Die heutige, neu zu eröffnende Bonifatius-Route knüpft an solche alten Erinnerungen an. Es beginnt damit, dass der Leichnam des Bonifatius per Schiff auf dem Main bis Hochheim gebracht wird. Von dort aus ging es auf dem Landweg über Hofheim auf der Römerstraße durch Vogelsberg und Wetterau und schließlich auf der Antsanvia/Semita Antiqua nach Fulda. Man rechnet, dass man für die ca. 150 km lange Strecke mindestens eine Woche brauchte, sodass der Zug um den 17. Juli 754 herum in Fulda eingetroffen sein wird. Rund sechs Wochen nach der Ermordung gelangten die sterblichen Überreste des Bonifatius an den Ort, den er sich selbst ausgesucht hatte. Bonifatius wurde offenbar sofort in ein neues Grab der Klosterkirche gelegt. Bischof Lul kehrte mit vielen Menschen am nächsten Tag nach Mainz zurück.

Der Weg des Bonifatius von Dokkum über Utrecht nach Mainz und besonders von hier aus nach Fulda ist im Übrigen eng verbunden mit dem gesamten Leben des hl. Bonifatius. Das Leben und der Weg als Pilger kennzeichnet ganz grundlegend sein Leben vom Aufbruch in seiner englischen Heimat in den Jahren 716/718 bis zur letzten Missionsreise nach Friesland, die mit seinem Tod endet. Diese Pilgerschaft entspringt einem tiefen biblischem Motiv, beginnend mit Abraham, der seine Heimat verlassen muss (vgl. 1 Gen 12,1) bis zur Nachfolge Jesu (vgl. Mt 16,24; 19,29). Diese Grundidee ermöglicht es ihm auch, das entsagungsvolle Leben in der unwirklichen Fremde 40 Jahre lang zu ertragen. Dementsprechend fleht er, „dass der gütige Herr, der die Ursache unserer Pilgerschaft ist, das Schiff unserer Gebrechlichkeit beschützt, damit es nicht mit den Wogen der Stürme Germaniens untergehe, und, von seiner Rechten gelenkt und unversehrt bewahrt, an das stille Ufer des himmlischen Jerusalems bringt.“ (Vgl. dazu L. E. von Padberg, Bonifatius, München 2003, 28ff.)

Für Bonifatius war dieses Pilgerleben eng verbunden mit der Missionsarbeit und besonders der Verkündigung des Evangeliums an alle Menschen. Aber es ist auch ein Ausdruck für eine bestimmte Lebenshaltung. Der Pilger weiß, dass er ein Suchender nach Sinnerfüllung ist. Er ist und bleibt immer unterwegs und erfährt dabei auch immer wieder Grenzen. Der Lebensweg erscheint so als ein Pilgerweg. Dabei weiß der Mensch auch, dass er durch seine Endlichkeit und Sterblichkeit immer wieder Abschied nehmen muss von dem, was ihn oft ganz gefangen nehmen möchte. Der Pilger ist immer auch ein Hinweis auf die abschiedliche Existenz des Menschen (vgl. z.B. Die skeptische Ethik von W. Weischedel).

Es ist gut, wenn wir heute diese Existenz des pilgernden Menschen ganz konkret ernst nehmen und uns wenigstens auf der Bonifatius-Route, und sei es in der Begrenzung zwischen Mainz und Fulda, damit identifizieren. Denn unser immer mehr beschleunigtes Leben, das auch stets wieder über alle Grenzen hinausgeht und dabei ortlos wird, braucht die Langsamkeit, Behutsamkeit und das Gleichmaß des pilgernden Menschen, der bedächtig einen Fuß vor den anderen setzt und so auch die Stetigkeit und Verlässlichkeit des Lebens neu einschätzt. Ich glaube, dass darum mit der Eröffnung der Bonifatius-Route ein solches grundlegendes Element des Menschseins wiederentdeckt und in aller Breite Förderung verdient. Gewiss gehört dazu auch die Entdeckung unserer Heimat in Natur und Kultur. Immer ist das Pilgerwesen auch eine Verbindung eingegangen mit der Erfüllung der Neugier auf Neues und das, was man Tourismus nennt (zum Phänomen vgl. neuestens Chr. May, Pilger. Menschsein auf dem Weg = Studien zur systematischen und spirituellen Theologie 41, Würzburg 2004). Es hat aber auch die Auswüchse des Tourismus zu beherrschen geholfen. Ich möchte darum allen, die seit Jahren in einer großen Breite unserer ganzen Bevölkerung diesen Bonifatius-Weg neu erschließen, stellvertretend für alle, Ihnen als der Vorsitzenden, Frau Dr. Vera Rupp, ein herzliches Wort des Dankes sagen.

Mainz und Fulda sind die beiden Bonifatius-Städte, wenn Bonifatius auch wirklich ein „Apostel der Deutschen“ ist. Fulda hat den Vorzug, sein Grab zu bergen. Eine Ausstellung „Bonifatius in Mainz“ in der nahen Martinus-Bibliothek des Priesterseminars (Grebenstraße) kann Ihnen aber auch zeigen, welche Erinnerungen an Bonifatius es in Mainz gibt. Zugleich können Sie im Dom nicht nur einige gewichtige Bonifatiusdarstellungen sehen, sondern der Mainzer Bildhauer Karlheinz Oswald hat eine bronzegegossene Skulptur des Mönches Bonifatius in Lebensgröße geschaffen, die Sie nach der Einweihung am heutigen Morgen im Dom neben der Memorie erblicken.

(c) Karl Kardinal Lehmann

Es gilt das gesprochene Wort

 

 

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz