Mittwoch, 13. September 2000, im Gutenberg-Museum zu Mainz

Datum:
Mittwoch, 13. September 2000

Ein medial intensives Jahr liegt hinter uns seit der letzten Verleihung des Katholischen Journalistenpreises vor einem Jahr in Mainz. Vieles hat Kirche und Medien bewegt, immer wieder standen wir im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses, mal positiv, mal weniger erfolgreich. Persönlich freue ich mich, heute Abend bei Ihnen sein zu können, besonders nachdem ich im vergangenen Jahr zugesagt hatte, dann aber in Castelgandolfo wegen des Themas „Schwangerenkonfliktberatung" sein musste. Ich erinnere aber auch an die Reise von Papst Johannes Paul II. ins Heilige Land mit einem bis dahin fast ungeahnten Medienecho. Ich denke aber auch an andere Höhepunkte des Heiligen Jahres. Mir ist der Weltjugendtag vor Augen, an dem ich selbst teilnehmen konnte, ein Ereignis, in dem die Medien einen jugendlich wirkenden Papst feierten. Zweitausend Journalisten waren bei beiden Ereignissen dabei. Die Medien sind präsent, auf Schritt und Tritt, in Deutschland hat uns die Zwangsarbeiterdebatte bewegt, das jüngste Dokument aus Rom, „Dominus Iesus" und noch manches ließe sich aufzählen. Können wir uns ein Ende dieser Medienpräsenz vorstellen? Wohl kaum, und deshalb ist es gut, Höhepunkte medialen Schaffens zu würdigen. Dazu sind Sie heute Abend zusammengekommen: Wir wollen zum 26. Mal den Katholischen Journalistenpreis zu verleihen. Gestatten Sie mir mit Blick auf den Hauptpreis einige grundsätzliche Anmerkungen zu einem Thema, das mich immer wieder bewegt.

Renate Bernhard und Sigrid Dethloff erhalten heute den Katholischen Journalistenpreis für ihren Hörfunkbeitrag „Verwundet an Körper und Seele. Genitalverstümmelung in Afrika und Europa". Diese Koproduktion von NDR, WDR und DLF wurde erstmals am 13. Juni vergangenen Jahres ausgestrahlt. Die Vorstellung und Preisbegründung der herausragenden Sendung geschieht nachher an anderer Stelle. Ich freue mich aber und bin den beiden Autorinnen für Ihren Einsatz besonders dankbar, dieses Thema aufgegriffen und damit einen wesentlichen Beitrag zur ethischen Debatte in den Medien geliefert zu haben. Gerade weil hier ein menschenentwürdigendes Problem zugleich informativ und bewegend dargestellt wird, gelingt es dem Medium Hörfunk, direkt und indirekt ethische Beurteilungsmaßstäbe zu vermitteln. Wir fragen derzeit häufig: Wie steht es um die Ethik in den Medien? Müssen wir nicht genauso fragen: Welche ethischen Maßstäbe vermögen Medien zu vermitteln? Mit welchen Mitteln gelingt dies?

 

Hier liegt eine große Chance für Medien jeder Art. Dabei kommt es darauf an, Werte einsichtig und plausibel zu machen. Dazu trägt auch das jüngste Dokument des Päpstlichen Rates für die Sozialen Kommunikationsmittel bei, das am 4. Juni 2000 veröffentlicht wurde. Unter dem Titel „Ethik der sozialen Kommunikation" werden eben nicht nur die negativen Auswirkungen im Mediengeschäft geschildert, sondern gerade und insbesondere die positiven Seiten, ja die oft noch nicht ausgeschöpften Chancen aufgezeigt. Dabei darf man hier auch auf das Dokument „Ethik in der Öffentlichkeit" (Etica nella pubblicità) vom 22.02.1997 desselben Rates für die Sozialen Kommunikationsmittel aufmerksam machen. Dieses Dokument wurde bei uns unter dem Titel „Ethik in der Werbung" in der Reihe „Arbeitshilfen" (Nr. 135) veröffentlicht.

 

Bei dieser Gelegenheit darf dankbar erwähnt werden, dass nicht zuletzt deutsche Journalisten und Fachleute, die aus dem kirchlichen Raum kamen, schon früh auf die Notwendigkeit der Entwicklung einer Ethik der Medien aufmerksam machten, und dies nicht nur in grundsätzlichen Forderungen, sondern auch durch die Vorlage konkreter Entwürfe (evtl. Hinweis auf anwesende Damen und Herren). Diese Leitlinien sind und bleiben wichtig. Nicht minder wichtig aber ist die konkrete Anwendung dieser Richtlinien auf einzelne Themen und Probleme.

 

Der heute ausgezeichnete Hörfunkbeitrag und einige Passagen aus dem jüngsten römischen Dokument machen Mut, sich für ein grundlegendes Ethos in den Medien einzusetzen. Wenn es etwa in dem Text heißt: „Der Mensch und die Gemeinschaft der Menschen sind Ziel und Maßstab für den Umgang mit den Medien. Kommunikation sollte von Mensch zu Mensch und zum Vorteil der Entwicklung des Menschen erfolgen." (Nr. 21), dann haben die beiden Preisträgerinnen genau diesen Aspekt verwirklicht. Der Mensch muss im täglichen medialen Handeln im Vordergrund stehen, der Mensch in seiner Würde, nicht die Sensation oder gar die Schlagzeilen. Wird uns dieser entscheidende Schritt für einen menschenwürdigen Umgang der Medien mit dem Menschen gelingen? Wenn dann der Mensch in seiner unverletzlichen Würde angenommen wird, wie er ist, und nicht bloßgestellt wird, dann kann das eine ethische Grundlage sein, die den Begriff „menschenwürdig" verdient. Eine solche ethische Berücksichtigung richtet sich am Prinzip menschlicher Freiheit aus, die keine Beliebigkeit sein kann. Freiheit heißt auch und gerade Verantwortung.

 

Diese Verantwortung hat die Kirche besonders auch im Umgang mit ihren eigenen Medien zu bedenken. In der Tatsache, dass die Preisträgerinnen Probleme schonungslos aufdecken und das Prinzip gezielter und ehrlicher Recherche in vorbildlicher Weise verwirklichen, wird ein weiterer Auftrag für medial Schaffende deutlich: Medieneinsatz muss sich an der Wahrheitsfindung orientieren und so dem Menschen dienen. Das gilt insbesondere für die kirchliche Kommunikation, der das genannte römische Dokument einen hohen Stellenwert einräumt, der aber bei uns nicht immer im Vordergrund steht: „Zuallererst sollte die kirchliche Kommunikationspraxis beispielhaft sein und höchste Wertmaßstäbe hinsichtlich Wahrhaftigkeit, Verantwortlichkeit und Sensibilität für die Menschenrechte sowie andere wichtige Prinzipien und Normen wiederspiegeln. Darüber hinaus sollten die Sozialen Kommunikationsmedien der Kirche engagiert sein, die Fülle der Wahrheit über die Bedeutung des menschlichen Lebens und der Geschichte zu vermitteln." (Nr. 26). Ich glaube, dass die heute Abend gewürdigte Arbeit gerade dem Prinzip einer Verantwortung für die Menschenrechte und der damit verbundenen wahrheitsgemäßen Aufklärung besonders nahe gekommen ist.

 

Was wir also wieder in unserem Verantwortungsbewusstsein als Medienschaffende schärfen sollten und wozu Sie als Journalistinnen und Journalisten in hohem Maße beitragen, ist eine erhöhte Sensibilität für ethische Fragen in den Medien, im Umgang mit den Medien, aber auch im Transportieren, also Vermitteln durch die Medien. Wenn wir uns alle um ein Höchstmaß an Wert- und Wahrheitsmaßstäben bemühen und trotz Quotenkampf und Auflagenstärke die ethische Grundlage als Fundament schlechthin im Blick halten, nehmen wir den uns anvertrauten Auftrag wahr, unsere Arbeit in den Dienst der Wahrheit zu stellen.

 

Ich möchte nicht missverstanden werden. Das Reden über die Ethik in den Medien kann auch zweideutig werden. Es realisiert sich ja in der täglichen konkreten Arbeit, nämlich im Ernst der sorgfältigen Prüfung von Nachrichten und im Bedenken der Folgen dessen, was man schreibt, also in der Erarbeitung einer verlässlichen Information liegt ein hohes Maß an Ethik. Bei der Unübersichtlichkeit unserer Welt und dem Orientierungsverlust vieler Menschen ist schon eine erste Wegweisung zur Einordnung von Fakten und Ereignissen äußerst hilfreich. Dies gilt nicht zuletzt auch für den Bereich der Wissenschaften, wo die sachliche Vermittlung neuer Erkenntnisse durch einen gediegenen Fachjournalismus immer wichtiger wird. Vielleicht müssen wir darauf noch größeren Wert legen.

 

Dies gelingt vor allem auch in dem von der Jury ermittelten Nachwuchspreis. Martin Schäuble hat mit seiner zehnteiligen Reihe „jung sein 99 – zwischen Start und Ziel", die im vergangenen Jahr über mehrere Monate verteilt in der Tageszeitung „Freie Presse – Chemnitz" erschien, eine solche Wahrheitsvermittlung verfasst. Er hat ein authentisches Bild ostdeutscher Jugendlicher, frei von Klischees und Vorverurteilungen, Lamentieren und Resignation geschrieben. Diese Serie ist ein gelungener Beitrag zur Wahrheitsfindung, der ethische Prinzipien ebenso im Blick hat wie den Mut, Hoffnung zu vermitteln. Ich freue mich sehr, dass ein junger Nachwuchsjournalist aus Ostdeutschland diesen Preis erhält, und ich wünsche mir, dass das eine Ermutigung für viele junge Medienschaffende in den neuen Bundesländern ist. Ich bin sicher, dass durch solche Beiträge auch die Diskussion um den Rechtsradikalismus versachlicht werden kann.

 

In der Präambel des Statuts des Katholischen Journalistenpreises heißt es: „Der Preis wird verliehen für journalistische Arbeiten, die das Verständnis für Menschen und gesellschaftliche Zusammenhänge fördern, das humanitäre und soziale Verantwortungsbewusstsein stärken, zum Zusammenleben unterschiedlicher Gemeinschaften, Religionen, Kulturen und Einzelpersonen beitragen und die Orientierung an christlichen Werten fördern." Dieses Ziel ist in besonderem Maße, so scheint mir, beim jetzigen Wettbewerb gelungen.

 

Ich danke der Arbeitsgemeinschaft Katholische Presse und der Gesellschaft Katholischer Publizisten für die Ausrichtung dieser Veranstaltung und die Verleihung des Preises. Die Deutsche Bischofskonferenz weiß um die Bedeutung der Auszeichnung, die von katholischer Seite aus versucht, einen eigenen Akzent in der vielfältigen Landschaft medialer Auszeichnungen zu setzen.

 

 

Copyright: Bischof Karl Lehmann, Mainz

 

 

 

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz