Gastkommentar für die Mainzer Kirchenzeitung "Glaube und Leben" im Februar 2007
Eine Gruppe „Intellektueller“ fordert in einem „Manifest“ (mit dem Datum von Epiphanie - Dreikönig 2007) die „offizielle Wiederzulassung der überlieferten lateinischen Messe“. Sie begrüßen, dass Papst Benedikt XVI. die Feier der traditionellen lateinischen Messe wieder allgemein erlauben wolle. Sie sei „ein überragendes Werk der Weltkultur, vergleichbar den Domen und Kathedralen, die für diese Liturgie geschaffen worden seien“. Die Schönheit und Feierlichkeit könnte im Übrigen durch eine Wiederzulassung zu einem starken Anstoß für eine breitere Beschäftigung mit den kulturellen Wurzeln des Abendlandes werden. „Im Zeitalter des geeinten Europa und des weltweiten Austausches“ werden die kulturellen und humanen Kräfte der lateinischen Sprache gepriesen.
Mit Bedacht erfolgt keine Polemik gegen die im Zweiten Vatikanischen Konzil erneuerte Eucharistiefeier. Dies muss gesehen und anerkannt werden. Es besteht auch in der Kirche kein Zweifel über die Schönheit und Feierlichkeit der lateinischen Messe, besonders in der Musik.
Es ist freilich auch wahr, dass diese lateinische Messe im Lauf der Jahrhunderte viele Änderungen erfahren hat, wie man immer noch in dem großartigen Werk von J. A. Jungmann, Missarum sollemnia (2 Bände, 5. Aufl., Freiburg 1962), mit Gewinn nachlesen kann. Dann wird auch evident, warum das Zweite Vatikanische Konzil diese lateinische Messe, die im Lauf der Zeit vielfach verändert war, für unsere Zeit erneuert hat. Der gregorianische Choral, der hier genannt wird, hat im Übrigen viele Wurzeln.
Gott sei Dank, dass es hier keine Polemik gegen die erneuerte Messe gibt. Die Messe in Latein ist ja auch keineswegs abgeschafft. Auch die nachkonziliare erneuerte Messe hat – von Missbräuchen abgesehen – ihre eigene Schönheit und Feierlichkeit. Das Zweite Vatikanische Konzil hat mit sehr bedachten Worten beschlossen, „eine allgemeine Erneuerung der Liturgie sorgfältig in die Wege zu leiten. Denn die Liturgie enthält einen kraft göttlicher Einsetzung unveränderlichen Teil und Teile, die dem Wandel unterworfen sind. Diese Teile können sich im Laufe der Zeit ändern, oder sie müssen es sogar, wenn sich etwas in sie eingeschlichen haben sollte, was der inneren Wesensart der Liturgie weniger entspricht, oder wenn sie sich als weniger geeignet herausgestellt haben. – Bei dieser Erneuerung sollen Texte und Riten so geordnet werden, dass sie das Heilige, dem sie als Zeichen dienen, deutlicher zum Ausdruck bringen, und so, dass das christliche Volk sie möglichst leicht erfassen und in voller, tätiger und gemeinschaftlicher Teilnahme mitfeiern kann.“ (Art. 21 der Liturgiekonstitution)
Die Kirche ist dankbar für die großen Schätze aus Kunst und Kultur. Sie ist aber nicht ausschließlich daran gebunden. Der Geist Gottes hat zu allen Zeiten auch in der Gestaltung der Gottesdienste erweckend und inspirierend gewirkt. Dies darf die Kirche auch für die erneuerte Gestalt der Eucharistiefeier annehmen. Ich bin dankbar, dass dies dank des Einsatzes vor allem von Papst Paul VI. und vielen tüchtigen, angesehenen Liturgiewissenschaftlern, die sehr wohl die Tradition der Kirche kannten, in einer eindrucksvollen Weise gelungen ist. Dass es da und dort Missbräuche, ja auch Willkür, Form- und Würdelosigkeit gibt, kann man nicht bestreiten, aber es ist auch kein Argument gegen die erneuerte Messe.
Dies wenigstens muss man im Sinne einer ersten und kleinen Antwort ergänzend zu dem „Manifest“ hinzufügen.
(c) Karl Kardinal Lehmann
von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz
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