„Mitverantwortung zählt: Mitdenken - Mitmachen - Mitwählen"

Statement bei der Pressekonferenz zu den PGR Wahlen 2015 am 5. Oktober 2015 im Bischöflichen Ordinariat in Mainz

Datum:
Montag, 5. Oktober 2015

Statement bei der Pressekonferenz zu den PGR Wahlen 2015 am 5. Oktober 2015 im Bischöflichen Ordinariat in Mainz

[Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Schwestern und Brüder!]

Am 7. und 8. November 2015 findet in unserer Diözese Mainz und in den benachbarten Bistümern Fulda, Limburg und Trier die Wahl der Pfarrgemeinderäte statt. Seit dem Jahr 1968, als die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils bzw. der Würzburger Synode erstmals umgesetzt wurden, zählen wir die inzwischen 13. Amtsperiode. Zur Wahl aufgerufen sind im Bistum Mainz 660.000 Katholiken, die in allen 322 Pfarreien bzw. Seelsorgsstellen der Diözese sowie in den gut zwanzig Gemeinden von Katholiken einer anderen Muttersprache stattfindet. Die Wahl wird alle vier Jahre durchgeführt. Auf die Möglichkeit der Briefwahl möchte ich eigens aufmerksam machen. Wir haben dadurch eine größere Beteiligung erreicht.

Mit dem Herrn Generalvikar, dem Herrn Weihbischof sowie dem Domkapitel und den Mitgliedern der wichtigsten Gremien im Bistum möchte ich Sie einladen, an dieser Wahl teilzunehmen. Dies geschieht auf doppelte Weise: Einmal bitte ich Sie um die Wahrnehmung der Wahlmöglichkeit am 7./8. November. Ich bin aber auch sehr dankbar, wenn Sie sich in den Gemeinden als Kandidatin bzw. Kandidat zur Verfügung stellen.

Auch wenn wir nun zum 13. Mal zur Wahl aufrufen, so ist es doch keine selbstverständliche Routine, dass wir Pfarrgemeinderäte haben. Der Pfarrgemeinderat muss ganz vom Christsein und von den Aufgaben der Gemeinde her gesehen werden. Deswegen muss man aber auch zuerst die Aufgaben aller Christen und der Gemeinde bedenken. Alle Getauften und Gefirmten sind aufgerufen, in ihrer Gemeinde als der Kirche vor Ort aktiv ihr Christsein in den unterschiedlichsten Formen zu leben und zu bezeugen. Das Neue Testament und die Sprache der christlichen Kirchen nennen dieses Fundament das „gemeinsame Priestertum". Gremien und rechtliche Regelungen sind da zunächst nicht im Blick, sondern die Bewährung des Glaubens im Alltag des Lebens. Die Bischofskonferenz hat diese Dimension des Christseins in mehreren größeren Texten der letzten Zeit sehr betont.

Dieses Christsein steht nicht im Gegensatz zu konkreten, vor allem hauptberuflichen Diensten und Ämtern in der Gemeinde. Alle, auch der Pfarrer und die Inhaber pastoraler Berufe, müssen sich zuerst im täglichen Christsein bewähren. Man darf nie vergessen, dass das „gemeinsame Priestertum" allen Christen - unabhängig von einer Funktion und einem Amt - dieselbe Würde der Taufe, die Einzigkeit des unverwechselbaren Namens und eine radikale Gleichheit im Glauben zuerkennt.

Deshalb ist es wertvoll, wenn möglichst viele Schichten und Gruppen von Menschen in einer Gemeinde im Pfarrgemeinderat vertreten sind: Frauen und Männer, Junge und Alte, Gesunde und Kranke, Einheimische und Zugezogene, vor allem aber auch die Katholiken einer anderen Muttersprache. Für das gute Gelingen dieser Gemeinschaft im Pfarrgemeinderat sind nicht nur guter Wille und aufrichtige Gesinnung notwendig. Wir brauchen auch Spielregeln, vergleichbar der Demokratie und parlamentarischer Gremien, um unsere Räte zu wählen und funktionstüchtig zu gestalten. Jedoch darf man dabei nie vergessen, dass es sich nur um stützende Hilfen für ein Gebilde handelt, das nicht ausschließlich mit Strukturen und Normen gesellschaftlich-politischer Vereinigungen erklärbar ist, wie es z. B. Parlamente und Parteien sind. Ich bitte Sie ganz besonders um das Eintreten junger Mitchristen in unsere Räte und um die Übernahme von Verantwortung.

Der hl. Paulus setzt voraus, dass es in jeder Gemeinde Menschen mit besonderen Fähigkeiten und Fertigkeiten gibt. Sie sollen ihre Begabung, ihre so genannten Charismen für den Aufbau des Reiches Gottes in das Ganze der Gemeinde einbringen. Wenn Laien dem Pfarrer in verschiedenen Dingen zur Seite stehen, dann ist dies nicht in erster Linie eine Notwendigkeit des heute oft gegebenen Priestermangels. Vielmehr geht es zuerst um die Einheit und Zeugniskraft der Gemeinde in der Vielfalt ihrer Mitglieder und deren Fähigkeiten. Partizipation, Teilnahme in einem umfassend verstandenen Sinn, gehört zur Mitverantwortung der Christen.

Auch die Kirche ist in einer Welt, die immer mehr von einer Aufsplitterung in viele eigenständige Lebensbereiche und von einer hoch spezialisierten Arbeitsteilung bestimmt wird, umso mehr auf diese vielfältige Mitwirkung angewiesen.

Der Pfarrgemeinderat, der im deutschen Sprachraum in verschiedener Form oft schon vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil existierte, aber nach dem Konzil von der Gemeinsamen Synode der Bistümer der Bundesrepublik Deutschland (Würzburger Synode) stärker auf den Weg gebracht worden ist, ist eine auch rechtlich ausgestaltete Form, um der Teilhabe und Mitverantwortung der Christen vor Ort Ausdruck zu geben. Er ist nicht nur ein Rat für die pastoralen Belange („Seelsorgerat"), wie in vielen Kirchen, sondern bei uns ist er zugleich eine Zusammenfassung und ein Organ der Laienaktivitäten („Laienapostolat"). Der Pfarrgemeinderat ist also der geeignete Ort einer Gemeinde, wo die wichtigsten Aufgaben immer wieder vor Augen stehen und in die Praxis umgesetzt werden. Dies kann natürlich der Pfarrgemeinderat nicht allein, sondern er hat dafür Sachausschüsse, Arbeitskreise und einzelne Beauftragte. Die finanziellen Belange und viele rechtliche Befugnisse übernimmt der Verwaltungsrat. Nicht wenige Aufgaben werden von Vereinen und Verbänden vor Ort mitgetragen, z. B. in der Arbeitswelt. Es ist aber wichtig, dass es im Pfarrgemeinderat einen Ort gibt, wo die Gesamtverantwortung für das christliche Leben in einer Gemeinde sichtbar wird, zugleich auch die Kontakte zu den Schwesterkirchen und den anderen Religionen, aber auch zu weltlichen Institutionen wahrgenommen werden. Im Bereich der Kirche unseres Landes hat der Pfarrgemeinderat nicht nur ein beratendes, sondern ein entscheidendes Stimmrecht, das freilich in seelsorglichen Fragen und besonders im Bereich der Glaubenslehre durch ein Vetorecht des Pfarrers an eine Grenze kommt.

Wir können in unserem Land und besonders auch im Bistum Mainz dankbar sein für die vielen Frauen und Männer, die in den letzten bald 50 Jahren bereit waren, in den Pfarrgemeinderäten mitzuwirken. Sie haben geholfen, unsere Gemeinden vielfältiger und lebendiger werden zu lassen. Mit den Pfarrern und den übrigen pastoralen Berufen danken wir von Herzen für manchen guten Rat und viele tätige Mithilfe, die wir auf allen Feldern des kirchlichen Lebens von den Räten auf Gemeinde- und auf Bistumsebene empfangen haben und immer wieder erhalten. Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass es auch in der einen oder anderen Gemeinde, evtl. auch gelegentlich in der Zusammenarbeit mit dem Pfarrer, zu nicht immer leicht lösbaren Spannungen und Konflikten kommt. Wir versuchen - auch durch die Gemeindeberatung - alles, um zu einem neuen friedlichen Miteinander zu kommen. Die begrenzte Amtszeit von vier Jahren ist aber auch eine gute Gelegenheit zum Wechsel der Mitglieder eines Rates und zu einem Neuanfang. Wir dürfen uns durch Rückschläge nicht entmutigen lassen.

Die Kirche ist in eine Krise gekommen, was man an den auch bei uns gestiegenen Zahlen von Kirchenaustritten erkennen kann. Ich möchte Sie herzlich bitten, sich durch diese Entwicklungen, vor allem aber durch die negativen Stimmungen, die zusätzlich zu den berechtigten Enttäuschungen entstanden sind, nicht entmutigen zu lassen. Deshalb verbinde ich mit diesem Aufruf die dringende Bitte, am 7./8. November 2015 die Einladung zur Wahl anzunehmen und sich auch als Kandidatin bzw. Kandidat zur Verfügung zu stellen. Dafür danke ich Ihnen allen!
Ich erbitte für Sie alle Gottes reichen Segen und bleibe mit herzlichen Grüßen

Ihr Bischof

+ Karl Kardinal Lehmann

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

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