Häftling im „Hausgefängnis" der Gestapo-Zentrale

Der katholische Theologe und Pazifist Dr. Max Josef Metzger

Datum:
Mittwoch, 16. Dezember 2015

Der katholische Theologe und Pazifist Dr. Max Josef Metzger

Vortrag bei der Stiftung Topographie des Terrors und der Gedenkstätte Deutscher Widerstand am 16.12.2015 in Berlin

Es gibt recht verschiedene Persönlichkeiten im deutschen Widerstand. Sie haben sicher auch etwas zu tun mit den vielen Formen von Verfolgung, Widerstand und Zeugnis . So viel wir auch über Max Josef Metzger (1887-1944) im Einzelnen wissen, so wenig können wir seine Persönlichkeit und sein Verhalten im Widerstand in die vielen Gruppen und Kreise einordnen. Er scheint von seiner Persönlichkeitsstruktur her bei aller Geselligkeit am Ende doch ein einsamer, gewiss auch sehr eigenständig geprägter Mensch gewesen zu sein, was bis heute auch dazu geführt hat, dass er bei den Darstellungen der Männer und Frauen der Kreise und Gruppen des deutschen Widerstands kaum einen Platz fand. Dies gilt sogar bei den Darstellungen, die sich mit den Christen im Widerstand befassen; dies gilt für den Kreisauer Kreis und die Personen um den 20. Juli, sogar im Blick auf das Bistum Berlin, wo Max Josef Metzger am 17. April 1944 von den Nationalsozialisten hingerichtet worden ist. Wohl hat er gewisse Kontakte zu dem sogenannten Solf-Kreis gehabt.

 

I.

Max Josef Metzger ist, besonders auch in der Kirche, eine immer umstrittene Persönlichkeit gewesen. Freilich gab es immer auch schon aus verschiedenen Motiven eine hohe Verehrung. Eine gewisse Wende in der Einschätzung trat nach der Veröffentlichung der Briefe aus dem Gefängnis ein. Die Briefe aus dem Gefängnis zeigen einen sehr reifen Menschen, der viele beeindruckte. Er wurde dreimal zwischen 1934 und 1944 verhaftet. Es ist viel neues Material bekannt geworden. So wurde z.B. erst 1970 entdeckt, dass in dem ehemaligen „Institut für Marxismus und Leninismus" beim Zentralen Parteiarchiv der SED in Berlin eine Akte des ehemaligen Volksgerichtshofes Berlin „in Sachen Dr. Metzger" verwahrt wurde. Die Akte enthält wohl alle Schriftstücke aus dem Prozess vor dem Volksgerichtshof. Neben privaten Dokumenten fanden sich auch viele Archivmaterialien aus dem Erzbischöflichen Ordinariat Freiburg i.Br. Dies alles ergab ein vertieftes Bild von Dr. Metzger, besonders für die letzte Lebensphase.

In jüngster Zeit haben wir zusätzlich eine neue Hilfe durch die im November 2015 an der Theologischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.Br. abgeschlossene Dissertation von Christian Heß, „‘Ohne Christus, ohne tiefstes Christentum ist Krieg‘. Die Christkönigsthematik als Leitidee im kirchlich-gesellschaftlichen Engagement Max Josef Metzgers." Dem Verfasser, zur Zeit Regens des Erzbischöflichen Priesterseminars Collegium Borromaeum in Freiburg i.Br., ist zu danken, dass er weitere Einzeldokumente gefunden hat, sie mit den bekannten Texten zusammenbringt und eine gewisse Gesamtdarstellung wagt. Ich danke dem Verfasser, dass er mir ein Exemplar der Arbeit zur Verfügung gestellt und mir die Erlaubnis gegeben hat, sie zu diesem Vortrag zu verwenden und daraus auch zu zitieren (künftig nur: Heß mit Angabe der Seitenzahl). Christian Heß hat eine große Bibliographie (vgl. 372-446). Er ist übrigens am 16.12. 1975 geboren, ist also heute 40 Jahre alt. Sonst wäre er gerne mit mir gekommen. Wir gratulieren ihm von Berlin nach Freiburg!

 

II.

Max Josef Metzger wurde am 3. Februar 1887 im südbadischen Schopfheim, am Ausgang des Wiesentals, geboren. Er war das erste von vier Kindern und der einzige Sohn des Lehrers Friedrich August Metzger und dessen Ehefrau Anna. Er wurde in seiner Jugend von der starken Diaspora-Situation der katholischen Gemeinde geprägt. Schließlich war er dadurch auch im Sinne eines recht geschlossenen katholischen Milieus mit der eigenen Kirche eng verbunden. Nicht zuletzt durch die fördernde und fordernde Erziehungstätigkeit seines Vaters wurde er zu schulischen Höchstleistungen angespornt und konnte so am 24. Juli 1905 seine Gymnasialzeit in Konstanz / Bodensee mit dem Abitur abschließen und dabei das Gesamtprädikat „sehr gut" erreichen. Er war zeitlebens immer sehr von seinen Eltern geprägt.

Max Josef Metzger trat zum Wintersemester 1905/06 in das Theologische Konvikt in Freiburg i.Br. ein und nahm dort das Studium der Philosophie und Theologie auf, das ihn zum Beruf des katholischen Priesters mit der Tätigkeit im Erzbistum Freiburg i.Br. führen sollte. Auch hier erzielte Max Josef Metzger hervorragende Leistungen. Da er am Ende seines Studiums noch nicht zur Diakonenweihe mit einem vorgeschriebenen Mindestalter zugelassen werden konnte, studierte er von 1908 bis 1910 im schweizerischen Fribourg. Der bekannte Kirchenhistoriker Prof. Dr. Georg Pfeilschifter (Freiburg i.Br. und München) hatte einen großen Einfluss auf ihn. Unter seiner Leitung fertigte er bis 1910 seine Promotionsschrift an unter dem Titel „Karolingische Pontifikalien vom Oberrhein". Diese Arbeit wurde preisgekrönt und wird auch heute noch von den Experten hoch anerkannt. Nach Abschluss seiner Studien wurde Metzger am 5. Juli 1911 im Freiburger Münster zum Priester geweiht. Als Vikar wurde er von 1911-1914 in Karlsruhe-Mühlburg und in Mannheim (Obere Pfarrei) sowie als Pfarradministrator in Oberhausen bei Herboldsheim eingesetzt.

Von dem Aufenthalt in der Schweiz war Metzger tief geprägt. Er besuchte dort auch Familien in den Elendsvierteln und erlebte dabei unter ihnen einen großen Alkoholmissbrauch. Er entschied sich, künftig immer auf Alkohol, Tabak und Fleisch zu verzichten. Dies bildet auch den Anfang seines Einsatzes in der Abstinenzbewegung. Er blieb ein Leben lang seinen Vorsätzen treu. In der Schweiz hatte er auch zu vielen Studenten weite internationale Kontakte geknüpft, die ihn besonders mit der Deutschen Friedensgesellschaft verbanden, in die er eintrat. So hat er auch schon früh einen davon sehr bestimmten „Freundesbund" gegründet. Damit war der junge Metzger schon von der Frage umhergetrieben, wie man den Glauben in einer Gemeinschaft gleichgesinnter, aber im Einzelnen doch verschiedener Menschen leben und vertiefen kann.

Max Josef Metzger neigte immer schon zu Auseinandersetzungen mit Vorgesetzten. Er hatte nicht nur einen etwas schwierigen Charakter, sondern zweifellos auch aufgrund seiner Begabungen und seiner Leistungen ein starkes Selbstbewusstsein. So kam er bereits während der Gymnasialzeit mit dem Rektor des Konstanzer Konviktes, Dr. Conrad Gröber (1872-1948), in Konflikt. Dies war aber kein geringerer als Metzgers späterer Erzbischof, der im Zusammenhang des Todesurteils auch noch Gnadengesuche für ihn einreichte. Schon früh weist Gröber auf die große Begabung, aber auch „das hochfahrende Wesen Metzgers" hin, der eine feste Hand brauche und noch zur Demut kommen müsse. Man tadelt an ihm auch ein vorlautes Wesen und die beständige Sucht, eine führende Rolle zu spielen. Metzger hatte es nicht leicht in seiner Kirche. Die Totalabstinenz führte zu weiteren Konflikten in seiner Umgebung. Es besteht kein Zweifel, dass Max Josef Metzger trotz so vieler Talente eine schwierige Persönlichkeit war. Der Freiburger Historiker Hugo Ott schreibt dazu: „Der missionarische Eifer, die leidenschaftliche Kraft, die Glut der Verkündigung, all dies waren Kennzeichen eines außergewöhnlichen Menschen, eines zutiefst seelsorglich gestimmten Priesters." Leider war die Fähigkeit zum Kompromiss wenig ausgebildet. Dies bleibt auch für die Zukunft eine schwere Hypothek.

 

III.

Nun kommt eine erste Wende in dieses junge priesterliche Leben. Metzger wurde in die unerhörte Begeisterung für den Ersten Weltkrieg wie viele junge Männer hineingerissen und meldete sich als freiwilliger Militärgeistlicher. Er geriet in die Gefechte am Hartmannsweilerkopf im Elsaß, die zu den heftigsten Auseinandersetzungen im Ersten Weltkrieg zählen. Dieser Dienst endete schon im Sommer 1915, da Metzger sehr krank wurde. Er wurde kriegsuntauglich. Mehr und mehr wuchs auch der Pazifismus in ihm, wenn seine radikale Ausbildung auch noch Jahre brauchte.

Es gab in dieser Situation auch einen bemerkenswerten Ortswechsel. Metzger erhielt von Prof. Johannes Ude (1874-1965) den Ruf als „Generalsekretär des Kreuzbündnisses, eines Verbandes abstinenter Katholiken" nach Graz. Prof. Ude (1874-1965), war Pazifist, Theologe und Wirtschaftsreformer, er zählte zu den „Lebensreformern". Die Nüchternheitsbewegung wurde durch dieses neue Apostolatsgebiet ergänzt. Das Erzbistum Freiburg stimmte dem Wechsel zu. Graz war in dieser Zeit sehr von sozialen und konfessionellen Konflikten bestimmt. Metzger erweiterte von seiner bisherigen Aufgabe her seine Basis, gründete zum Beispiel einen Verlag (um unabhängig zu bleiben!) und eine sogenannte „Volksheilzentrale" und schuf eine Missionsgesellschaft vom Weißen Kreuz, die sich ein „Apostolat sozialer Arbeit auf religiöser Grundlage" zur Aufgabe machte.

Immer mehr verband Metzger den Grundgedanken der Abstinenz mit dem Pazifismus. Er formulierte in zwölf Thesen ein Friedensprogramm, das er 1917 auch Papst Benedikt XV. vorlegte. Zugleich forderte er immer mehr eine Rückkehr der Christen durch eine radikale Umkehr zu den Geboten Jesu Christi, die Metzger vor allem in den Seligpreisungen der Bergpredigt sah. Es gab schon lange - so stellte er fest - ein „Moratorium der Bergpredigt". Nur so kann auch der Friede in Verbindung mit der sozialen Gerechtigkeit die Welt verändern. Metzger schuf dazu das „Weltfriedenswerk", nahm an vielen Konferenzen teil, die das Ziel einer „Erneuerung des ganzen gesellschaftlichen Lebens in christlichem Geist" hatten. Er sah das Fundament dafür in dem 1925 von Papst Pius XI. begründeten Christkönigsfest. Die Ideen Metzgers wurden wenig aufgenommen, auch innerhalb der Kirche; vieles blieb Illusion.

1919 wurde der „Friedensbund deutscher Katholiken" gegründet, der bis 1933 existierte. Metzger fand dafür keine Unterstützung bei den deutschen Bischöfen. Umso mehr suchte Metzger internationale Partner. So sollten sich die Ideen des Völkerbundes und der Kirche ergänzen. Höchstes Ziel war die „Verwirklichung des sozialen Königtums Christi in der Welt ... Katholiken aller Länder vereinigt euch! Es lebe die Katholische Internationale!" (Heß, 111f.) Er fand jetzt auch eine gewisse Nähe zu Sozialisten und Kommunisten. Engere und persönliche Kontakte gab es wohl kaum. Er sprach auch von einem „Christlichen Sozialismus". Besonders die Versöhnungsarbeit zwischen Deutschen und Franzosen weckte Hoffnungen (vgl. Heß, 114ff.). Metzger nützte alle Mittel der Universalisierung seiner Friedensideen, so auch seine Liebe zur Esperanto-Sprache (vgl. Heß, 117ff.) Er radikalisierte auch hier seine Ideen und war auf katholischer Seite wohl einer der ersten, der sich für das Recht zur Kriegsdienstverweigerung einsetzte (vgl. Heß, 119ff.). Er hatte Sorge wegen eines kommenden Krieges (1926/1928). Radikaler Pazifismus ist Dienst am „Friedenskönig Christus" (vgl. Heß, 122ff.). Er kämpft gegen die Wiederaufrüstung Deutschlands. Aber es blieb vor allem beim Pathos. Er warnte Pius XI. 1932 vor der Gefahr eines neuen Weltkrieges (vgl. Heß, 127f.).

Metzger zog sich allmählich von internationalen Konferenzen zurück. Er baute eine konkrete Gemeinschaft auf und intensivierte mehr und mehr die ökumenischen Bemühungen. Es ist hier nicht notwendig, die einzelnen Schritte darzustellen, wie Metzger immer mehr die soziale Dimension der von ihm gegründeten Gemeinschaft hervorhob. (vgl. Heß, 145ff., 340ff.) Er setzte dabei sehr auf die Mitarbeit der Laien. Die Gemeinschaft sollte Rückhalt werden für die Erweckungsbewegung, die die Welt sozial und religiös verändern sollte. Dabei wollte Metzger an die damals im katholischen Bereich hoch im Kurs stehende Herz-Jesu-Verehrung anknüpfen (vgl. Heß, 130ff.). Beim Aufbau der eigenen Gemeinschaft sah er sogar vorbildliche Elemente in der Heilsarmee (vgl. Heß, 138ff.). Hauptziel dieser Mission war für ihn die Verkündigung des Evangeliums mitten in der Welt. Erst sehr viel später, im Jahr 1947, wurde in der katholischen Kirche eine Lebensform unter dem Begriff „Säkularinstitut" gegründet, in dem der Wesenskern des Ordenslebens mit den Anliegen der Laienbewegungen verbunden wurde. Metzger nahm viele Elemente vorweg. Wandermission (vgl. Heß, 142ff.) und mediale Vermittlung in die Gesellschaft hinein waren wichtige Instrumente, ganz abgesehen vom grundlegenden sozial-caritativen Einsatz.

 

IV.

Die Friedensbewegungs-Bemühungen Metzgers brachten ihn schon früh in Kontakt mit ökumenischen Aktivitäten. Während es mit den pazifistischen Weggefährten im Lauf des Jahres immer mehr zu Differenzen kam, wurde die Nähe zur ökumenischen Bewegung immer enger. Diese Tätigkeit erwies sich als ausgleichend und befriedigender. Dies war in den 20er Jahren nicht einfach, da der offizielle Kurs der katholischen Kirche ökumenisch in dieser Zeit eher auf Abgrenzung hinauslief. Aber gerade auch das Thema „Kirche und Krieg" führte engagierte Männer aus den verschiedenen Kirchen immer mehr zusammen.

Metzger gewann auch viele internationale Kontakte und konnte bei großen Konferenzen teilnehmen, so bei der ersten Weltkonferenz für Praktisches Christentum (Life and Work) 1925 in Stockholm und bei der großen Tagung im Jahr 1927 in Lausanne, von „Faith and Order" durchgeführt. Ab dieser Zeit hat Metzger die ökumenischen Einigungsbestrebungen immer mehr gefördert, zweifellos auch mit einer gewissen Distanz zum amtlichen katholischen Ökumenismus (vgl. z.B. die Enzyklika „Mortalium animos" Piusʼ XI. aus dem Jahr 1928 mit einer weitgehenden Ablehnung der Ökumenischen Bewegung und auch ökumenischer Konferenzen).

Metzger schlug gerade in der Zeit des erstarkenden Nationalsozialismus immer intensiver diesen Weg ein. „Katholiken werdet evangelisch! Evangelische, werdet katholisch! Dann wird die una sancta, die eine heilige Kirche, um die wir gemeinsam ringen und beten." (Heß, 279) Metzger verwies auf die unsichtbare Kirche und die erstrangige Bedeutung jeder Gewissenserforschung. Zugleich war dies eine deutliche Spitze gegen den Machtmissbrauch des Nationalsozialismus. Die Gegnerschaft zwischen der Kirche und der NS-Diktatur wurde immer schärfer. So widmete sich Metzger besonders ab 1937 immer mehr der Una-Sancta-Bewegung, was jedoch schon seit den 20er Jahren immer deutlicher wurde. Im Jahr 1938/39 gründete Metzger sogar eine „Bruderschaft", der er den Namen „Una sancta" gab. Metzger wird 1939 zum zweiten Mal in Haft genommen, nachdem er 1934 zum ersten Mal für kurze Zeit in Gewahrsam genommen wurde.

Im Advent 1939 richtete Metzger aus dem Gefängnis heraus einen Brief an Papst Pius XII. und forderte ihn auf, ein ökumenisches Friedenskonzil in Assisi einzuberufen. Dietrich Bonhoeffer war zur selben Zeit von einem ähnlichen Gedanken bewegt (vgl. Heß, 284, Anm. 1418.) Metzger suchte in den Jahren 1940/42 diese Ideen durch die Gründung ökumenischer Begegnungskreise zu verbreiten. Er besuchte sie und reiste viel. Aufschlussreich sind die regelmäßigen Kontakte Metzgers zu dem bekannten katholischen Luther-Kenner und Kirchenhistoriker Joseph Lortz (1887-1975) und zu Romano Guardini (1885-1968). Metzgers Heimatbischof Erzbischof C. Gröber lehnte Metzgers Bemühungen kategorisch ab.

V.

Ich habe bisher übergangen, dass Metzger im Lauf der Jahre 1927/28 von Graz nach Meitingen bei Augsburg umgezogen ist. Die einzelnen Gründe sind mir bei meinen Recherchen nicht so deutlich geworden. Sicher spielten auch wachsende Kritik und Distanzierung in Graz eine deutliche Rolle. Die Gemeinschaft fand dort wohl eher einen ihrer Struktur entsprechenden Ort. Sie übernahm im Sinne der „sozialen Caritas" dort eine Trinkerheilstätte. Die Gemeinschaft wurde umbenannt in „Christkönigsgesellschaft" (1925 wurde das Fest eingeführt). Ein männlicher Zweig erlosch 1944. Der weibliche Zweig existiert seit 1969 als Säkularinstitut diözesanen Rechts. Die Gemeinschaft hat nach dem Krieg ökumenische Rundbriefe herausgegeben, aus denen schließlich die Zeitschrift für ökumenische Begegnung „Una sancta" entstanden ist, die zur Zeit im 70. Jahrgang steht und sich hoher Anerkennung erfreut. Der Kyrios-Verlag in Meitingen erinnert an die verlegerische Tätigkeit von Max Josef Metzger, die er von Anfang an suchte (vgl. Heß, 128ff., 150ff., 340ff.)

Metzger erfüllte seine Aufgaben von Meitingen aus, wo er auch viele Tagungen abhielt. Er machte aber auch viele Reisen zu ökumenischen Begegnungen im ganzen Land. Die Una-Sancta-Bewegung wurde freilich überwacht.

Diese Tatsache brachte Metzger zur Überzeugung, dass ein Ortswechsel von Meitingen nach Berlin ihm eine größere Bewegungsfreiheit gewähren würde (vgl. Heß, 297ff.). Dies war am Ende eine große Täuschung. Im Februar 1940 zog er nach Berlin-Wedding in das Piusstift. Es gibt noch viele Vermutungen über die möglichen Motive. Er ließ sich jedenfalls von seinen Freunden in seinen Auftritten nicht zur Zurückhaltung bewegen. Viele Kontakte pflegte er auch mit seinem Heidelberger Freund Pfarrer Dr. Anton Beil. Er sorgte sich um die „Gemeindeerneuerungswochen", die mehr waren als eine bloße „Volksmission", in der Mitte geht es immer um eine theologisch lebendige Pfarrcaritas. Mehr und mehr beschäftigte ihn „das Geheimnis der Kirche".

In dieser Zeit verschlechterte sich das Verhältnis zwischen Erzbischof Gröber und Max Josef Metzger (vgl. Heß, 314-319) zusätzlich. Gröber tadelte immer auch, dass Metzger bei aller hohen Intelligenz ein Idealist, ein naiver und harmloser Mensch geblieben sei. Es gibt noch härtere Distanzierungen (vgl. Heß, 316). Schließlich beschuldigte Gröber in einem öffentlichen Brief Metzger „eines politischen Verbrechens" (vgl. Heß, 317). Er täuschte sich in seiner diplomatischen Taktik.

Man mag die Terminologie Gröbers als notwendiges diplomatisches Zugeständnis zur Rettung Metzgers betrachten, wie es Hugo Ott zu deuten versucht, die Worte des Erzbischofs verschlangen einem - mindestens heute - jedoch die Sprache.

 

VI.

Wir sprachen von dem wachsenden ökumenischen Engagement Metzgers im Sinne der Una Sancta. Was aber geschah im Blick auf die Juden? Ich will eine kurze gedrängte Antwort suchen, wobei ich mich hier weitgehend auf St. Heß (vgl. 299-305) stütze.

Metzger lehnt schon früh jegliche Diskriminierung von Menschen nach Religion, Rasse oder Nationalität ab. Dennoch wurden ihm immer wieder antisemitische Tendenzen nachgesagt. In der Tat gibt es hier bei Metzger eine unübersehbare Entwicklung: Er hat sich im Rahmen antikapitalistischer Äußerungen antijüdischer Stereotypen bedient. Er wollte damit auch für seine eigene „christliche Wirtschaftsgemeinschaft", die er in Graz 1921 gründete, werben. Judentum deckte sich für ihn im Übrigen mit „Kapitalismus". Zweifellos gab es bei Metzger solche Restbestände eines Antisemitismus, wie er sich in katholisch geprägten Milieus jener Zeit immer wiederfand und tiefer verwurzelt war.

Dies änderte sich aber bald. Es gab jedenfalls bei Metzger keinen Antisemitismus nationalsozialistischer Prägung. Metzger wandte sich 1924 gegen jeden Antisemitismus (Heß, 301). Er wehrte sich vor allem gegen antisemitische Klischees. Es gibt einen deutlichen Meinungs- und Gesinnungswandel. Er hat sich sogar in Berlin für verfolgte Juden eingesetzt und ist ihnen beigestanden. Namentlich bekannt ist die jüdische Philosophin Annie Kraus (1900-1991), der Metzger Zuflucht und Hilfe besorgte. Ein weiteres Beispiel ist Johannes (später: John) Oesterreicher (1904-1993), der als Sohn jüdischer Eltern katholisch wurde und während des Zweiten Vatikanischen Konzils ein wichtiger Berater mit großem Einfluss auf den Wiener Kardinal Franz König war.

So bedauerlich manche frühen Äußerungen Metzgers im Blick auf das Judentum sind, er hat nachhaltig aus den Fehlern gelernt. Er ließ sich dabei auch nicht von der manchmal zwiespältigen Reaktion der Verantwortlichen in seiner Kirche beirren. Dafür wagte er auch sein Leben.

VII.

Vor dem gesamten Hintergrund war es nicht verwunderlich, dass die nationalsozialistischen Gegner Metzger nicht nur immer stärker beobachteten, sondern dass er im Laufe der Zeit zweimal in Haft genommen worden ist, vom 23. bis 26. Januar 1934 und vom 8. November bis 4. Dezember 1939, jeweils in Augsburg: das erste Mal wegen seiner Schrift „Die Kirche und das neue Deutschland" und 1939 anlässlich des Attentats auf Hitler im Bürgerbräukeller in München.

Seit 1942 stand Metzger mit dem schon genannten Solf-Kreis in Verbindung. Er dachte öfter daran, dass ihm sein nazikritischer Einsatz auch das Leben kosten könnte. Am 12. März schreibt er an seinen Freund Pfarrer Dr. Alfons Beil: „Gott schütze uns in diesen Zeiten! Man muss sich bereithalten für alles!" (Heß, 306).

Am 29. Juni 1943, ein Vierteljahr später, erfolgte die dritte Verhaftung durch die Gestapo in Berlin. Er erinnerte selbst an die Münchener Widerstandskämpfer Sophie und Hans Scholl sowie Christoph Probst, die am 23. Februar 1943 in München hingerichtet worden sind. Bereits in seinem Testament vom 22. Februar 1942 hatte er erklärt, dass er zur Hingabe seines Lebens „für den Frieden Christi im Reich Christi" bereit sei (Heß 307f.).

Grund für die Verhaftung war ein geheimes Memorandum mit genaueren Vorschlägen zur Neuordnung Deutschlands auf der Grundlage des christlichen Sittengesetzes nach der unvermeidlichen Niederlage Deutschlands. Davon war er allmählich selbst überzeugt. Bruder Paulus, so wurde er auch in der Gemeinschaft genannt, machte sich immer mehr Sorgen um die Zukunft Deutschlands: Was wird nachher werden? Er fertigte darüber ein knappes Memorandum, das er dem in der Ökumene sehr angesehenen schwedischen Erzbischof Erling Eidem von Uppsala schicken wollte, um diese Gedanken in eine Friedensvermittlung nach einem verlorenen Krieg hineinzugeben. Dabei spricht er auch von einem Frieden „im Dienst eines unparteiischen Organs der ‚Vereinigten Staaten von Europa‘." Metzger hat dieses Dokument selbst und allein angefertigt, auch wenn er mit dem Solf-Kreis Beziehungen hatte (vgl. den Kreisauer Kreis mit Helmut James von Moltke, zu dem Pater Delp SJ gehörte).

Dieses Memorandum übergab Metzger einer deutschen Frau mit schwedischer Abstammung, Dagmar Imgart, die seit mehreren Jahren in der ökumenischen Bewegung war und auch an dem Treffen des Solf-Kreises teilnahm. Sie besaß das Vertrauen von Metzger. Dies war ein verhängnisvoller Irrtum, denn diese Frau war, wie sich später herausstellte, eine Gestapo-Agentin. Sie hat Metzger zwei Jahre lang und wieder am 29. Juni 1943 besucht. Ihr hat er das Memorandum übergeben. Wenig später wird Metzger verhaftet und zum Gefängnis in die Prinz-Albrecht-Straße, in das „Hausgefängnis" der Gestapo-Zentrale gebracht. Am 11. September 1943 wird Metzger zur Untersuchungshaft in die Strafanstalt Plötzensee verlegt. Die juristische Behandlung des Falles Dagmar Imgart braucht hier nicht weiter verfolgt zu werden.

Metzger konnte nicht glauben, dass man seinen Text (vgl. Christuszeuge, 107f.) und seine ganze Haltung ihm zum Vorwurf machen könne. Da er auch vor Gericht sehr unbefangen und offen war, konnte vieles gegen ihn und leider auch gegen Mitglieder des Solf-Kreises, zum Beispiel Dr. Richard Kuenzer, verwendet werden. Der Anwalt von Metzger, Dr. Dix, rechnete schon auf Grund der Aktenlage mit der Todesstrafe.

 

VIII.

Am 14. Oktober 1943 fand vor dem Volksgerichtshof in Berlin unter dem Vorsitz von Roland Freisler der Prozess gegen Max Josef Metzger statt. Er dauerte nur 70 Minuten. Es war eine regelrechte Farce. Freisler, der berüchtigte und blutrünstige Richter, machte den Prozess auch durch sein Geschrei und seine niederträchtige und unsäglich höhnische Verhandlungsführung zu einem Schauprozess vor bestellten Zuhörern. „Aber das ist eben eine ganz andere Welt, eine Welt, die wir nicht verstehen." (Christuszeuge, 308-312). Man schämt sich heute noch als Deutscher über diese Justiz, deren Urteile erst 1998 durch Beschluss des Bundestages für ungültig erklärt wurden. Freisler redete vom „Ausmerzen" und „Ausrotten" solcher Menschen. „Das ist ja eine ganz andere Welt! So etwas hat keinen Raum bei uns!" (Christuszeuge, 306). „Una ... (das Wort ‚sancta‘ kann er nicht mehr aussprechen und ergänzt) das sind wir!! Und sonst gibt es nichts."
Der Zweifel am Sieg und die Friedensarbeit waren todeswürdig. Metzger schrieb auch einen Brief an Hitler und forderte ihn zum Rücktritt auf; der Brief wurde nicht abgeschickt, aber von der Gestapo gefunden. Max Joseph Metzger wird zum Tode verurteilt, und zwar „wegen Vorbereitung zum Hochverrat u.a.". „Als für alle Zeit ehrloser Volksverräter wird er mit dem Tode bestraft." Der Freiburger Ordinariatsrat Dr. Simon Hirt, später Generalvikar, darf anwesend sein, ebenso zwei Schwestern der Gemeinschaft. Sie schreiben Berichte (vgl. Christuszeuge, 314ff., 322ff.). Alle Gnadengesuche wurden negativ entschieden (vgl. Christuszeuge, 326-336).

Am 22. Oktober 1943 wurde Metzger nach Brandenburg-Görden verlegt. Er verfasst viele Briefe, Lieder, Gedichte und eine herausragende theologische Abhandlung über die geistigen Grundlagen der Societas Christi Regis, ein geistliches Testament für die Christkönigsgesellschaft. Darin ist vieles zur Sprache gebracht, was erst später in der Theologie des Zweiten Vatikanischen Konzils zur Geltung gekommen ist. Metzger war in vielem seiner Zeit voraus.

Max Joseph Metzger wurde am 17. April 1944 um 15.26 Uhr mit dem Fallbeil hingerichtet. Die ganze Prozedur dauerte 7 Sekunden. Kein Priester durfte ihn begleiten. Der Scharfrichter Wilhelm Röttger sagte dem Gefängnisseelsorger Buchholz, er habe „noch nie einen Menschen mit so froh leuchtenden Augen in den Tod gehen sehen wie diesen katholischen Geistlichen" (Heß, 310, Anm. 1571).

Die Schwestern konnten erreichen, dass der Leichnam nicht wie üblich verbrannt wurde, sondern am 21. April 1944 zunächst vorläufig auf dem Altstädtischen Friedhof von Brandenburg beigesetzt werden konnte. Nach dem Ende des Krieges erfolgte die Umbettung nach Berlin am 18. September 1946 auf den St. Hedwigs-Friedhof. Der Bau der Mauer verlangte nochmals eine Verlegung. Schließlich wurden die sterblichen Reste am 27. April 1968 auf dem Friedhof von Meitingen durch Bischof Dr. Josef Stimpfe erneut beigesetzt. Auf dem Grabstein steht der Spruch: „Ich habe mein Leben Gott angeboten für den Frieden der Welt und die Einheit der Kirche."

Metzger konnte seine vorher schriftlich niedergelegte Verteidigung in der ausführlicheren Form nicht vortragen (vgl. jedoch den Text in: Christuszeuge, 263 - 271). Er hat jedoch auch eine Kurzfassung hinterlassen (vgl. Christuszeuge: 272 - 274). Er sollte auch in diesem Vortrag wenigstens mit dem Schlusswort selbst vernehmbar sein: „Ich kann nur wiederholen: ich fühle mich keines Verbrechens schuldig. Ich habe lebenslang nur meinem Volk gedient unter Hintansetzung meiner eigenen Person. Ich habe auch in der Tat, die mir zur Last gelegt wird, nur aus letzter nationaler Verantwortung heraus gehandelt, ich habe versucht, nach meiner Möglichkeit dem deutschen Volk Einheit, Freiheit und Selbständigkeit zu retten. Ich habe nicht mit dem Feind Verbindung angeknüpft oder ihn begünstigt, sondern ich habe dem deutschen Volk für den Fall der äußersten Not einen Neutralen als Freund und Vermittler gesucht, um den Vernichtungsplänen der Feinde entgegenzuwirken. Es wäre wahrhaft tragisch, wenn ein Mann, der unter Einsatz seines Lebens seinem Volk die höchsten Güter zu wahren sucht, als Verbrecher gestempelt werden sollte. - Wenn auch das Gericht glaubt, meine Handlung ablehnen zu müssen, so bin ich kühn genug zu glauben, dass es gleichwohl mir die Achtung nicht versagt und in einem hochherzigen Urteil mir die verstehende Gerechtigkeit widerfahren lässt, die dem ritterlichen Empfinden des deutschen Volkes entspricht. Darum bitte ich." (Christuszeuge, 274).

IX.

Für die Gemeinschaft der Glaubenden endet das Leben nicht mit dem physischen Tod. So stellte sich bald die Frage nach einem Seligsprechungsprozess. Die römische Kongregation für die Heiligsprechungsverfahren gab der Erzdiözese Freiburg i. Br. die Erlaubnis zu seiner Eröffnung und Durchführung in Freiburg. Das Erzbistum Berlin musste zustimmen, da für ein solches Verfahren in der Regel das Bistum des Todesortes zuständig ist. Nach dieser Klärung der Zuständigkeiten wurde der diözesane Prozess in einer sehr stringenten siebenjährigen Prozedur erfolgreich durchgeführt. Das Ergebnis und ca. 6000 Seiten Studien und Belege gingen in der ersten Jahreshälfte 2015 nach Rom. Dort entscheidet sich - vermutlich dauert dies längere Zeit - das Vorhaben. Das Verfahren will nicht nur Max Josef Metzger Gerechtigkeit widerfahren lassen. Die Gegenwart Gottes offenbart sich immer auf besonders klare Weise in den Heiligen. (vgl. Papst Benedikt XVI., Besuch in Erfurt am 24. September 2011) Aber dies alles hat auch Wirkung auf das geschichtliche Leben der Kirche, getreu dem altehrwürdigen Wort: „Oft auch erwies sich das Blut der Christen als Same" (neuer Christen).

(c) Karl Kardinal Lehmann, Bischof von Mainz

Redemanuskript - Es gilt das gesprochene Wort

 

Im Original sind eine Reihe von Fußnoten und Anmerkungen enthalten

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz