Liebe Mitarbeiterinnen und liebe Mitarbeiter,
liebe Gäste unserer Jubiläumsfeier,
meine sehr verehrten Damen und Herren!
Ich freue mich sehr, dass Sie so zahlreich erschienen sind, um das 25jährige Bestehen der Bistums-KODA Mainz zu feiern. Herzlich willkommen!
I.
Im Vergleich zu manch anderer ehrwürdiger Einrichtung der Katholischen Kirche kann die Bistums-KODA Mainz auf eine vergleichsweise kurze Tradition verweisen. 25 Jahre sind für ein Menschenleben eine lange Zeit, für eine Institution der Katholischen Kirche bilden diese Jahre erst den Anfang einer hoffentlich viel längeren Tradition. Doch trotz der recht jungen Geschichte der Bistums-KODA ist schon viel geschehen. Es gab – wie überall im Leben – Höhen und Tiefen, doch unterm Strich, so darf ich sagen, können wir mit der Entwicklung mehr als zufrieden sein.
Einige von Ihnen erinnern sich sicher noch an das Gründungsdatum der Bistums-KODA. 1980 war auch ansonsten ein ereignisreiches Jahr: Deutschland wurde am 22. Juni Fußball-Europameister in Rom – das bewegte die Nation. Die politische Auseinandersetzung war geprägt durch einen ausgesprochen emotionsgeladenen Bundestagswahlkampf. Papst Johannes Paul II. besuchte im November 1980 zum ersten Mal die Bundesrepublik Deutschland.
25 Jahre KODA-Mainz, das ist ein guter Anlass für eine Rückschau, auf 25 Jahre KODA-Arbeit, auf ein Vierteljahrhundert Gestaltungsgeschichte der Arbeitsvertragsbedingungen im System des Dritten Weges. Dieser Gedenktag ist aber auch ein guter Anlass, um uns die Entstehungsbedingungen, Intentionen und Grundprinzipien des kirchenspezifischen Arbeitsrechts-Regelungsverfahrens zu vergegenwärtigen. Wir wollen diese Gedenkfeier jedoch nicht nur nutzen, um nach hinten zu schauen. Das Jubiläum gibt uns Gelegenheit, Bilanz zu ziehen und einen Ausblick auf die Zukunft zu wagen. Welche Herausforderungen haben die arbeitsrechtlichen Kommissionen in den nächsten Jahren zu meistern? Wohin entwickelt sich der Dritte Weg? Wo sind Anpassungen vorzunehmen, was sollten wir beibehalten und was sollten wir fortführen?
II.
Wenn man sich Gedanken macht über das „Wohin“ des Dritten Weges, ist man gut beraten, das „Woher“ nicht außer Acht zu lassen. Zunächst also ein Blick zurück:
Das KODA-System und damit auch der so genannte „Dritte Weg“ bestehen seit gut 25 Jahren. Sie sind mittlerweile ein fester Bestandteil der organisatorischen Struktur der Kirchen in Deutschland. Der Dritte Weg grenzt sich schon durch seine Namensgebung von zwei Konkurrenzmodellen ab: Der Erste Weg ist durch die einseitige Festlegung der Arbeitsbedingungen durch den Arbeitgeber gekennzeichnet. Dieses bis in die zweite Hälfte der 1970er Jahre vorherrschende System wurde von den Kirchen zu Gunsten des Dritten Weges aufgegeben.
Der Zweite Weg ist dadurch gekennzeichnet, dass er von einem Interessengegensatz der Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgeht. Die Akteure des Zweiten Weges sehen in der Tarifauseinandersetzung einen geeigneten Mechanismus, um einen möglichst optimalen sozialen Kompromiss zu erzielen. Ziel der Auseinandersetzung ist der Abschluss von Tarifverträgen. Druck und Gegendruck, Streik und Aussperrung sind die originären Instrumente des Tarifvertragssystems. Für den Zweiten Weg ist es also folgerichtig, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer während der Tarifverhandlungen von den genannten Kampfmitteln Gebrauch machen, um ihre Interessen im Tarifkonflikt bestmöglich durchzusetzen.
Die beiden großen christlichen Kirchen stehen dem Tarifvertragssystem und dem Streikrecht nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber. In den verschiedensten kirchlichen Dokumenten wird auf die Bedeutung dieser beiden Rechtsinstitute hingewiesen. So heißt es etwa in der Enzyklika „Centesimus Annus“ vom 1.5.1991: „Gesellschaft und Staat müssen für ein angemessenes Lohnniveau sorgen, das dem Arbeiter und seiner Familie den Unterhalt sichert und die Möglichkeit zum Sparen erlaubt […] Hier liegt die entscheidende Aufgabe der Gewerkschaften, die Mindestlohn und Arbeitsbedingungen aushandeln.“ Und die Enzyklika „Laborem Exercens“ vom 14.9.1981 stellt klar: „Streik ist sittlich berechtigt, wenn er ein unvermeidliches Mittel zu einem angemessen Nutzen darstellt.“
Angesichts dieser grundsätzlichen Befürwortung von Tarifvertrag und Streikmöglichkeit mag es den Außenstehenden erstaunen, dass die Kirchen für ihre eigenen Mitarbeiter diese Rechtsinstitute überwiegend ablehnen. Die Katholische Kirche in Deutschland schließt keine Tarifverträge ab. Das Gleiche gilt für die evangelische Kirche – mit Ausnahme der Nordelbischen Kirche und der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg. Auch im Ausland ist eine deutliche Zurückhaltung der Kirchen gegenüber diesem Regelungsmodell zu finden. In Österreich etwa gibt es Tarifverträge nur für einige Ordenskrankenhäuser. In den USA ist es höchstrichterlich anerkannt, dass kirchliche Schulen nicht gezwungen werden können, mit der Gewerkschaft zu verhandeln und Tarifverträge zu schließen.
Der Grund für diese Zurückhaltung ist das Dienstverständnis der christlichen Kirchen. Das Konfrontationsmodell des Tarifvertragssystems ist mit diesem Dienstverständnis unvereinbar. Der kirchliche Dienst steht unter dem Leitbild der Dienstgemeinschaft. Die Dienstgemeinschaft fordert, dass alle in einer Einrichtung der katholischen Kirche Tätigen durch ihre Arbeit gemeinsam dazu beitragen, dass die Einrichtung ihren Teil am Sendungsauftrag der Kirche erfüllen kann. Die Dienstgemeinschaft verlangt aber auch, dass die unterschiedlichen Interessen bei Dienstgebern und Mitarbeitern unter Beachtung des Grundkonsenses aller über den kirchlichen Auftrag ausgeglichen werden. Diese Gemeinschaft ist so sehr durch das Miteinander im Dienste Gottes und seines Auftrags an die Kirche geprägt, dass die Gemeinsamkeit des Ziels und der Aufgabe es ausschließen, durch offenen Druck gegeneinander die Änderung der Arbeitsbedingungen erstreben zu wollen. Deshalb kann die Kirche nach ihrer Überzeugung die Erfüllung ihres geistig-religiösen Auftrages nicht unter den Vorbehalt eines Arbeitskampfes stellen, ohne ihr Selbstverständnis als Kirche preiszugeben. Ein kirchlicher Arbeitgeber kann keine Kampfmaßnahme ergreifen, um einem Streik zu begegnen. Denn die Kirche kann weder die Glaubensverkündigung noch den Dienst am Nächsten suspendieren, um Druck auf ihre Mitarbeiter auszuüben. Nebenbei sei darauf hingewiesen, dass der Begriff „Dienstgemeinschaft“ auch ein Wort des Neuen Testamentes ist (vgl. 2 Kor 8,4), was allerdings in der Einheitsübersetzung leider nicht erkennbar ist.
Aus diesem Grund stand die Kirche vor der Herausforderung, ein kircheneigenes Arbeitsrechts-Regelungssystem zu finden, das einerseits die unterschiedlichen Interessen auszugleichen vermochte und das andererseits auf die kirchlichen Besonderheiten Rücksicht nahm. Neben der erwünschten und erhofften Kooperation – im Gegensatz zum Konfrontationsmodell des Zweiten Weges – musste dieses System das kirchenverfassungsrechtliche Grundprinzip beachten, wonach dem Diözesanbischof eine umfassende Verantwortung in allen Bereichen des kirchlichen Lebens zukommt.
Von diesen Prämissen ausgehend verbindet der in den 1970er Jahren konzipierte Dritte Weg zwei Grundgedanken, die auf den ersten Blick nicht leicht miteinander vereinbar zu sein scheinen: Auf der einen Seite das Ziel einer möglichst umfassenden und effektiven Mitwirkung der kirchlichen Mitarbeiter bei der Gestaltung des sie betreffenden kirchlichen Arbeitsrechts. Auf der anderen Seite die durch das kanonische Recht vorgesehene umfassende Rechtssetzungsbefugnis des Diözesanbischofs, die sich grundsätzlich auch auf das kirchliche Arbeitsrecht bezieht.
III.
Inspiriert von diesem Geist begann die konkrete Entwicklung eines eigenen Arbeitsrechtsregelungsverfahrens in der Katholischen Kirche Mitte der 1970er Jahre. Den ersten Schritt machte der Zentralrat des Deutschen Caritasverbandes im April 1975. Dieser beschloss eine Ordnung der Arbeitsrechtlichen Kommission, die – paritätisch besetzt mit Vertretern der Mitarbeiter und Dienstgeber – einen wirksamen Beschluss nur mit einer Mehrheit von drei Vierteln aller Mitglieder fassen konnte. Auch hier stand also nicht mehr die einseitige Gestaltung der Arbeitsbedingungen im Vordergrund, sondern das partnerschaftliche Gestalten durch beide Partnergruppen mit verschiedenen Interessen bzw. Aufgaben.
Das Startsignal in der verfassten Kirche bildete ein Beschluss des Verwaltungsrates des Verbandes der Diözesen Deutschlands vom 28./29. Oktober 1975. Auf der Grundlage dieses Beschlusses wurde eine Kommission gegründet, die sich mit der Frage nach einer angemessenen kollektiven Mitwirkungsmöglichkeit für Mitarbeiter im kirchlichen Bereich befassen sollte. Zum Vorsitzenden der Kommission wurde der damalige Essener Generalvikar Joseph Krautscheidt berufen. Der Kommission gehörten Fachleute aus den Diözesanverwaltungen, des Deutschen Caritasverbandes und externe Berater an. Die erste Sitzung der Kommission fand im Februar 1976 statt. Es folgten weitere Beratungen und Entwürfe einer Ordnung zur Mitwirkung der Mitarbeiter bei der Gestaltung des Dienst- und Arbeitsvertragsrechts. Die Arbeiten der so genannten Krautscheidt-Kommission mündeten letztlich in eine Rahmen-KODA-Ordnung, die am 5. Dezember 1977 durch Beschluss der Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands verabschiedet wurde. Diese Rahmen-Ordnung hat lediglich empfehlenden Charakter. Rechtlich verbindlich sind hingegen die Ordnungen für eine Bistums- und Regional-KODA, die inhaltlich im Wesentlichen der Rahmenordnung entsprechen und von den Diözesen nach und nach in Kraft gesetzt wurden. Die Bistums-KODA-Ordnung in Mainz wurde am 15.12.1978 veröffentlicht. Die konstituierende Sitzung der Bistums-KODA unter der Leitung von Oberschulrat Wolfgang Bäßler fand Ende März 1980 statt. In der Folgezeit wurden sowohl die Rahmen-Ordnung als auch die Bistums- und Regional-KODA-Ordnungen mehrfach novelliert.
Es müsste jetzt ausführlich von der spezifischen Geschichte der Bistums-KODA Mainz die Rede sein. Dies ist aus vielen Gründen nicht möglich. Ich will nur einige wenige Einzelzüge hervorheben, vor allem aus jüngster Zeit.
Nach den Anfangsschwierigkeiten und manchen unterschiedlichen Phasen gibt es insgesamt eine konstruktive Arbeitsatmosphäre, die von einem fairen Klima und von einem zunehmenden Maß an Verantwortung von beiden Seiten geprägt ist. In dieser Atmosphäre konnte im Jahr 2004 die Urlaubsgeld-Regelung für das Jahr 2004 modifiziert werden, im Jahr 2005 die von den Tarifparteien verabredete Einmalzahlung von 300 Euro ausgesetzt und die Anpassungsbeschlüsse für die Kirchliche Zusatzversorgungskasse umgesetzt werden. Im Vergleich zu anderen Bistümern ist dies eine gute Beschlusslage.
Für die Zukunft bleibt zu bedenken, dass die Finanzfrage des Bistums sorgfältig beobachtet werden muss, um entsprechend auch in der KODA zu reagieren. Personalkosten sind ein großer Anteil des Gesamthaushaltes. Bevor es zu Entlassungen kommt, ist es wichtig, in der KODA vorübergehende Stützungsmaßnahmen zu beschließen. Wichtig ist, dass dabei die gesamte KODA, Dienstgeber- und Dienstnehmer-Seite, die Verantwortung übernehmen und tragen, auch wenn sie schwer ist.
IV.
Was bleibt als Fazit dieser "Tour d' horizon" durch die 25jährige Geschichte der Bistums-KODA: Das Verfahren des Dritten Weges ist mittlerweile nach 25jähriger Geltung ein fester Bestandteil der innerkirchlichen Ordnung im Bistum Mainz und in Deutschland geworden. Nach anfänglicher Skepsis, insbesondere von Seiten der kirchlichen Mitarbeiter, wird dieses Regelungssystem kaum noch grundsätzlich in Frage gestellt. Im Gegenteil: Auch und gerade die Vertreter der kirchlichen Mitarbeiter in der KODA haben – nicht immer zur Freude der Dienstgeberseite – gelernt, die Möglichkeiten, die ihnen der Dritte Weg zur Durchsetzung ihrer Interessen bietet, intensiv und erfolgreich zu nutzen. Aber wir wollten ja auch diese Möglichkeit.
Was sich in den letzten 25 Jahren bewährt hat, könnte auch für die Zukunft das Fundament für die Gestaltung der kirchlichen Arbeitsverhältnisse bilden. Aber nicht nur die Kirche selbst ist eine ecclesia semper reformanda, sondern auch ihr Arbeitsrecht. Sinkende Kirchensteuereinnahmen und auch die immer zögerlicher gewährten staatlichen Drittmittel zwingen zu Anpassungen und Flexibilisierungen bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen. Durch diese Veränderungen steht auch das KODA-System vor neuen Herausforderungen. Aus der Vielzahl der zu bewältigenden Probleme möchte ich an dieser Stelle exemplarisch nur drei Punkte herausgreifen:
(1) Maßstab für die Gestaltung des Arbeitsrechts in der Kirche war in der Vergangenheit der Öffentliche Dienst. Die Bistums-KODA Mainz hat die Anlehnung an das Tarifwerk des Öffentlichen Dienstes bereits am 30.7.1980 beschlossen. Dass die Gestaltung der Arbeitsbedingungen kirchlicher Beschäftigter durch arbeitsrechtliche Kommissionen bisher im Wesentlichen gut funktioniert hat, hat auch damit zu tun, dass in der Vergangenheit die Tarifergebnisse, die von den Gewerkschaften und Arbeitgebern des Öffentlichen Dienstes ausgehandelt worden waren, in weiten Teilen durch die kirchlichen Arbeitsrechtskommissionen übernommen wurden. Der eigentliche Kampf um die Tarifabschlüsse fand also außerhalb des Dritten Weges statt. Der Dritte Weg übernahm diese Ergebnisse zumeist mit einer gewissen Selbstverständlichkeit oder nach vergleichsweise moderaten Auseinandersetzungen. Die gute wirtschaftliche Lage und Prosperität für alle ermöglichte dieses Verfahren.
Die Leitwährung BAT erscheint zweifellos dort plausibel, wo die Kirche als öffentlich-rechtliche Körperschaft Mitarbeiter für ihre Verwaltung einstellt. Angemessen ist dieser Maßstab weiterhin für all die kirchlichen und caritativen Arbeitsfelder, die gleich oder ähnlich im übrigen Bereich der Gesellschaft bestehen und von Mitarbeitern wahrgenommen werden, die ihrerseits nach den Tarifen des Öffentlichen Dienstes vergütet werden. Ich denke hier z.B. an das Kindergarten- oder Schulpersonal. Der BAT als Maßstab stößt aber auf Widerspruch bei den Arbeitsfeldern, in denen auch außerhalb des Öffentlichen Dienstes gleiche Arbeiten stattfinden, z.B. Küchendienste, technische Dienste usw. Hier gelten zumeist gewerbliche Tarife, die wesentlich geringere Vergütungen vorsehen als der BAT für entsprechende Tätigkeiten.
Seit einigen Jahren werden im Rahmen von Sparmaßnahmen, insbesondere im Bereich der Caritas und Diakonie, in zunehmendem Maße bestimmte Bereiche (z.B. Reinigungsdienste, Küchen, Speisenversorgung, Wäschereien etc.) ausgegliedert, also auf einen selbständigen Träger übertragen. In diesen ausgegliederten Bereichen kommen entweder Fremdfirmen zum Einsatz, die in keinerlei Verbindung zur Kirche stehen, oder die kirchlichen Träger gründen eigene Tochtergesellschaften und verlagern bestimmte Aufgabenbereiche hierhin. Ausgliederungen im kirchlichen Bereich dienen bekanntlich der Kostensenkung. Wer ausgliedert, meint, dem Kostendruck besser widerstehen zu können und flexiblere Arbeitsvertragsbedingungen leichter durchsetzen zu können. Das erscheint notwendig, weil eine stärkere Ausdifferenzierung der Vergütungssysteme in den Arbeitsrechtlichen Kommissionen am Widerstand der Mitarbeiter scheitert.
Es stellt sich die Frage, ob es nicht besser und dem Gedanken der Dienstgemeinschaft näher liegend wäre, Modelle zu entwickeln, die einerseits die unvermeidlichen Sparmaßnahmen ermöglichen, andererseits aber diese Mitarbeitergruppen nicht aus dem Kreise der kirchlichen Mitarbeiterschaft ausgliedern. Für die Zukunft müssen die Arbeitsrechtlichen Kommissionen sich überlegen, ob nicht alternativ zum vorhandenen BAT-System als Maßstab für bestimmte Tätigkeitsfelder Tarife gewählt werden könnten, die stärker den konkurrierenden Tarifen im Handwerk und Gewerbe entsprechen, um die Mitarbeiter als kirchliche Mitarbeiter halten zu können. Die Einheit des kirchlichen Dienstes verpflichtet jedenfalls nicht zur einheitlichen Regelung jeglicher Arbeitsverhältnisse bei jeglichem Rechtsträger.
(2) Ein besonderes Problem bei der Gestaltung von Arbeitsvertragsbedingungen stellt sich erfahrungsgemäß dann, wenn – aus welchen Gründen auch immer – einzelne Einrichtungen vor einer wirtschaftlichen Notsituation stehen. Der Konkurs kann häufig nur durch umfangreiche Entlassungen oder durch eine spürbare Senkung der Personalkosten abgewendet werden. Dieses Problem ist auch im profanen Arbeitsrecht durchaus bekannt. Dort wird das Problem wie folgt gelöst: Die Belegschaft ist bereit, für die Erhaltung ihrer Arbeitsplätze befristet Abweichungen vom Flächentarif hinzunehmen. Im Gegenzug verzichtet der Arbeitgeber auf betriebsbedingte Kündigungen für die Dauer der Abweichung. Es wäre zu überlegen, ob man diesen Gedanken in Zukunft nicht auch für den kirchlichen Dienst stärker fruchtbar machen kann. Öffnungsklauseln für betriebsbezogene Sonderregelungen können im Einzelfall dazu beitragen, Arbeitsplätze zu erhalten. Allen Beteiligten des Dritten Weges muss klar werden, dass das Schlimmste, was den Mitarbeitern in Kirche und Caritas in unseren Tagen passieren kann, nicht die Verschlechterung einzelner Arbeitsvertragsbedingungen ist, sondern die drohende und tatsächliche Arbeitslosigkeit. Das ist zwar vorrangig, aber nicht allein eine Frage der persönlichen und wirtschaftlichen Existenz. Arbeit ist mehr als Broterwerb. Sie gestaltet wesentlich das Leben des Menschen und bestimmt seine Persönlichkeit. Das christliche Menschenbild verlangt, jedem die Möglichkeit zu eröffnen, ein selbstbestimmtes Leben auch durch die Teilhabe an Arbeit führen zu können. Geht die Arbeit verloren, hat dies neben ökonomischen, auch erhebliche soziale Folgen. Arbeitslosigkeit ist weitaus gravierender als längere Wochenarbeitszeiten oder ein gekürztes Weihnachtsgeld. Leitmotiv einer verantwortungsvollen „Tarifpolitik“ muss auch in Kirche der Schutz vor Arbeitslosigkeit sein.
(3) Durch das neue Tarifrecht im Öffentlichen Dienst, dem so genannten „Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst“ (TVÖD), kommt eine große Herausforderung auf die Bistums-KODA zu. Prägend für den TVÖD sind folgende Punkte:
·Die Eingruppierung wird insgesamt einfacher und überschaubarer. Das neue Eingruppierungsrecht wird stärker tätigkeitsorientiert, weniger ausbildungsorientiert sein.
·Das neue Entgeltsystem folgt einem Leitprinzip, wonach jüngere Mitarbeiter im Vergleich zum BAT-System mehr, ältere Arbeitnehmer tendenziell weniger verdienen werden als bisher.
·Allerdings werden erworbene Besitzstände durch Ausgleichszahlungen weitgehend gewahrt.
·Zeit-, Bewährungs-, Alters- und Betriebszugehörigkeitsaufstiege werden ebenso entfallen wie Orts- und Familienzuschläge.
·Der TVÖD ist insgesamt durch eine stärkere Orientierung an Leistungselementen gekennzeichnet. Diesem Ansatz entspricht die geplante Einführung leistungsabhängiger Vergütungskomponenten.
Waren die Arbeitsbedingungen im Bistum bislang an der Leitwährung BAT ausgerichtet, wird die KODA demnächst die Frage beantworten müssen, ob sie die Umstellung ihrer Arbeitsvertragsbedingungen auf den TVÖD nachvollzieht. Soll die Orientierung am Öffentlichen Dienst weiterhin beibehalten werden, wird zu prüfen sein, welche kirchenspezifischen Besonderheiten berücksichtigt werden müssen. Dies betrifft zum einen die kircheneigenen Berufsgruppen wie Pastoral-, Gemeindereferenten, Küster/Mesner und Kirchenmusiker, die keine Entsprechung im TVÖD haben. Zum anderen geht es um die Frage, ob man bestimmte Module des TVÖD ohne weiteres übernehmen kann und soll. Ob die Kirchen z.B. wirklich gut beraten sind, wenn sie analog zum TVÖD auf familienpolitische Vergütungsbestandteile verzichten? Dies ist noch ein schwer umkämpftes Feld, das noch manche offene Auseinandersetzung braucht. Will man auch in Zukunft kinderbezogene Entgeltformen beibehalten, wird sich die Bistums-KODA mit der Frage befassen müssen, unter welchen Bedingungen, in welcher Form und in welchem Umfang familienpolitische Belange im kirchlichen Vergütungssystem Berücksichtigung finden können. Des Weiteren wird zu klären sein, ob die Kirche an der Einführung einer leistungsabhängigen Vergütung interessiert ist. Wenn man diese Frage bejaht, wird man genaue Vorkehrungen treffen müssen, um eine leistungsbezogene Entlohnung auf betrieblicher Ebene zu implementieren.
Sie sehen, meine sehr geehrten Damen und Herren, viele ungelöste Probleme harren einer Lösung. Auf die Mitglieder der Bistums-KODA kommt in nächster Zeit eine Menge Arbeit zu.
Die guten Erfahrungen mit der Bistums-KODA in den „guten Zeiten“ rechtfertigen aber die Überzeugung, dass diese Kommission auch für die in Zukunft zu bewältigenden Fragen und Schwierigkeiten eine angemessene und kirchengemäße Lösung liefern wird.
Ausschlaggebend für jede kirchliche Arbeitsrechtssetzung bleibt auch bei den mitunter unvermeidlichen schmerzlichen Eingriffen, dass die Kirche auch mit dem Inhalt ihrer Ordnungen ihren eigenen Aussagen zu den sozialpolitischen Fragen unserer Zeit entspricht.
Ich bitte Sie daher, meine Damen und Herren der Bistums-KODA, Ihre Schaffenskraft auch in Zukunft in den verantwortungsvollen Dienst der Kirche zu stellen. Gehen Sie auch weiterhin die vor Ihnen liegenden Herausforderungen zuversichtlich an und gestalten Sie durch Ihre wertvolle Arbeit die Zukunft unseres Bistums aktiv mit. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen für Ihre Tätigkeit weiterhin viel Erfolg und Gottes Segen. Sie dürfen mich an Ihrer Seite wissen, auch wenn ich mich selbstverständlich im Detail zurückhalte. Der Bischof ist schließlich in diesem Modell des Dritten Weges nicht Partei, sondern will und muss dem Ganzen dienen. Ich danke Ihnen allen für gute 25 Jahre, die auch viel Kraft geben für die Zukunft.
(c) Karl Kardinal Lehmann
Es gilt das gesprochene Wort
von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz
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