Liebe Schwestern und Brüder im Herrn!
Unsere Zeit ist schnelllebig, zielt auf die Gegenwart sowie die unmittelbare Zukunft und hält sich nicht gerne bei historischen Rückblicken auf. Aber es gibt, wenigstens punktuell, Ausnahmen, wenn näm-lich runde Gedenktage und Jubiläen großer Ereignisse anstehen und gefeiert werden. Unter den An-lässen dieses Jahres gibt es vor allem die Erinnerung daran, dass am 13. November 354, also vor 1650 Jahren, der heilige Augustinus, einer der größten Theologen des Christentums, geboren wurde und am 5. Juni 754 der heilige Bonifatius, den wir oft den "Apostel der Deutschen" nennen, von einer Räuberbande bei Dokkum in Nord-Holland ermordet worden ist. Da das Bistum Mainz in besonderer Weise mit dem heiligen Bonifatius verbunden war und ist, wollen wir dieses Gedenken nicht einfach spurlos an uns vorbeigehen lassen. Freilich wäre dies nicht im Geist des heiligen Bonifatius, wenn wir dabei nicht unsere Aufgabe für heute schärfer in den Blick nehmen würden.
Inhalt
Hirtenwort
Der Heilige Bonifatius als christlicher Glaubensbote in seiner Zeit und in unserem Land
Der Grund für den missionarischen Geist
Das Evangelium auch heute von Haus zu Haus weitergeben
Gebet
Vorschlag für Fürbitten
Anhang: Arbeitshilfen
1. Der heilige Bonifatius als christlicher Glaubensbote in seiner Zeit und in unserem Land
Der heilige Bonifatius wurde zwischen 672 und 675 in Wessex in der Nähe von Exeter im Südwesten Englands geboren. Der Stammhalter der Familie erhielt den Taufnamen Wynfreth, das heißt Winfrid. Der offenbar begabte und vom Vater besonders geförderte Junge sollte einmal den ansehnlichen Grundbesitz der Familie erben. Aber vor allem die Begegnung mit Priestern und Männern der Kirche weckte in dem Knaben schon ganz früh den Wunsch, ein ganz von Gott erfülltes Leben zu führen. Mit sieben Jahren trat der Junge in das Benediktinerkloster Exeter ein und wuchs in die benediktinische Lebensform hinein, die immer den selben Tagesablauf mit einem stetigen Wechsel von gottesdienstli-chen Feiern, Unterricht, Handarbeit und Kontemplation kannte.
Winfrid muss rasch ein wissenschaftliches Interesse entwickelt haben und sog begierig alles auf, was er an Informationen erreichen konnte. Hier hat Winfrid in mehr als zwanzig Jahren auch gelernt, was ihm später so nützlich wurde: große Vertrautheit mit den biblischen Schriften und ihrer Auslegung durch die Kirchenväter, Verkündigung des Evangeliums in der Predigt, Gelehrsamkeit auf vielen Feldern, tiefe Verwurzelung im benediktinischen Mönchtum, seelsorgliche Fähigkeiten, Kenntnisse des Kirchenrechts (vor allem auch im Wissen um eine festgefügte kirchliche Ordnung und Struktur), Sicherheit im politisch-diplomatischen Umgang und wacher kirchlicher Sinn für die Verbundenheit der Kirchen untereinander, besonders auch mit dem Papst.
Da kam eine unerwartete Wende in das Leben Winfrids, die für uns etwas im Dunkeln liegt,. Er begann plötzlich, "sich mehr nach der Fremde als nach dem Orte im Lande seiner Väter zu sehnen" (Leben des Bonifatius, verfasst von Willibald), fuhr auf das Festland zur Mission bei den Friesen, kehrte aber rasch wieder zurück, denn er war ungenügend über die dortige Lage informiert und unterschätzte die Schwierigkeiten, auf die er vor allem bei der staatlichen Herrschaft stieß. Winfrid wurde bald Abt in seinem Heimatkloster.
Aber Winfrid ließ nicht ab von seinem Plan und fuhr im Jahr 718 - nun mit einem Abschied für immer - zuerst nach Rom. Er wollte die Fehler der ersten Fahrt vermeiden und seine Mission in enger Abstim-mung mit dem Papst durchführen, der ihn auch bald zum Missionar ernannte, um bei den Heiden das Geheimnis des Glaubens bekannt zu machen. So bekam er vom Papst auch einen neuen Namen und hieß künftig Bonifatius. Der neue Weg in die Mission stand offen. Er war überzeugt, dass "das Evangelium vom Ruhme Christi unter den Heiden seinen Weg mache und verherrlicht werde" (Brief 30). Dabei war Bonifatius ganz von der Heiligen Schrift inspiriert und forderte von ihrem Fundament aus Nüchternheit und Wachsamkeit. So wollte er "den Frieden auf Erden den Menschen guten Willens" bringen und "das Wort des Lebens verkünden" (Brief 78): "Wir wollen nicht stumme Hunde sein, nicht schweigende Späher, nicht Mietlinge, die vor dem Wolf fliehen, sondern besorgte Hirten, die über die Herde Christi wachen, die dem Großen und dem Kleinen, dem Reichen und dem Armen, jedem Stand und Alter, ob gelegen oder ungelegen, jeden Rat Gottes verkünden." (Brief 78)
Von nun an ist Bonifatius unermüdlich unterwegs zur Verkündigung des Glaubens. Er predigt und ordnet die Kirche neu in Hessen und Thüringen und gründet wichtige Klöster, wie z.B. Fritzlar und Tauberbischofsheim. Im Jahr 723 fällt Bonifatius in einer Aufsehen erregenden Aktion eine dem Gott Donar geweihte heilige Eiche bei Geismar und baut aus dem Holz des Baumes eine Kirche zu Ehren des heiligen Petrus. Er will die manchmal störrische und wenig im Sinn des Evangeliums lebende Kirche im Frankenreich erneuern und vor allem auch eine stärkere Verbindung mit dem Zentrum der Kirche in Rom schaffen. Deswegen reist er dreimal nach Rom. Er wird Missionsbischof ohne festen Sitz, schließlich Erzbischof, aber erst 746 Bischof von Mainz. Schließlich ernennt der Papst ihn zu seinem Stellvertreter (Legaten) für ganz Germanien. Bonifatius ordnet die kirchlichen Verhältnisse in Bayern und umschreibt - im Kern gültig bis heute - neu die Diözesen Regensburg, Freising, Passau und Salzburg. Bald danach gründet er die mitteldeutschen Bistümer Würzburg, Büraburg (bei Fritzlar gelegen, später mit Mainz vereinigt) und Erfurt, das er freilich bald zugunsten von Eichstätt aufgibt. Ein wenig später erbaut Bonifatius die bald mächtige Abtei Fulda und legt auch fest, dass er in diesem Kloster seinen Lebensabend verbringen und vor allem zur Ruhe gebettet sein möchte.
Bonifatius hat alle Spielarten im Verhältnis von christlicher Mission und den verschiedenen politischen Herrschern erfahren: Feindseligkeit, vielfältige Kooperation, Unterstützung. Er wusste durch das Scheitern des ersten Missionsversuchs, wie wichtig Kontakte, Einflussnahme auf die politischen Mächte und deren Zustimmung waren. Er musste aber auch gerade im vorgerückten Alter erfahren, dass auch die christlich inspirierten Herrscher sehr oft Machtstreben an die erste Stelle setzten. Nicht zuletzt deshalb scheiterten auch später manche Pläne des Bonifatius. Der unbeugsame und zielstrebige Missionserzbischof, der weit über das Frankenreich hinaus, nicht zuletzt in seiner Heimat und in Rom hohe Anerkennung erhielt, kannte auch Niederlagen. So gibt es bei ihm trotz der überaus konsequenten und entschlossenen Führung auch Züge von Ängstlichkeit, ja manchmal auch von Depression.
Er brach im hohen Alter von etwa 80 Jahren nochmals zu einer letzten Missions- und Visitationsreise auf nach Friesland. Dort wird er im heutigen Nord-Holland in der Nähe von Dokkum, als er das Firmsakrament spenden wollte, mit seinen Begleitern durch friesische Räuber erschlagen. In den Zwischenstationen Utrecht und Mainz gab es beim Transport der Leiche den Rhein hinauf einen heftigen Streit um die heiligen Gebeine. Auch in Mainz, wo er zu Lebzeiten den Bischofssitz inne hatte, wollte man sein Grab haben. Aber schließlich hat Bischof Lul, der sein Nachfolger in Mainz wurde, durchgesetzt, dass der testamentarische Wunsch des Bonifatius verwirklicht wurde. So gelangte der Leichnam des Bonifatius Mitte Juli 754 mit einer großen Prozession von Mainz nach Fulda, wo er zuerst in der Klosterkirche, später zu Beginn des l8. Jahrhunderts im heutigen Dom beigesetzt wurde. Der Überlieferung nach soll Bonifatius bei den tödlichen Schlägen ein Evangelienbuch schützend über seinen Kopf gehalten haben; in der Tat gibt es in Fulda eine durch kräftige Hiebspuren beschädigte Handschrift aus dem Besitz des Bonifatius.
Bis in das 19. Jahrhundert hinein war das Grab immer wieder gefährdet, so auch bei den Plünderun-gen durch die Truppen Napoleons zu Beginn des l9. Jahrhunderts. Das Grab des Heiligen wurde im l9. Jahrhundert immer mehr zu einem katholischen Nationaldenkmal. In diesem Zusammenhang wur-de auch der Titel "Apostel der Deutschen" mehr und mehr herausgestellt. Papst Pius IX. hat 1874 das Bonifatiusfest am 5. Juni als Gedenktag für die ganze Kirche vorgeschrieben. Seit l867 wird Fulda unter Betonung des Bonifatius-Grabes zum jährlichen Versammlungsort der deutschen Bischöfe. Im-mer mehr vertiefte sich das Gespür, dass Bonifatius zu den Baumeistern des christlichen Europa gehörte und durch seine Missionsarbeit, aber auch durch seine kirchliche Erneuerung die Weichen für die Entwicklung der Kirche für die Zukunft gestellt hat.
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2. Der Grund für den missionarischen Geist
Wenn wir in der ganzen Kirche unseres Landes, besonders aber in Mainz mit Fulda zusammen, Le-ben und Werk des Bonifatius als christlichen Glaubensboten betrachten, entdecken wir die starke missionarische Kraft, die für lange Zeit von Bonifatius ausging. Was hätte sonst einen jungen Mönch, der eine gute kirchliche Laufbahn vor sich hatte, zu diesen gefährlichen Reisen und Unternehmungen führen können, wenn nicht das Evangelium Jesu Christi! Wir sehen heute deutlicher, dass bei aller Breite des missionarischen Vorgehens die Predigt im Zentrum von allem stand. Bonifatius hatte bei seinen Reisen immer auch eine kleine Bibliothek vor allem mit den biblischen Schriften bei sich.
Keine Hochreligion außerhalb des Christentums hat nach allgemeiner Ansicht ein so ausgeprägtes Verständnis von Mission. Im Kern geht dieser grundlegende Auftrag auf das Leben, das Wort und das Wirken Jesu selbst zurück. Jesu Botschaft wollte allen Menschen die Nähe des Reiches Gottes an-kündigen. Er hat diese durch seine Worte und Zeichen, aber auch durch das Handeln und sein Le-benszeugnis anschaulich gemacht und nahegebracht. Dabei dachte er weniger an die im Leben oh-nehin schon Bevorzugten, sondern besonders an die Menschen, die in der damaligen Zeit von der Gesellschaft ausgeschlossen waren und nichts galten. Er aber kam zu allen, auch wenn sich viele an der betonten Zuwendung Jesu zu Zöllnern, Dirnen und Sündern, aber überhaupt auch zu Frauen und Kindern ärgerten. Schließlich hat er sein Leben für alle eingesetzt. Dies ist seine ganze Lebensrich-tung, wie er sie wenige Stunden vor seinem Tod beim Letzten Mahl sinnenfällig und konkret in den Zeichen von Brot und Wein dargestellt hat. Damit verwirklichte Jesus die prophetische Verheißung, dass der Gottesknecht sein Leben für die Sünden der Menschen dem Tod preisgeben hat (vgl. Jes 53,11 f.).
Aus diesem Lebensgeheimnis Jesu Christi ergibt sich nicht nur das frühe Bekenntnis, dass Jesus Christus für unsere Sünden gestorben ist (vgl. 1 Kor 15,3), sondern dass er die Frucht dieser Lebens-hingabe, den "Dienst der Versöhnung" (vgl. 2 Kor 5,18-21), allen Menschen mitteilen wollte. Dies ist freilich kein Naturereignis oder irgend ein Automatismus, sondern geschieht nur durch die Annahme des Glaubens, die freilich ein unverdientes Geschenk Gottes selbst ist. Deshalb gibt es aber im tiefsten Grund des Christlichen den elementaren Auftrag zur Bezeugung des Evangeliums Jesu Christi an alle Völker. Gerade darum gibt es eben auch Kirche. Besonders eindrucksvoll ist hier der Schluss des Matthäusevangeliums, mit dem der Leser in die künftige Geschichte der Kirche hinein entlassen wird: "Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiss: ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt." (Mt 28, 18-20) Seit Jesus Christus, über Raum und Zeit erhaben, die Herrschaft Gottes vom Vater über die Welt und die Geschichte übernommen hat, ist der Auftrag zu dieser Sendung das Herzstück des kirchlichen Lebens und Wirkens. Darum sagt der Auferstandene beim endgültigen Abschied von dieser Welt: "Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde." (Apg 1,8)
Unzählige Jünger sind wirklich in alle Welt hinausgezogen, in alle Erdteile. Sie haben das Evangelium unermüdlich in allen Sprachen und Kulturen verkündet. Sie haben sich vorwiegend um das ewige Heil des Menschen gekümmert, aber auch das irdische Wohl der Menschen war den Glaubensboten nicht gleichgültig. Darum trugen sie auch Sorge für die Beseitigung von Unwissenheit durch Bildung und Schule, nicht weniger für die Heilung von Krankheiten durch Krankenpflege und Medizin sowie für die Linderung von Hunger und Elend jeglicher Art. In diese Reihe gehören auch - wie viele vorher und nachher - Bonifatius sowie seine Gefolgschaft, die aus Frauen und Männern bestand und deren Spu-ren überall noch in unserer Heimat zu finden sind. Ich nenne nur die heilige Lioba und die heilige Walburga.
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3. Das Evangelium auch heute von Haus zu Haus weitergeben
Wir dürfen aber wegen dieser großen Leistungen der christlichen Mission in aller Welt nicht selbstzu-frieden werden. In dem Weltrundschreiben "Redemptoris missio" von Papst Johannes Paul II. aus dem Jahr 1990 über die fortdauernde Gültigkeit des missionarischen Auftrags heißt es im ersten Satz: "Die Sendung Christi, des Erlösers, die der Kirche anvertraut ist, ist noch weit davon entfernt, vollen-det zu sein. Ein Blick auf die Menschheit insgesamt am Ende des zweiten Jahrtausends zeigt uns, dass diese Sendung noch in den Anfängen steckt und dass wir uns mit allen Kräften für den Dienst an dieser Sendung einsetzen müssen." (Nr. 1) Diese Aussage ist eigentlich eine gewaltige Herausforderung und mag uns regelrecht erschrecken. Es gilt also noch vieles vom Schatz der christlichen Offenbarung zu entdecken und zu leben.
Das Christentum ist in seinem Kern nicht etwas Altertümliches, sondern es zeigt sich gerade in den Übergangsperioden der Menschheit als das Neue schlechthin, das nicht übertroffen werden kann. So muss die Kirche in einer enger zusammenrückenden, globalen Welt, die einerseits keine Grenzen mehr kennt und andererseits doch zugleich unüberschaubar geworden ist, ihren Platz und ihre Aufgabe in den Tendenzen unserer Welt neu entdecken. Wir aber sind oft eine alte Welt geblieben. Gerade im Blick auf den Auftrag der Mission als Sendung in alle Welt sind wir müde geworden. Wir dürfen nicht vergessen, dass man schon mitten im Zweiten Weltkrieg und danach von den Kernländern in Mitteleuropa, Frankreich und Deutschland, gesagt hat, wir seien wegen der Müdigkeit der Christen, der Gleichgültigkeit und Abständigkeit vieler sowie des fehlenden Schwungs und der mangelnden Begeisterung für die Sache des Glaubens selbst Missionsland geworden
Dies erfordert missionarische Christen. Wir denken und handeln jedoch oft so, als ob wir in der Ver-gangenheit lebten. Die Kirche ist aber keine geschlossene Welt, in der man ohne große Sorgen angesichts der Herausforderungen der Welt leben kann, die uns überall begegnen. Wir müssen aus unseren oft engen Horizonten heraustreten, in denen wir uns gewiss oft mit einem großen Einsatz bewegen, aber uns eben auch nicht selten von den Zerrissenheiten unserer Welt zurückziehen und uns abkapseln. Viele Diskussionen, besonders über die Institutionen der Kirche, bleiben dieser unfruchtbaren Enge verhaftet.
Wir brauchen eine grundlegende missionarische Kräftigung unserer Kirche. Dies hat nicht nur etwas mit Reformen von Strukturen zu tun. Es fängt bei jedem Einzelnen an. Wenn wir nicht begeistert sind von der Tiefe und Schönheit unseres Glaubens, dann können wir ihn auch nicht wirklich weitergeben, weder an den Nachbarn noch an die eigenen Kinder und erst recht nicht an die künftigen Generatio-nen. Darum müssen wir ganz neu den Mut aufbringen, durch unser Zeugnis in Wort und Tat viel of-fensiver das Evangelium Gottes in unserer heutigen Welt und in den gegenwärtigen Nöten zur Gel-tung zu bringen. Es kommt dabei auch wirklich darauf an, dass wir andere Menschen neu als Mitchris-ten gewinnen und müde gewordene, sogar vielleicht aus der Kirche ausgetretene Christen wieder anstecken. Wir müssen uns viel mehr fragen, warum wir nicht den einen oder anderen Zeitgenossen durch unser eigenes missionarisches Zeugnis, das oft auch mehr indirekt wirken kann, gewinnen können. Für unser Land stellt sich die Frage auch für die vielen nichtgetauften Landsleute in den neuen Bundesländern. Wir müssen wirklich das Evangelium von Haus zu Haus, von Herz zu Herz weitergeben. Auch unsere evangelischen Schwestern und Brüder spüren diese Notwendigkeit mit neuer Dringlichkeit.Es ist ein grundlegender gemeinsamer Auftrag.
Von dieser Fähigkeit zur missionarischen Erneuerung unseres Christ- und Kircheseins wird viel für die Zukunft des Glaubens in unserer Gesellschaft und in unserer Welt abhängen. Ganz gewiss werden wir auch dabei Kontinuität pflegen mit der Geschichte unseres Glaubens, aber auch neue Wege gehen müssen. Wir können uns in der heutigen komplexen Welt nicht naiv in ein missionarisches Abenteuer stürzen. Es braucht immer wieder ein gründliches Studium der jeweiligen Situation. Es gibt keine Alternative zu einem offenen Dialog, der mit den Mitteln der Kommunikation und der Argumentation arbeitet, ganz ohne Fanatismus und propagandistischen Verkürzungen, wie es eine Versuchung aller Spielarten des Fundamentalismus ist. Aber man kann diesen Dialog, der immer auch sich selbst übersteigt, nur wagen, wenn man tief im Geheimnis des Glaubens verankert ist, so wie ein Baum mit weit ausladenden Ästen tiefe Wurzeln braucht, um vom Wind der Zeit nicht ausgerissen zu werden. Es gibt aber auch Zeugnisformen, die zwar das Wort nicht verachten, aber doch mehr indirekt in einer Tat des Lebens bestehen. So kann manchmal die praktizierte Nächstenliebe, die sich zum Anderen öffnet, mehr bewirken als jede Rede über etwas. Dies gilt nicht zuletzt auch für die Zuwendung zu den Menschen in der Ferne, für feindselige und schwierige Welten. Es ist eine elementare christliche Herausforderung, nicht nur die zu lieben, die man immer schon kennt, die uns lieben und uns anerkennen. Nichts anderes bedeutet der Aufruf zur Feindesliebe.
Unsere Welt ist anders als die Welt des heiligen Bonifatius im Frühmittelalter. Aber aus der gemein-samen Tiefe unseres Glaubens können auch wir unter anderen Rahmenbedingungen den Mut und die Kraft schöpfen, die ihn ausgezeichnet haben. So ist es uns nicht erlaubt, nur nach rückwärts zu bli-cken, sondern dieses Jubiläum feiern wir nur verantwortungsvoll, wenn wir unsere missionarische Aufgabe für heute und morgen entschieden ergreifen und erfüllen.
Mit diesem Hirtenbrief zur Österlichen Bußzeit in diesem Jubiläumsjahr 1250 Jahre seit dem Tod des heiligen Bonifatius möchte ich Sie alle einladen, in den Gemeinden und Verbänden, in den Bildungs-einrichtungen und in den Schulen, in den Räten und Geistlichen Gemeinschaften die Wiederkehr des Todes des heiligen Bonifatius als Chance für die Erneuerung eines neuen missionarischen Geistes zu verstehen. Es gibt viele Hilfen. (vgl. auch Anhang).
Zu diesen Hilfen gehören auch einige zentrale Planungen in unserem Bistum, zum Teil auch mit unseren Nachbarn und anderen Partnern. So werden wir in Mainz vom 2. - 4. Juni 2004 einen großen internationalen Bonifatius-Kongress beherbergen, der die wissenschaftlichen Erkenntnisse von überall her zusammenfasst und erweitert. Am 5. und 6. Juni werden wir in Seligenstadt und Mainz die Uraufführung eines geistlichen Bonifatius-Oratoriums erleben. Nach den zentralen Feierlichkeiten in Fulda am 5. Juni, dem Todestag, an denen ich selbst teilnehmen werde, wollen wir am 6. Juni in Mainz einen feierlichen Gottesdienst des ganzen Bistums begehen. Das Bistum Mainz beteiligt sich auch an der Eröffnung eines modernen Wander- und Pilgerweges, den ein eigener Verein Bonifatius-Route e.V. mit staatlichen und kommunalen Stellen im Land Hessen, mit der evangelischen und katholischen Kirche, mit Verbänden und vielen Ehrenamtlichen sowie den Medien geschaffen hat. Diese Bonifatius-Route kann uns den großen historischen Leichenzug des Bonifatius zwischen Mainz und Fulda näherbringen. Die Eröffnung findet am 10. Juli in Mainz statt. Bis zum 25. Juli schließt sich die Erstbegehung nach Fulda ab.
Dazu möchte ich Sie heute schon einladen und zu vielfältiger Mitarbeit anregen. Sie werden auf ver-schiedene Weisen in den nächsten Wochen und Monaten näher informiert, in unserer Kirchenzeitung und durch die Öffentlichkeitsarbeit sowie die Pressestelle des Bistums, aber auch im Internet und durch die säkularen Medien. Allen, die diese einzelnen Veranstaltungen planen, vorbereiten und durchführen, danke ich jetzt schon sehr herzlich.
Für Sie alle erbitte ich Gottes reichen Segen, des + Vaters, des + Sohnes und des + Heiligen Geistes.
Mainz, im Februar 2004
Ihr Bischof
Karl Kardinal Lehmann
Bischof von Mainz
O Gott, alleiniger Herr der Geschichte, der Du die Menschheit mit der Gnade Deines Erbarmens und Deiner Gerechtigkeit zu Dir rufst:
Du hast durch Deinen Märtyrer und Bischof Bonifatius viele Völker Germaniens bewogen, sich zum Reiche Deines Sohnes zu bekennen.
Um der Treue Deines guten Knechtes willen lass es nicht geschehen, dass die Völker ihre herrliche Berufung vergessen.
Dich aber, heiliger Bonifatius, den großen Sämann und Blutzeugen, bitten wir, Du mögest uns in die-ser bedrohten Welt erhalten, damit wir Christi Reich erstreben und seinem Frieden dienen.
Um dieses bitten Wir Dich, dass Du es von Gott für uns erbittest. Amen
(Aus: J.Bernhart, Bonifatius. Apostel der Deutschen, Paderborn 1954, 230, leicht bearbeitet)
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ZELEBRANT:
In deinem Geist der Stärke hat der heilige Bonifatius den Glauben verkündet. Lass seinen Anfang auch heute unter uns gute Frucht bringen. Deshalb bitten wir:
LEKTOR/IN:
Christus höre uns ...
Bitten für Menschen mit missionarischem Einsatz
• Für alle Christen: Mache sie wie Bonifatius zu glaubwürdigen Zeugen deines Evangeliums.
Christus höre uns...
• Für die Christen überall in der Diaspora, lass sie nicht müde werden, von deiner frohmachenden Botschaft zu künden.
• Für alle Verfolgten und Bedrängten: dass sie nicht aufgeben, sondern dass durch ihr Zeugnis der Ruf nach Gerechtigkeit und Versöhnung gehört wird.
• Für die Missionare und Entwicklungshelfer, die Gottes Zuneigung den Menschen künden: Gib ihnen Geduld und lohne ihren Einsatz.
• Für die vielen Missionswerke in unserem Land, dass sie ein Zeichen der Solidarität setzen können und stärke ihre Bemühungen um den Aufbau gerechter Strukturen für die armen Völker.
• Für den Bonifatiusverein und seine Sorge um die Christen in der Diaspora.
• Für die Menschen in unseren Pfarrgemeinden und unserer Kirche, damit sie mit missionarischen Eifer und durch Wort und Tat Glaube, Hoffnung und Liebe weitergeben.
• Für alle Religionslehrerinnen und Religionslehrer, alle Katecheten und Erzieherinnen, schenke ihnen Kraft, den Glauben in den ihnen anvertrauten Menschen zu vertiefen.
• Schenke jedem einzelnen Kraft und Mut zum missionarischen Zeugnis in Ehe, Familie und Beruf.
Bitten um die Einheit der Kirche
• Für die Einheit der Christen: Stärke alles Mühen um einen aufrichtigen und glaubwürdigen Weg zur Einheit mit den Kirchen im Osten wie auch mit den reformatorischen und allen christlichen Glaubensgemeinschaften, dass wir nicht nachlassen, in Treue zur Wahrheit und in der Liebe dem Ruf des Herrn zur Einheit zu folgen.
• Für die innere Einheit der Kirche in unserem Land, dass alle Glieder der Kirche in Einheit und in gegenseitiger Achtung Zeugnis geben gemäß ihrer jeweiligen Berufung.
• Für die Bischöfe in Deutschland: sende ihnen deinen Geist, dass sie mit Klugheit und Eifer die Gemeinschaft des Glaubens leiten und die Einheit im Geiste wahren.
Bitte für die Suchenden
• Für alle Menschen, die sich dem christlichen Glauben entfremdet haben: wende dich ihnen zu, dass sie deine Gegenwart und deine Spuren in unserer Zeit erkennen.
Bitte für die Verstorbenen
• Führe unsere Verstorbenen in das Land der Verheißung, ins Reich des Friedens und des Lichtes.
ZELEBRANT:
Guter Gott, du bist der Hüter deines Volkes. Segne die Kirche in unserem Land und schaffe Einheit und Frieden durch Christus unseren Herrn.
Alle: Amen.
Th. Schieffer, Winfried Bonifatius und die christliche Grundlegung Europas, Freiburg i.Br. 1954, 2. Auflage Darmstadt 1980.
R. Rau (Hg.), Briefe des Bonifatius. Willibalds Leben des Bonifatius = Ausgewählte Quellen zur deut-schen Geschichte des Mittelalters IV b, Darmstadt 1968 (Quellensammlung).
K. Schäferdiek (Hg.), Die Kirche des früheren Mittelalters. Erster Halbband = Kirchengeschichte als Missionsgeschichte II, München 1978.
L. E. von Padberg, Wynfreth-Bonifatius, Wuppertal und Zürich 1989.
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A. Angenendt, Das Frühmittelalter. Die abendländische Christenheit von 400 bis 900, Stuttgart 1990.
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von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz
Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz