„Moscheebau"

Zu einem offenbaren Reizwort

Datum:
Samstag, 4. Oktober 2008

Zu einem offenbaren Reizwort

Gastkommentar für die Mainzer Kirchenzeitung "Glaube und Leben" im Oktober 2008 

Es gibt Worte, die schon durch ihre Existenz Menschen in Zorn ausbrechen lassen. Zu den aufreizenden Worten unserer Tage gehört für manche Menschen das Wort „Moscheebau". Von Zeit zu Zeit - besonders bei einem Bauprojekt in der Nähe - gerät das Blut besonders in Wallung.

Als die Bischofskonferenz vor gut vier Wochen eine Erklärung „Zur öffentlichen Diskussion über den Bau von Moscheen" veröffentlichte, habe ich sogar einige Kirchenaustritte erhalten. Man spürte, dass schon ein sehr nüchternes Wort zu diesem Thema das Fass zum Überlaufen brachte. Leider haben sehr viele unser Wort gar nicht gekannt und auch kaum einen Versuch näherer Informationen über es gemacht.

Es war für die Rezeption freilich schädlich, dass ein nicht unerheblicher Teil der elektronischen und der gedruckten Medien vor allem das Eintreten der deutschen Bischöfe im Sinne einer grundsätzlichen Zulassung von Moscheebauten überhaupt berichtete, sehr wenig aber von den Bedenken und Einschränkungen, die im Text zu finden sind. Es gibt jedenfalls eine ganz grundlegende Aussage, zu der wir stehen: Mit dem Recht auf religiöse Freiheit ist auch das Recht auf den Bau von Moscheen verknüpft. Mindestens gilt dies, wenn man mit einer längerfristigen Anwesenheit vieler Muslime in unserem Land rechnen muss.

Wir haben in diesem Zusammenhang freilich auch auf manche Rücksichtnahmen gepocht, die notwendig sind: Selbstverständlich muss das geltende Bauplanungs- und Bauordnungsrecht beachtet werden; bei Großprojekten sind mögliche Auswirkungen auf die Anwohner in Rechnung zu stellen; die städtebaulichen und sozial-geografischen Entwicklungsperspektiven müssen in die Planungen einbezogen werden; „Die Herausbildung einseitiger Bevölkerungsstrukturen sollte vermieden werden, die Moschee sollte sich in die vorhandene Umgebung einfügen und gewachsene Baustrukturen (z.B. Denkmäler und städtebauliche Ensembles) nicht beeinträchtigen." Schließlich ist auch die Frage nicht von der Hand zu weisen, ob die Errichtung einer Moschee mit zahlreichen Versammlungen und Schulungsräumen, mit Geschäftslokalen und Büros für Dienstleistungen verbunden sein muss.

Wir haben im Einzelfall auch das Recht auf Kritik an Plänen nicht ausgeschlossen. Wir haben jedoch alle Versuche verurteilt, Sorgen und Ängste der Bevölkerung politisch zu instrumentalisieren. „Kritik ist erlaubt, Hetze nicht. Auch in besonders kontroversen Debatten muss der Geist eines gedeihlichen Zusammenlebens herrschen." Andere Empfehlungen fehlen nicht, wie z.B.: „Im Hinblick auf Auseinandersetzungen, die oft um die Höhe des Minaretts geführt werden, ist daran zu erinnern, dass religiöse Bauten in einer sich religiös pluralisierenden Gesellschaft nicht zum Ausdruck von Machtansprüchen, Rivalität oder eines aggressiven Gegeneinanders missbraucht werden dürfen. Von den Bauträgern darf erwartet werden, dass sie sich ernsthaft darum bemühen, berechtigte Anliegen der Anwohner zu berücksichtigen. Dies trägt dazu bei, Konflikte zu vermeiden oder zu entschärfen."

Ich möchte damit eigentlich nur auf die vielen Gesichtspunkte und die differenzierte Argumentation aufmerksam machen. Es gibt selbstverständlich noch viele Probleme, die hier zu erörtern sind. So fordern wir seit Jahrzehnten, dass Christen in islamischen Ländern gleichfalls individuelle und gemeinschaftliche Religionsfreiheit genießen. Wir bitten deshalb die in unserem Land lebenden Muslime gemeinsam mit uns auch für die Religionsfreiheit in islamischen Ländern einzutreten. Wenn dies nicht so schnell zu Erfolgen führt wie wir wünschen, dann ist dies kein Grund, dass wir als demokratischer Staat Andersgläubigen die volle Ausübung der Religionsfreiheit verwehren.

Das Thema ist unerschöpflich. Wenn man nicht nüchtern und kühl, rechtlich und einfühlsam an die Probleme herangeht, schlagen auf allen Seiten rasch die Emotionen durch. In diesem Sinne möchte unser bewusst als Diskussionspapier verstandenes und aufgebautes Dokument eine Orientierungshilfe für die notwendigen Gespräche und auch die öffentliche Auseinandersetzung sein. Aber dies alles setzt etwas bei allen, die sich damit beschäftigen, voraus: entschiedener Wille zu einer besseren Information und Aufklärung, umsichtiges Argumentieren statt purer Leidenschaftlichkeit, Gelassenheit anstelle von Agitation - und schließlich auch im Blick auf die Bischofskonferenz das Vertrauen, dass wir solche Aussagen gewiss mit Rücksicht auf alle Bevölkerungsgruppen formulieren.

(c) Karl Kardinal Lehmann 

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz