veranstaltet von der Kommission für Erziehung und Schule
sowie der Kommission für Fragen der Wissenschaft und Kultur
der Deutschen Bischofskonferenz, Frankfurt St. Georgen
Der schulische Religionsunterricht gehört in unserem Land zu den wesentlichen Voraussetzungen und zugleich Instrumentarien der Weitergabe des Glaubens. Darum haben auch die deutschen Bischöfe immer wieder Erklärungen und Rahmenrichtlinien veröffentlicht, um zugleich jeweils die gesellschaftlichen Wandlungen, die politischen Tendenzen und nicht zuletzt auch die pädagogischen Trends in die Reflexion einzubeziehen. In der Erklärung "Die bildende Kraft des Religionsunterrichts", Erklärung vom 27. September 1996, wurden dafür besonders die Fundamente neu gelegt (vgl. den Text in der Reihe "Die deutschen Bischöfe" 56, dort im "Anhang" das Verzeichnis der übrigen Erklärungen, S. 87). Dabei standen die bildende Kraft des schulischen Religionsunterrichtes und die kirchlich-konfessionelle Ausprägung im Vordergrund. Bei einem Symposion im Bonner Wasserwerk haben wir am 7. Oktober 1997 die gesellschaftliche Bedeutung des Religionsunterrichtes gemeinsam mit Politikern und Fachleuten diskutiert. "Für uns heute, die wir die Bildung ganzheitlich konzipieren, gehört Religion in die Schule. Da der demokratische Staat aber die letzten Dinge nicht in eigene Regie nehmen kann, kooperiert er mit den Kirchen, die für die Inhalte des Religionsunterrichts verantwortlich sind. Der Religionsunterricht der Zukunft wird ein authentischer, konfessionell-profilierter Unterricht sein. Dieser Unterricht, der zur freien Entscheidung und der Herausbildung eines eigenen Standpunktes befähigen will, ermöglicht damit auch die echte Toleranz. Denn nur, wer selber einen Standpunkt hat, wird einen anderen Menschen verstehen können, der ebenfalls eine Überzeugung hat, wenn auch eine andere." (Vorwort zu: Religionsunterricht in der offenen Gesellschaft. Ein Symposion im Bonner Wasserwerk, hrsg. von K. Lehmann, Stuttgart 1998, S. 7 f) In der pluralistischen Gesellschaft gilt dies erst recht. Unter den Voraussetzungen von Religionsfreiheit und Diskursfähigkeit, die stets Intoleranz und fundamentalistische Verhaltensweisen abwehren, gehört ein entschiedener geistig-spiritueller Standort zu den Überlebensbedingungen, damit man in der vielstimmigen, offenen Gesellschaft überhaupt mit einer eigenen Stimme vernommen und identifiziert werden kann. Dazu soll die recht verstandene Konfessionalität, die ökumenische Offenheit voraussetzt und mit sich bringt, wesentlich beitragen (vgl. das Forum über Kirche und Ökumene im Religionsunterricht in Frankfurt/St. Georgen am 26.2.1997).
In den Grundsatzdokumenten und den dazugehörigen Veranstaltungen haben wir viele fundamentale Themen und Strukturen der eben beschriebenen Art angesprochen. Über das engere Fachthema des Religionsunterrichts hinaus habe ich in diesem Zusammenhang auch auf europäischer Ebene sowie innerhalb und außerhalb der Universitäten "Religion und Glaube als Privatsache und als öffentliche Angelegenheit" behandelt. Ähnliches gilt für das Verhältnis von Religionsfreiheit und konfessionell gebundenem Religionsunterricht.
In diesem Zusammenhang ist es nun aber notwendig, über die allgemeinen Grundsatzreflexionen hinaus einzelne Brennpunkte im Gesamtthema eigens herauszugreifen, wie dies in den angezeigten Erklärungen und Rahmenrichtlinien immer wieder geschehen ist. Ich denke z.B. an das Berufsbild und das Selbstverständnis, an die Kirchlichen Anforderungen und an die Spiritualität des Religionslehrers. In diesem Sinne wurde der Religionslehrer im Zusammenhang der drei Bestimmungsfaktoren "Lehrer, Lehre, Schüler" auch in der Erklärung "Die bildende Kraft desReligionsunterrichts" behandelt (vgl. 5.3, S. 50 ff, 77, 81 ff). Unter den damit gegebenen Problemen stellt die Ausbildung der Religionslehrer ein Thema dar, das nun im Zusammenhang und in der Abfolge unserer Bemühungen eine intensivere Zuwendung verlangt. Dies ergibt sich aus der inneren Dynamik unserer Bemühungen spätestens seit dem Jahr 1996.
Dabei gibt es zwei wichtige Begleitstudien, die uns gute Impulse und Anstöße geben, um die eigene Position noch überzeugender formulieren zu können, wie dies bereits im Blick auf die Grundsatzfragen mit der Denkschrift mit der Evangelischen Kirche in Deutschland "Identität und Verständigung" (1994) bereits geschehen ist. Es handelt sich dabei um eine in der allgemeinen Diskussion zu wenig diskutierte Studie "Im Dialog über Glauben und Leben. Zur Reform des Lehramtsstudiums Evangelische Theologie/Religionspädagogik", Gütersloh 1997. Der Text enthält "Empfehlungen" einer gemischten Kommission, die sich als Studienreformkommission aus Vertreterinnen und Vertretern der Landeskirchen und des Evangelisch-Theologischen Fakultätentages zusammensetzt. In den Jahren 1970 und 1980 sind ähnliche Empfehlungen veröffentlicht worden. Die 1993 neu in Auftrag gegebene Studie, die der Rat der EKD im Dezember 1996 angenommen hat, berücksichtigt die veränderten Rahmenbedingungen (vgl. die Studie, S.14). Diese Veröffentlichung trifft sich gut mit den Ergebnissen einer von der Kultusministerkonferenz unseres Landes eingesetzten gemischten Kommission mit dem Thema "Lehrerbildung", die im vergangenen Jahr ihre Arbeit abgeschlossen hat und nun unter dem Titel "Perspektiven der Lehrerbildung in Deutschland" den umfangreicheren Abschlussbericht veröffentlicht hat (Weinheim/Basel 2000). In diesen Kontext sollten wir uns versetzen, wenn wir nun die eigenen Bemühungen intensivieren.
Seit mehreren Jahren werden die Fragen und Zweifel immer lauter artikuliert, ob Bildung und Ausbildung, ihre Inhalte und Methoden und nicht zuletzt auch die institutionelle Ausgestaltung von Schule und Hochschule noch den aktuellen und zukünftigen Anforderungen einer Gesellschaft entsprechen, die sich in einem rasanten Wandel befindet, dessen Ausmaß und Folgen darüber hinaus kontrovers beurteilt werden. Nachdem die öffentliche Diskussion um Bildungs- und Schulpolitik in den 80er Jahren fast völlig verstummt war, erlebt sie seit Mitte der 90er Jahre eine Renaissance. Löste die Bildungsreform der 60er und 70er Jahre mit der Zielperspektive "Chancengleichheit" heftige Debatten um die Öffnung und den Ausbau des Schul- und Hochschulsystems, die Gesamtschule und die Emanzipation als oberstes Bildungsziel aus, so orientiert sich die gegenwärtige Diskussion vorwiegend am Leitbegriff der "Qualitätssicherung". Die Qualität von Bildung und Ausbildung auch im internationalen Vergleich zu sichern und zu steigern, ist die weitgehend unumstrittene Maxime der aktuellen Bildungspolitik. Allerdings kann man gelegentlich den Eindruck gewinnen, dass Qualität rein ökonomisch und Bildung als Befähigung zu internationaler Wettbewerbsfähigkeit verstanden wird. Dieses Missverständnis muss jedenfalls dann aufkommen, wenn die Diskussion ausschließlich die mathematisch-naturwissenschaftliche Ausbildung und das in standardisierten Testverfahren evaluierbare Wissen im Blick hat. Die Bildungsdebatte, die Bundespräsident Prof. Dr. R. Herzog angestoßen bzw. verstärkt hatte, konnte nach meiner Einschätzung bisher diese Einschränkungen im Bildungsverständnis nicht genügend aufheben. Verengungen und Unverständnis zeigen sich immer wieder auch z.B. bei Äußerungen von Politikern über die Überflüssigkeit von Religionsunterricht und Sport in den Berufsschulen.
In diesem Zusammenhang wird auch über die Bildung und Ausbildung der Lehrer neu nachgedacht. Unzweifelhaft hat sich die Rolle des Lehrers in den letzten 20 Jahren deutlich verändert. Lehrerinnen und Lehrer sehen sich oft neuen Herausforderungen und Fragen gegenüber, auf die Studium und Referendariat sie nur unzureichend oder gar nicht vorbereitet haben. Religionslehrer bilden hier keine Ausnahme. Für viele Schüler sind sie die einzigen kompetenten Gesprächspartner in Glaubens- und Lebensfragen. Zurecht wird deshalb von ihnen verlangt, dass sie intellektuell und menschlich überzeugende Antworten zu geben wissen.
Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, benötigen sie eine fachlich und pädagogisch fundierte Ausbildung, die es ihnen ermöglicht, auch in unvorhergesehenen Situationen flexibel zu agieren. Die Lehrerausbildung muss deshalb Grundwissen und Grundfertigkeiten vermitteln, die die Handlungskompetenz des Lehrers langfristig stärken.
Auch wenn sich das Modell der zweiphasigen Lehrerausbildung insgesamt bewährt hat, werden doch Reformen, die die einzelnen Phasen und ihre Verzahnung betreffen, nachdrücklich gefordert. Beispielhaft kommt dies in den beiden genannten Studien zum Ausdruck, die wegen ihrer repräsentativen und exemplarischen Stellung etwas ausführlicher vorgestellt werden sollen.
In Bezug auf die universitäre Phase der Lehrerausbildung konstatiert der Abschlußbericht der Gemischten Kommission der Kultusministerkonferenz (=KMK), dass das Studium "durch eine stark zersplitterte Struktur gekennzeichnet ist. Die Beziehungen zwischen den einzelnen Studienelementen und Inhalten sind unklar und werden den Studenten nicht deutlich, und der Bezug der Studieninhalte und Elemente zum späteren Berufsfeld ist ebenfalls unklar und vielfach nicht unmittelbar zu erkennen." (Perspektiven der Lehrerbildung in Deutschland, S. 85) Der Bericht kritisiert vor allem, dass viele Fächer "ihre Angebote für die Lehrerausbildung als bloße Serviceleistungen für etwas außerhalb ihres eigentlichen Aufgabenbereiches liegendes (betrachten). Dies ist nicht nur unter inhaltlich-systematischen Gesichtspunkten problematisch: Vielfach wird dabei verkannt, dass im Kontext von Kapazitätsberechnungen ganze Fächer und Fakultäten überhaupt nur existieren, weil sie an der Lehrerausbildung beteiligt sind." (ebd., S. 84f) Entsprechend lautet die zentraleForderung der Kommission: "Der inhaltliche Bezug der Studienelemente untereinander sowie insgesamt die Bezugnahme des Studiums auf das spätere Berufsfeld müssen deutlich verstärkt werden." (ebd., S.83) Ausdrücklich wird festgestellt, dass "der Lehrer im Blick auf den Schulunterricht die gesamte Breite seines Faches bzw. seiner Fächer beherrschen (müsse)" (ebd., S.99) und nicht nur über Spezialwissen auf einigen Gebieten verfügen dürfe. Der Abschlussbericht betont also einerseits die Bedeutung der Fachwissenschaft für die Lehrerausbildung, andererseits fordert die gemischte Kommission die stärkere Ausrichtung des Fachstudiums auf die spätere Berufspraxis und möchte die pädagogisch-didaktische Kompetenz stärken.
Die Empfehlungen der gemischten Kommission der EKD zur Reform des Lehramtsstudiums Evangelische Religionslehre/Religionspädagogik haben die Forderungen des KMK-Papiers in vielem vorweggenommen. Die Kommission der EKD fordert nicht nur allgemein eine stärkere Orientierung des Studiums am späteren Berufsfeld, sondern konkreter eine "Elementartheologie für Studienanfänger" (Im Dialog über Glauben und Leben, S.65). Die zentrale Passage lautet: "Trotz und gerade wegen der Zersplitterung der wissenschaftlichen Forschung ist es für die Studierenden notwendig, den Fokus theologischer Arbeit zu entdecken und von ihm her grundlegende Texte und Sachverhalte der Theologie zu erschließen. Deshalb bildet die im Mittelpunkt der biblischen Texte stehende Frage nach Gott den Bezugspunkt des Lehramtsstudiums, an den sich alle übrigen Bereiche konzentrisch anlagern." (ebd., S.67) Schließlich wird die spirituelle Dimension ausdrücklich hervorgehoben: "Aufgabe eines berufsbezogenen Studiums muss es sein, Raum, Zeit und Gelegenheiten zu schaffen, in denen das Verhältnis von theologischer Sache und Person, Glauben und Leben, Denken und Praxis im Zusammenhang der individuellen Biographien der Studierenden geklärt und erweitert werden kann." (ebd., S. 73f). Offenbar sind die Empfehlungen der EKD bislang von den Evangelisch-Theologischen Fakultäten kaum rezipiert oder gar umgesetzt worden.
Es gehört zu den historischen Spezifika des Theologiestudiums, dass es in Aufbau und Inhalt noch bis in die 60er Jahre an der Ausbildung der Priesteramtskandidaten orientiert war. Freilich ging es dabei weniger um die Priesterausbildung im engeren Sinne, sondern um das volle akademische Fachstudium der Theologie im Sinne des Diplomstudienganges. Dies war das Maß und der Vollbegriff des Theologiestudiums. Über lange Jahre bestand das Lehramtsstudium darin, eine mehr oder minder exemplarische Auswahl aus dem Angebot des Diplomstudiengangs zu treffen. Ich selbst hatte während meiner akademischen Lehrtätigkeit von 1968 bis 1983 stets ein schlechtes Gewissen, weil wir den durch andere Studiengänge ohnehin belasteten Lehramtsstudierenden einen im Grunde zufälligen Ausschnitt aus dem Gesamtkuchen des theologischen Vollstudiums anboten. Man musste von Anfang an damit rechnen, dass die Wahrnehmung des theologischen Studiums bei den Lehramtskandidaten relativ zusammenhanglos, lückenhaft und recht fragmentarisch war. Mindestens gilt dies für viele Studierende. Nicht wenige kamen so auch nicht zu einer wirklichen Freude am Studium, weil sie stets neue Löcher entdeckten.
Natürlich hat man damals durchaus Kenntnis gehabt von diesen Defiziten. Darum erkannten auch die deutschen Bischöfe bereits in den 80er Jahren, wie ungenügend diese Ausbildungssituation war und legten 1982 und 1986 "ein eigenes theologisches Studienprofil für die Lehramtsstudiengänge" vor, das die unterschiedlichen Schulformen bzw. Schulstufen berücksichtigte (vgl. Kirchliche Anforderungen an die Studiengänge für das Lehramt in katholischer Religion, 1986, S.4) und ausdrücklich feststellte, dass "das gesamte Angebot in katholischer Theologie für die Lehramtsstudiengänge einer angemessen didaktischen Ausrichtung (bedürfe)" (ebd., S.13). Leider haben diese Dokumente nicht die gewünschte und notwendige Resonanz gefunden. Obwohl die Lehramtsstudierenden mittlerweile die Mehrheit der Theologiestudierendn stellen, müssen sie sich weiterhin mit einer Auswahl aus den Lehrveranstaltungen des Diplomstudiengangs begnügen. Auf diese Weise laufen sie Gefahr, einzelne Parzellen intensiv zu beackern, ohne das weite Feld der Theologie auch nur in Augenschein genommen zu haben.
Viele Fachleiter beklagen denn auch, dass Lehramtkandidaten oft über bemerkenswerte Spezialkenntnisse in einigen Schwerpunkten verfügen, ohne diese Kenntnisse jedoch in den umfassenderen Kontext der Theologie einbeziehen zu können, weil ihnen ein breiteres theologisches Wissen fehlt. Doch gerade dieses Basiswissen ist, so versichern Fachleiter und Religionslehrer, unabdingbar für die tägliche Praxis des Religionsunterrichts. Aber nicht nur die Fachleiter konstatieren diese Mängel. In den 16 Jahren, in denen ich unzählige Prüfungen in den Lehramtsstudiengängen nicht nur abgenommen, sondern meist auch mit drei weiteren Kollegen und einem Vorsitzenden allen Prüfungen und der Gesamtnotengebung beigewohnt habe (einschließlich der Protokollführung), war ich insgeheim immer wieder erzürnt und erbost über den Prüfungsvorgang. Es wurden oft viel zu spezielle Prüfungsgebiete vereinbart, die spezialistisch in Einzelheiten gingen, die oft völlig unbedeutend waren für den Ausbildungszweck. Dabei fehlten übergreifende Zusammenhänge und damit auch die Möglichkeit, den "Stoff" (ein verräterisches Wort!) angemessen einzuordnen. Ich erinnere mich jetzt noch an eine Prüfung in Religionspädagogik, in der der Kandidat "Jesuitenpädagogik" in der Frühzeit des Ordens gewählt hatte und über die Ausbildungsordnung, die Übernahme von Universitäten durch Jesuiten usw. redete, aber bald darauf stellte sich heraus, dass er kaum Ahnung hatte über Ignatius von Loyola, nach etwas hartnäckigem Nachfragen verpflanzte er ihn in das 14. Jahrhundert. Solche widersinnigen Grotesken habe ich jahrelang erlebt. Ich selbst habe - dies möchte ich jedoch der Klarheit halber festhalten - als Systematiker nie solche Stoffabsprachen mit solchen isolierenden Tendenzen getroffen, die mich im Blick auf die künftigen Aufgaben der Studierenden nicht selten in eine innere Wut brachten. Aus vielen Gründen waren wir nicht in der Lage, von innen heraus und aufgrund eigener Initiative daran etwas zu ändern. Darum waren gerade die Studienreformkommissionen in den Fakultäten trotz erheblicher zeitlicher Belastung am Ende unfruchtbar. Man hat als Einzelkämpfer das Beste versucht, aber im ganzen blieben die Übel bestehen. Sie beschränken sich freilich nicht auf die Theologie oder das Lehramtsstudium, sondern finden sich leider auch im Diplomstudiengang. Nach meiner Erfahrung gibt es ähnliche Tendenzen aber auch in der Oberstufe der Gymnasien. Ich habe nicht selten erfahren, dass man z.B. Unterricht über Bismarck abhält unter Verwendung der neuesten Forschungsliteratur - an der Universität könnte man es nicht viel anders machen -, diesselben Leute haben aber kaum Ahnung von den Ereignissen des Jahres 1870 und 1914. Dieses punktuelle Ausbilden, das sich in Details erschöpft, die sich ohnehin wieder rasch ändern, erfüllt nicht nur den Sinn und Zweck der Ausbildung nicht, sondern ist nach meinem Urteil der Tod jeder Bildung.
Angesichts dieser Situation haben die Forderungen der deutschen Bischöfe von 1986 nichts von ihrer Aktualität verloren, sondern an Dringlichkeit gewonnen. Es wird in Zukunft notwendig sein, das Lehramtsstudium mehr ins Zentrum der Hochschuldidaktik zu rücken. Gerade im Hinblick auf die spätere Berufspraxis ist eine Elementarisierung und Essentialisierung des Theologiestudiums unabdingbar. Lehramtsstudenten benötigen eine theologische Grundausbildung, die ihnen das ganze Feld der Theologie erschließt und ihnen Basiskenntnisse vor allem in biblischer und systematischer Theologie, sowie in Philosophie vermittelt. Nur so werden die Studierenden befähigt, das in exemplarischen, vertieften Studien gewonnene Wissen in seiner Verknüpfung mit dem Ganzen der Theologie und damit in seinem Stellenwert zu erkennen oder durch selbständige Lektüre erworbene Kenntnisse sachgerecht zu beurteilen.
Nun wäre es eine Verkürzung des Problems, wollte man es nur als ein solches der Studienorganisation betrachten. Das Unbehagen an der theologischen Ausbildung nicht nur der zukünftigen Religionslehrer ist vielmehr Teil der, wie Karl Rahner es nannte, "gnoseologisch konkupiszenten Situation des einzelnen Christen und Theologen und des theologischen Bewusstseins der Kirche" (Der Pluralismus in der Theologie und die Einheit des Bekenntnisses in der Kirche, Schriften IX, 11-33, hier 21). Mit dieser ungewöhnlichen Wortkombination bezeichnete er den schlichten Sachverhalt, dass beim gegebenen Spezialisierungsprozess wissenschaftlicher Arbeit der Einzelne oder eine Institution gar nicht mehr die Fülle des explosionsartig zunehmenden Wissens aufnehmen und verarbeiten könne, und dies gelte auch bezogen auf die Theologie. Denn der nicht mehr überholbare Pluralismus von Theologien könne "vom einzelnen und von einzelnen Gruppen nicht mehr adäquat in eine einzige Theologie hinein integriert werden." (Reflexionen zur Problematik einer Kurzformel des Glaubens, Schriften IX, 242-256, hier 246). Es ist darum verständlich, wenn der einzelne Theologe sich auf seine Disziplin und sein Spezialgebiet konzentriert und berechtigte Skrupel hat, die Grenzen seines Faches zu überschreiten. Auf diese Weise werden allerdings all jene bitter enttäuscht, die in der Schule oder der Gemeinde die Ergebnisse ihres theologischen Studiums vermitteln wollen. Denn sie sind tagtäglich gezwungen, von den Orten praktischer Glaubensvermittlung her jenes Ganze der Theologie in den Blick zu nehmen, dass auszusagen sich die akademische Theologie nicht mehr zutraut. Von der Hilflosigkeit, die Bedeutung theologischer Fragen und Gehalte für Nichttheologen verständlich zu machen, zur generellen Abwertung akademischer Theologie als pastoral nutzlos ist es dann oft nur ein kleiner, subjektiv durchaus verständlicher Schritt. Die Folgen wären jedoch fatal und von niemandem ernsthaft zu wünschen, nämlich eine theologisch blinde Pastoral und eine allen pastoralen und katechetischen Herausforderungen enthobene Theologie.
Bekanntlich begnügte sich Rahner nicht damit, die Paradoxie zwischen einer wissenschaftlich unmöglichen Synthese allen Wissens und der pastoralen und religionspädagogischen Notwendigkeit, das Ganze des Glaubens in unterschiedlichen Kontexten bezeugen zu müssen, einfach zu konstatieren. Wenn das Ganze der Theologie nicht mehr in einer synthetisierenden Gesamtschau, einer Enzyklopädie, integriert werden kann, so die Überlegungen Rahners, kann und muss es doch in der Konzentration auf das Wesentliche ausgesagt werden. Genau diesem Ziel dienten Rahners jahrelange Überlegungen zu dem vom II. Vatikanum angeregten theologischen Grundkurs.
Es ist im Zusammenhang der Religionslehrerausbildung nicht unerheblich, darauf hinzuweisen, dass Rahner die Notwendigkeit des Grundkurses in der theologischen Ausbildung mit ähnlichen Argumenten begründete wie die Forderung nach Kurzformeln des christlichen Glaubens in der Verkündigung. In beiden Fällen geht es darum, das Ganze des Glaubens jenseits von Spezialwissen situations- und adressatenadäquat zur Sprache zu bringen. Man kann hier durchaus von einer Affinität zwischen der systematischen Theologie und der Religionspädagogik sprechen, denn Vermittlung und Korrelation sind nicht nur religionspädagogische Themen und Prinzipien. Die Theologie als Ganze ist vielmehr als Vermittlungsgeschehen zu verstehen.(Zum gesamten Thema vgl. K. Rahner, Grundkurs des Glaubens. Studien zum Begriff des Christentums, bearbeitet von N. Schwerdtfeger und A. Raffelt = Sämtliche Werke 26, Freiburg 1999)
An dieser Stelle sehe ich im "Grundkurs" eine Möglichkeit, für ein künftiges Ausbildungsprogramm eine Hilfe zu leisten. Ich möchte hier nicht alles wiederholen, was ich vor einigen Jahren im Zusammenhang einer längeren Konsultation zum Thema "Grundkurs" gesagt habe, wobei ich auch meine eigenen Erfahrungen mit einem Grundkurs einzubringen versuchte (vgl. K. Lehmann, Intentionen bei Einführung des Theologischen Grundkurses. Referat bei der Studientagung "20 Jahre Theologischer Grundkurs. Bilanz und Perspektiven" am 25. Nov. 1994 in Mainz; zugleich verweise ich auf meine Arbeiten zu den "Kurzformeln des christlichen Glaubens" und ähnlichen Themen).
Selbst wenn Rahner den theologischen Grundkurs ausdrücklich auch für zukünftige Religionslehrer empfiehlt (Über die theoretische Ausbildung künftiger Priester heute, Schriften VI, 139-167, hier 166), so wäre es doch unredlich zu behaupten, Rahner habe schon jene Lösung des Problems, nämlich der Religionslehrerausbildung, erarbeitet, die wir heute nur noch wieder zu entdecken oder bestenfalls zu aktualisieren hätten. Sein 1976 vorgelegter Grundkurs des Glaubens ist vielleicht zu sehr von bestimmten Voraussetzungen seiner philosophischen Grundposition bestimmt und stellt insofern eine Engführung seiner ursprünglich viel weiter gefassten Konzeption dar. Allerdings können die Überlegungen Rahners für die Behandlung des Themas wichtige Einsichten vermitteln und eine Richtung weisen, in der vielleicht eine Lösung zu finden ist.
Diese Fragen sind nicht neu. Sie lagen und liegen der Konzeption destheologischen Grundkurses zugrunde, wie ihn das II. Vatikanum angeregt hat. Der theologische Grundkurs für die Priesteramtskandidaten und Diplomanten bietet auch für die Religionslehrerbildung einen guten Orientierungspunkt. Denn der theologische Grundkurs ist schon seit langem der Ort, an dem das Ganze der Theologie aus der Perspektive verschiedener Einzeldisziplinen den Studierenden vermittelt werden soll, und zwar so, dass den Studierenden deutlich wird, dass und wie die verschiedenen Disziplinen auf die Frage nach dem Gott Jesu bezogen sind. Hier ist an den Fakultäten schon eine Praxis interdiziplinärer Kooperation entstanden, die für die Entwicklung eines Kerncurriculums für die Lehramtsstudiengänge fruchtbar gemacht werden könnte.
Diese Einführung in den Glauben und dessen theologische Reflexion soll nach der Rahmenordnung für die Priesterausbildung vom 01. Dezember 1988 ausdrücklich "in ihrem Zusammenhang mit der Seelsorge" erfolgen. Könnte hier nicht von Anfang an das Berufsfeld Religionsunterricht stärker akzentuiert und mit seinen Fragen thematisiert werden? Oder wäre es sinnvoller, parallel oder ergänzend zum Grundkurs für die Diplomanten einen eigenen, auf die spezifischen Bedürfnisse der Lehramtsstudierenden zugeschnittenen Grundkurs zu entwickeln und anzubieten? Ein solcher Grundkurs sollte jedenfalls zweierlei leisten. Er sollte zum einen den Lehramtsstudierenden ein Basiswissen vor allem in biblischer und systematischer Theologie vermitteln und ihnen zum anderen helfen, eine theologische Denkstruktur zu entwickeln, die es ihnen ermöglicht, das Wissen der Einzeldisziplinen in einem umfassenderen Kontext zu verorten. Beide Forderungen werden m.E. zurecht auch von der gemischten Kommission Lehrerbildung erhoben. Bei der Konzeption und Organisation dieser Studienanteile könnten die Religionspädagogen federführend sein.
Notwendig ist ferner eine stärkere Verzahnung von erster und zweiter Ausbildungsphase, von Theologiestudium und Referendariat. Diese Verzahnung ist wohl nicht nur durch die gewiss wünschenswerte Ausweitung schulpraktischer Studienanteile oder eine stärkere Akzentuierung der Fachdidaktik zu erreichen. Erforderlich ist vielmehr eine deutlichere Orientierung der Studieninhalte an jene Inhalte und Themen, die in den Lehrplänen der verschiedenen Schulformen bzw. Schulstufen als obligatorisch ausgewiesen sind. Dazu gehören auch Einführungen in die Weltreligionen und in die Theologie der Religionen. Ein erster Schritt, um die Verzahnung der beiden Ausbildungsabschnitte zu verbessern, könnten regelmäßige Gespräche zwischen Theologieprofessoren, Fachleitern bzw. Seminarlehrern und den zuständigen kirchlichen Stellen sein. Auf der Grundlage jener Erkenntnisse, die aus diesem Gesprächsprozess resultieren, könnte schließlich in einem zweiten Schritt das hier anvisierte Kerncurriculum für die Lehramtsstudiengänge erstellt werden.
Um Missverständnisse zu vermeiden: Weder soll auf dem Weg einer notwendigen Studienreform die Freiheit der Lehre und Forschung eingeschränkt, noch soll einem reinen Anwendungsbezug oder gar einer Absenkung des fachwissenschaftlichen Niveaus das Wort geredet werden. Im Gegenteil, in einer Zeit rasanten Wandelns wäre nichts törichter als die ausschließliche Orientierung an oft kurzfristigen Verwertungsinteressen. Der Religionslehrer benötigt vielmehr eine breite theologische Grundausbildung auf hohem fachwissenschaftlichen Niveau, die es ihm ermöglicht, das vielgestaltige Unterrichtsmaterial zu beurteilen, aus der Vielzahl der Fortbildungsangebote das für ihn Notwendige und Sinnvolle auszuwählen und vor allem seinen Schülern und Kollegen als kompetenter Gesprächspartner in Glaubensfragen zu begegnen.
Lehrerbildung ist nicht nur eine Herausforderung der Theologie; sie ist auch eine große Chance, und zwar in zweifacher Hinsicht. Zum einen bringen Lehramtsstudierende aus ihren jeweiligen Zweitfächern, aber auch aus ihren schulpraktischen Erfahrungen Einsichten und Fragen in die Seminardiskussion ein, die die theologische Arbeit befruchten können. Zum anderen werden die theologischen Fakultäten durch die Lehrerausbildung stärker in der öffentlichen Universität verankert. Der Religionsunterricht und die Religionslehrerbildung tragen gerade in Zeiten knapper Gelder zur Sicherung der theologischen Fakultäten und damit auch der theologischen Forschung wesentlich bei. Eine qualitativ hochwertige Lehrerausbildung liegt deshalb im ureigenen Interesse der Theologie als Wissenschaft, sie ist nicht nur eine Herausforderung an die Theologie, sondern auch eine Forderung der Theologie.
Die Veranstalter der heutigen Fachtagung sprechen, wie die gemischte Kommission der KMK, von Lehrerbildung. Sie wollen betonen, dass Lehrerbildung mehr als Ausbildung meint. Der Abschlußbericht der gemischten Kommission unterstreicht zurecht die Bedeutung einer kontinuierlichen, berufsbegleitenden Lehrerfortbildung. Auch zum Berufsbild des Religionslehrers gehört es zweifellos, dass sich die Auseinandersetzung mit theologischen Fragen nicht nur auf die Zeit der Ausbildung beschränkt. Sie ist vielmehr eine lebenslange Aufgabe und unverzichtbarer Teil der Berufsbiographie.
Der Begriff Lehrerbildung erlaubt in Bezug auf die Religionslehrerbildung auf die gelegentlich unterschätzte und unterentwickelte spirituelle Dimension einzugehen. Es gehört zu den Spezifika der Tätigkeit des Religionslehrers, dass seine Handlungskompetenz nicht nur auf einer soliden fachwissenschaftlichen und einer pädagogisch-didaktischen Ausbildung beruht, sondern auch auf der Entwicklung eigener Spiritualität. Denn "für den Religionslehrer sind (...) Religiosität und Glaube nicht nur ein Gegenstand, sondern auch ein Standort" (Der Religionsunterricht in der Schule, 2.8.2). Der Religionslehrer ist aufgerufen, theologisches Fragen und berufliches Handeln auch als Vollzug des eigenen Glaubens zu verstehen. Oft wird übersehen, dass die Tätigkeit des Religionslehrers ein Charisma im paulinischen Sinne (1 Kor 12) ist, eine Gabe im Dienst der Menschen und zum Aufbau der Kirche. Diese Gabe aber bedarf wie alle Gaben der Pflege und Entwicklung.
Die Theologieprofessoren sind zweifellos überfordert, wenn sie auch die spirituelle Begleitung ihrer Studenten übernehmen sollen. In der Tat sind hier die Mentorate gefordert, die der materiellen und ideellen Unterstützung durch die Bistumsleitungen bedürfen. Allerdings ist m.E. die spirituelle Entwicklung der zukünftigen Religionslehrer nicht einfach an die Mentorate zu delegieren, denn das Studium der Theologie soll nicht nur Wissen und Methoden vermitteln. Die Studenten erwarten vom Studium zurecht, dass es ihnen hilft, für sich persönlich tragfähige Antworten auf Fragen des Glaubens zu finden. Und diese Erwartung ist nicht nur privat motiviert, sie steht vielmehr in einem direkten Bezug zur späteren Berufspraxis, in der der Religionslehrer nicht nur als theologischer und religionspädagogischer Fachmann gefordert ist. Schüler und Kollegen wollen wissen, wie er es denn persönlich mit dem hält, was er lehrt. In kirchlicher Sprache ausgedrückt: Er ist als Zeuge gefragt. Und diese Zeugenschaft wird in dem Maße bedeutsamer, wie die sozialen Stützen christlicher Religiosität wegbrechen und der Kirche als Institution mit Ablehnung oder wohlwollender Indifferenz begegnet wird. Die Glaubensvermittlung wird zunehmend personal. Deshalb ist es notwendig, dass Studierende als Subjekte der theologischen Bildung ernstgenommen werden und die akademischen Lehrer der Theologie auch ihre eigene Subjektivität und Spiritualität nicht hinter einer falsch verstandenen wissenschaftlichen Objektivität verstecken. Hier geht es wesentlich um Zeugnis und Zeugenschaft.
Meine Damen und Herren, dieses Referat sollte eine Einladung sein, sich den Problemen der Lehrerbildung stärker zuzuwenden. Sie dürfen gewiss sein, dass die Deutsche Bischofskonferenz an diesem Thema höchstes Interesse hat und behalten wird.
Copyright: Bischof Karl Lehmann, Mainz
von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz
Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz