Mehr Augenmaß

Zur Diskussion um die Kriterien für einen Papst-Nachfolger

Datum:
Montag, 11. April 2005

Zur Diskussion um die Kriterien für einen Papst-Nachfolger

Gastkommentar für die Kirchenzeitung "Glaube und Leben" - Ausgabe April 2005

Die Kirche und in ihr die Menschen aus vielen Ländern der Erde haben den Medien sehr zu danken, dass sie uns die letzten Schritte auf dem Lebensweg von Papst Johannes Paul II. so eindrucksvoll mitgehen ließen. Es besteht auch Anlass dafür zu danken, dass dies in so vielen Fällen mit hohem Respekt und mit großer Sensibilität geschehen ist. Dies ist keineswegs selbstverständlich. Ich sage nochmals: Danke!

Dies war auch das Echo, das diesem Papst gleichsam in einer freundlichen Rückantwort zuteil geworden ist, der ein Vierteljahrhundert lang sich stets offen den Medien aller Arten gezeigt hat. Es ist auch ein Lohn vieler Medienschaffenden gewesen für das Engagement des Papstes für möglichst große Transparenz in einer weltweiten Öffentlichkeit.

Natürlich gerät auch die beste Sache der Welt, wenn sie über Tage und Wochen geht, an ein inneres Ende. Man kann nicht endlos wiederholen. Man kommt über gewisse Höhepunkte nicht hinaus. Der Papst hat auch in dieser Hinsicht zur rechten Zeit sein Leben und Wirken beenden dürfen.

Jetzt droht manchmal auch die Gefahr, dass man von der Hochstimmung dieser Tage etwas zurückfällt. Gewiss brauchen wir wieder die Nüchternheit des Alltags. Und so dürfen auch die Fragen nicht fehlen, wie es weitergeht, wo nun auch unerledigte Aufgaben harren und was vielleicht neu einzubringen sein wird. Dabei kann es durchaus auch Fragen mit einem kritischen Unterton geben.

Aber in den letzten Tagen musste man auch manchmal feststellen, dass man beim Versuch eines solchen kritischen Rückgangs recht oberflächlich werden kann. Ärgerlich wurde dies manchmal, wenn gesagt worden ist, man müsse auf solche wunde Punkte zurückkommen, könne aber selbstverständlich jetzt nicht die Sache diskutieren. Oft kamen dann die alten Kalauer aus den vergangenen Jahrzehnten: Stellung der Kirche zur Empfängnisverhütung (oft verkürzt bloß auf die „Pille“), der Ausschluss der Frau von der Priesterweihe, das vatikanische Verbot der Ausstellung eines Beratungsscheins bei der Schwangerenkonfliktberatung, das Verweigern der Abendmahlsgemeinschaft zwischen den Christen, die Maßregelung von Prof. Gotthold Hasenhüttl, Zölibat des Priesters, die Stellung Geschiedener Wiederverheirateter in der Kirche und ihre Zulassung zur Eucharistie. Ich will gar nicht leugnen, dass dies zum Teil noch wirklich aufgearbeitet werden muss. Aber jeder müsste doch eigentlich aus der Diskussion der vergangenen Jahre wissen, dass alle diese Themen nicht nur eine Sache des guten Willens sind. Manchmal meinte man, der verstorbene Papst sei eben in diesen Dingen für ein Entgegenkommen nicht bereit gewesen. Allzu schnell wird man mit den Etiketten „liberal“ oder „konservativ“ beklebt, wie in den Hochzeiten der nachkonziliaren Diskussion.

Danach sollte man wirklich den verstorbenen Papst nicht beurteilen. Er konnte auch auf Grund seines Amtes in vielen Fragen nicht einfach „fortschrittlich“ sein. Und man sollte auch nicht alte Gräben aufreißen, in denen man einen potenziellen Nachfolger nach allzu billigen Schemata taxiert, weder so genannte Favoriten, noch einen wirklich gewählten neuen Papst.

Ich fürchte, dass wir sonst wieder vieles verlieren könnten, was wir in diesen letzten Tagen an Glaubenserfahrung und Gemeinsamkeit gewinnen konnten. Ich möchte recht verstanden sein: Es geht nicht um ein Zudecken von Problemen oder ein Anlegen von Maulkörben, aber die redliche und sachgemäße Bewältigung der genannten Probleme kann nicht wie Salböl vom Mund triefen. Es braucht mehr Disziplin und Strenge, Kompetenz und Augenmaß – wie immer der neue Papst heißt.

© Karl Kardinal Lehmann

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz