Humanität im Sport

Gastkommentar von Kardinal Lehmann in der Mainzer Kirchenzeitung "Glaube und Leben" im August 2012

Datum:
Donnerstag, 9. August 2012

Gastkommentar von Kardinal Lehmann in der Mainzer Kirchenzeitung "Glaube und Leben" im August 2012

In den letzten Jahrzehnten ist viel über die Rücksichtnahme im Sport gesagt und geschrieben worden. Man denke nur an Fairness und Fairplay. Es entstand eine ausgedehnte Ethik des Sports. Man kann auch beobachten, wie manches unter den Spielern und Kämpfern selbst positiv gewirkt hat. Aber es gibt natürlich eine Menge von neuen Problemen. Man muss nur Doping, wachsende Kommerzialisierung und auch die Entwicklung des Fan-Verhaltens z. B. im Fußball nennen. Im Übrigen gibt es gerade im Olympischen Wettbewerb viele Beispiele, wie anständig Sieger und Besiegte miteinander umgehen.

Bei den Mängeln muss man aber auch manche Phänomene in der Berichterstattung unter die Lupe nehmen. Auch hier muss man, um keine falsche Perspektive zu entwickeln, erst einmal viele Reportagen und Berichte hoch anerkennen, die durchaus auch dem fairen Verhalten und dem Ethos vieler Sportler einen eindrucksvollen Platz einräumen. Die außerordentlichen Bemühungen vieler Sportjournalisten dürfen nicht verdunkelt werden.

Eine ärgerliche Ausnahme muss allerdings beim Namen genannt werden. Die Berichterstattung vor allem während der ersten Tage des Olympischen Wettstreits in manchen Boulevard-Presseorganen war von einer blanken Rücksichtslosigkeit geprägt. Zuerst wurden die Medaillen-Erwartungen unsinnig hochgeschraubt. Manche Frauen und Männer wurden schon im Voraus zu Siegern stilisiert. Nationalistische Töne fehlten nicht. Als dann der Medaillen-Segen ausblieb, gab es im Blick auf einzelne enttäuschende Ergebnisse einen regelrechten Vernichtungsfeldzug gegen manche Athleten. Sie erschienen nur als Versager, die an keiner Stelle irgendeine Gnade verdienten. Es war unerträglich, gerade aus der Sicht „Humanität im Sport", wie Menschen heruntergemacht worden sind. Ich erspare mir Zitate und Namen im Blick auf die Täter und die Opfer. Dabei bin ich mir durchaus bewusst, dass manche Teilnehmer an den Wettbewerben durch ihr angeberisches Verhalten an den Reaktionen nicht
ganz unbeteiligt sind.

Durch die erwähnten menschenverachtenden Diskriminierungen wird aber sachlich vieles verdunkelt. Es ist nicht zu übersehen, dass sich viele Athleten überaus intensiv auf die Wettkämpfe vorbereitet haben. Die internationale Konkurrenz ist weltweit in vielen Bereichen breiter und qualitativ besser geworden. Schließlich sind aber - und dies gehört mit zur Humanität - das Glück und das Spiel nach wie vor zentrale Elemente im Sport. Es ist nicht zuletzt eine hohe ethische Leistung im Sport, mit solchen widrigen Faktoren und Niederlagen menschlich zurechtzukommen. Es gab eindrucksvolle Statements von Frauen und Männern, die offen und schonungslos die Ursache für das Misslingen dargelegt haben, aber selber am Ende vor einem Rätsel stehen. Es gehört zu einer fairen Berichterstattung im Sport, diese Faktoren sachlich zu vermitteln und die beteiligten Sportlerinnen und Sportler menschlich angemessen zu behandeln, ja auch wesentlich zu schonen und zu verteidigen. Hier gibt es zwischen Sport und Medien gerade im Blick auf die epochalen Großveranstaltungen doch manches zu verhandeln und zu verbessern.

(c) Karl Kardinal Lehmann, Bischof von Mainz

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz