Wenn ich recht informiert bin, dann gibt es, wenigstens in der Tradition der Bundespost und ihrer Vorgänger – mit Ausnahme des Portraits des Bundespräsidenten – keine Briefmarken, die lebende Persönlichkeiten abbilden. Also ist eine Briefmarke auch mit einem amtierenden Papst eine überaus seltene Ausnahme.
Ein Grund dafür ist gewiss die Tatsache, dass es nun fast 500 Jahre sind, dass es wieder einen Papst aus Deutschland gibt (1522/23 Hadrian VI.), wobei man zugleich sagen muss, dass er nach heutigen Begriffen eigentlich aus den Niederlanden stammte. Über das heutige Deutschland hinaus zählten damals auch Kärnten, Elsass, Lothringen, Südtirol und die Niederlande zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Davor gab es sieben deutsche Vorgänger. Drei der sieben deutschen Vorgänger Benedikts XVI. waren übrigens Bayern. Die Erinnerung an Hadrian VI., der in der deutschen Nationalkirche S. Maria dell Anima in Rom begraben ist, hat auch damit zu tun, dass er unmittelbar nach dem Ausruf der Reformation Martin Luthers sich besonders eindrucksvoll bemühte, die Einheit des Glaubens zu bewahren.
Wenn nun fast 500 Jahre danach ein Kirchenmann und Theologe aus Deutschland zum Nachfolger Petri gewählt worden ist, so war dies heute genau vor zwei Jahren, als die Wahl stattfand, auch ein überaus wichtiges Ereignis für unser Land: Am Anfang des Konklaves, das ja eines der kürzesten in der Geschichte der Kirche war, konnten sich nicht viele vorstellen, dass ein Deutscher zu diesem hohen Amt erwählt werden könnte. Schließlich fehlten nur wenige Tage bis zur 60. Wiederkehr der Kapitulation Deutschlands am Ende des Zweiten Weltkriegs. Bei allen Änderungen und Versöhnungsbemühungen waren wir doch noch durch die beiden Weltkriege, den Nationalsozialismus und den Holocaust gebranntmarkte Kinder. Nun aber schien es, dass die überraschende Wahl Joseph Ratzingers gleichsam so etwas wie eine Art Endpunkt in der Wiederaufnahme Deutschlands unter die Völker der Welt bedeutete.
Ein Papst gehört nicht einer Nation. Manche hatten dies vergessen. Kardinal Ratzinger war bei seiner Wahl schon 24 Jahre ein Mann der Weltkirche. So hatte er eben auch – viel gelesen, viel gereist und in aller Welt hoch anerkannt – schon einen sehr hohen Grad an Bekanntheit. Dies hat sich bis zum heutigen Tag ganz außerordentlich gesteigert. Man konnte es in diesen Tagen in Rom spüren. Dennoch hat Benedikt XVI. sich mit ungewöhnlicher Sensibilität und Geschicklichkeit zu seiner Heimat bekannt. Dies galt z.B. auch für die schwierige Herausforderung, als der Papst am 28. Mai 2006 das Konzentrationslager Auschwitz/Birkenau in Polen besuchte: „An diesem Ort des Grauens, einer Anhäufung von Verbrechen gegen Gott und den Menschen ohne Parallele in der Geschichte, zu sprechen, ist fast unmöglich – ist besonders schwer und bedrückend für einen Christen, einen Papst, der aus Deutschland kommt.“ (Benedikt XVI., „Vergiss dein Geschöpf Mensch nicht!“, Der Papst in Auschwitz, Augsburg 2006, 7)
Die Wähler waren von der Sorge bewegt, ob man nach dem Charisma, das Papst Johannes Paul II. besonders geschenkt war, überhaupt jemand finden könnte, der auf seine Weise, unverkrampft und ungekünstelt, eine einigermaßen vergleichbare Rolle spielen könnte. Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. ist für alle überraschend schnell aus dem Schatten seines großen Vorgängers herausgetreten und hat in relativ sehr kurzer Zeit in der ganzen Welt ein überzeugendes eigenes Gesicht erhalten. Niemand hätte gedacht, dass der eher zurückhaltende Theologe so ungewöhnlich schnell ein Mann und Papst der ganzen Welt würde. Er hat schnell auch die härtesten Zweifler davon überzeugt.
Die Bescheidenheit und Unaufdringlichkeit hat er in seinem Auftreten bewahrt. Er ist aber weder steif noch theatralisch, sondern bekundet durch einfache und noble Gesten seine Offenheit und seine Bereitschaft. Ich denke, dass dies gut in dem Sonderpostwertzeichen, das wir heute vorstellen dürfen, zum Ausdruck kommt. Die universale Bedeutung der christlichen Heilsbotschaft, die Offenheit und Dialogbereitschaft zu allen hin, die Sorge um die Nöte der Menschen und die Einladung zu Glauben, Hoffnung und Liebe an alle gehörten von Anfang an zu seiner Theologie und so auch erst recht zu seinem priesterlichen und bischöflichen Dienst. Dies hat er als kostbares Vermächtnis in seinen heutigen Auftrag mitübernommen. So fasst die Briefmarke auf eindrückliche Weise die Mitte und Substanz des heute zweijährigen Wirkens von Papst Benedikt XVI. zusammen und macht dies überzeugend anschaulich.
Ein Papst auf einer Briefmarke reist buchstäblich mit der Post in die ganze Welt. Insofern ist die Briefmarke auch ein tiefes Symbol für seine weltweite Sendung. Die Briefmarke bekundet aber auch als ein öffentlich-amtliches Zeichen die sichtbare und gesellschaftlich greifbare Bedeutung von Religion und christlichem Glauben, ganz besonders der katholischen Kirche mit dem 264. Nachfolger des Heiligen Petri. Darum schaut der Papst auf der Marke auch offen, ermutigend und menschenfreundlich in die ganze Welt hinein.
Zu dieser Offenheit und Freundlichkeit gehört die Bereitschaft, mit allen Menschen guten Willens in ein gemeinsames Gespräch und zu einem Handeln zu kommen, das den Frieden in der Welt stärkt. Darum hat Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. vom Anfang seines theologischen und kirchlichen Wirkens den Wiedergewinn der verlorenen Einheit unter den Christen und den aufrichtigen Dialog mit den Weltreligionen im Sinn.
Vor zwei Jahren hat er sich überraschend, aber sofort mit fester Stimme, den Namen Benedikt gegeben. Er nannte als Gestalten im Hintergrund den Gründer des Benediktinerordens, Benedikt von Nursia, Patron Europas, aber auch die Kontinuität zu seinem Namensvorgänger Benedikt XV., der sich im Ersten Weltkrieg um den Frieden bemühte. Schließlich hat er darauf hingewiesen, dass „Benedikt/benedictus“ wörtlich „der Gesegnete“ heißt, über den Gott Schutz und Zuwendung verheißt. Der Name erinnert an Abraham und soll der ganzen Menschheit gegen den Fluch und die Sünde Segen schenken.
Der Papst hat sich selbst, aber ganz besonders der ganzen Welt, d.h. allen Suchenden, in diesen Tagen zum 80. Geburtstag ein großes Geschenk gemacht, nämlich das Buch „Jesus von Nazareth“ (Erster Teil: Von der Taufe im Jordan bis zur Verklärung, Freiburg i. Br. 2007, 447 Seiten). Gegenüber aller Geschäftigkeit in Kirche und Welt, die uns bei aller praktischen Notwendigkeit manchmal auch von dem Einen Notwendigen (vgl. Lk 10,42) abzieht, weist der weltbekannte Theologe und Nachfolger Petri mit diesem Buch von sich weg und möchte nur Zeuge sein für die konkrete Gestalt des Jesus von Nazareth mit seiner Frohbotschaft für die ganze Welt.
So wünschen wir bei der öffentlichen Vorstellung dieses Sonderpostwertzeichens Papst Benedikt XVI. am heutigen Tag, dem zweiten Jahrestag seiner Wahl, Gottes reichen Segen für Leib und Seele sowie die Fülle der Gaben des Heiligen Geistes für seinen Dienst der Weisung und Orientierung in den Nöten unserer Zeit, besonders aber auch für die Führung der Kirche.
Ihnen, Herr Bundesminister Peer Steinbrück sowie Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, besonders aber auch der entwerfenden Münchner Grafikerin Antonia Graschberger danken wir für die Schaffung des Sonderpostwertzeichens und hoffen, dass die Briefmarke eine gute Aufnahme findet. Dabei darf ich schließlich noch erwähnen, dass auch die Republik Österreich eine Sonderbriefmarke zum 80. Geburtstag von Papst Benedikt XVI. herausgegeben hat – ein schönes gemeinsames Zeichen von den beiden Ländern deutscher Zunge.
Ich danke Ihnen allen für Ihr Kommen und dem Herrn Apostolischen Nuntius, Erzbischof Dr. Erwin Josef Ender, für die Gastfreundschaft.
(c) Karl Kardinal Lehmann
Es gilt das gesprochene Wort
von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz
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