Nebelwerferei. Nachbemerkung zum Streit um die Pius-Brüder

Beitrag in der Kirchenzeitung des Bistums Mainz "Glaube und Leben"

Datum:
Mittwoch, 25. März 2009

Beitrag in der Kirchenzeitung des Bistums Mainz "Glaube und Leben"

Manchmal ist in diesen Wochen bei der Berichterstattung und Diskussion um die vier zu Bischöfen geweihten Pius-Brüder etwas Merkwürdiges geschehen: Wenn man Papst Benedikt XVI. verständlich zu machen suchte und auch verteidigte, wurde man wegen „Kritik am Papst" getadelt und nicht selten beschimpft. Auch wenn man diese unglückselige Geschichte nicht durch eigene Äußerungen fortspinnen möchte, müssen doch einige Dinge geklärt werden.

So habe ich selbst z.B. nie - obwohl dies von verschiedener Seite immer wieder behauptet worden ist - den Papst kritisiert. Dies wäre zwar durchaus etwas, was - wenn überzeugende Gründe vorliegen - im Rahmen des katholischen Glaubens möglich ist. Der Papst ist ja keineswegs in allem, was er sagt und tut, automatisch unfehlbar. Manche meinen dies wohl. Im konkreten Fall gibt es jedoch zu einer solchen Kritik keinen Anlass. Ich habe bei mehreren Gelegenheiten und von Anfang an erklärt, der Papst sei bei der Aufhebung der Exkommunikation bis zum Äußersten gegangen. Bis heute hat er dafür nicht das nötige, gebührende Entgegenkommen gefunden. Deswegen verdient er keinen Tadel, schon gar nicht mit den Verdächtigungen, er stehe nicht genügend hinter dem Zweiten Vatikanischen Konzil, sei ein verkappter Traditionalist oder verurteile nicht ausreichend jeglichen Antisemitismus.

Aber in der ganzen Angelegenheit sind ohne Zweifel Fehler gemacht worden. Im Vatikan hat man dies selbst eingestanden. So hat man doch zweifellos den Papst nicht genügend über die Hintergründe von Bischof Williamson informiert, wer immer dafür verantwortlich ist. Es gibt auch genügend Einigkeit darüber, dass die Konfliktstrategie der Kurie, nachdem die Scherbenhaufen einmal da waren, unglücklich war und nicht funktionierte. Kein Mensch, der mit der öffentlichen Meinung umzugehen pflegt, wird dies leugnen.

Hier muss man nun aber sorgfältig unterscheiden. Der Papst ist wie andere hohe und höchste Verantwortliche in ihren Gemeinschaften selbstverständlich auf solche Informationen angewiesen. Bei seiner hohen Autorität und Entscheidungsgewalt braucht er sogar eine besonders sorgfältige objektive Zuarbeit. Wenn diese Informationen zur Fassung seiner Äußerungen und Entscheidungen fehlen oder mindestens unvollständig sind, ist nicht der Papst selbst zu kritisieren, sondern das - sagen wir einmal -Management der Kurie. Ich gehe nicht so weit wie einige, die erklärten, man habe in Rom den Papst „ins offene Messer laufen lassen". An dieser Stelle habe ich selbst in der Diskussion von Anfang an gesagt: Der Papst tut mir leid, weil seine guten Absichten so missverstanden worden sind; oder: Ich nehme den Papst in Schutz, weil man ihm selbst nicht Versäumnisse anderer anlasten soll.

An der Kurie hat es deswegen, wie manche Leute meinen, nicht bloß unfähige und verbohrte Menschen. Man findet dort viele tüchtige Experten und gute  Sachbearbeiter. Aber offenbar gibt es einige Mängel und Lücken, die sich hier besonders bemerkbar machen, ob strukturell oder personell bedingt.

Nur eines ist unerträglich: Wenn man dieses Fehlverhalten oder mindestens diese Ungeschicklichkeit der Kurie beim Namen nennt, kritisiert man nicht den Papst selbst. Manche möchten natürlich an der Aura des päpstlichen Amtes und damit auch der Unfehlbarkeit teilhaben. Darum muss man auch nicht behaupten, alle Kritik ziele letzten Endes nur auf den Papst selbst und entstamme einer Verschwörung gegen ihn. Gewiss gibt es einige Leute, die in dieser schwierigen Situation wieder einmal ihren antikatholischen Ressentiments nachgaben. Nur muss man den grundsätzlichen Unterschied zwischen dem Papst und den ihm zugeordneten und dienenden Instanzen vor Augen haben. Manchen fällt dies schwer, ob sie nun von links sofort alle Kritik in Papstkritik ummünzen, oder von rechts alles nur auf den Papst gezielt sehen wollen. Dabei sind die Dinge so einfach. In dieser Auseinandersetzung haben sich wieder einmal überholte Mentalitäten geoffenbart. Vielleicht gehört dies zu den erschreckenden Erfahrungen dieser Wochen. „Es ist furchtbar, was passiert." schrieb mir ein ganz kirchlicher Theologe.

Ich meinte auch, wir hätten mehr gelernt. Dennoch gehen wir weiter einen nüchternen und zuversichtlichen Weg, der den Mut hat zu Unterscheidungen und im Grunde keine Alternative kennt.

Alles andere habe ich in meinem Hirtenwort zur Österlichen Bußzeit „Kirche - wohin gehst du? Eine Orientierung zur Diskussion um den Weg nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil" gesagt, das am 1. März verlesen worden ist, in den Gemeinden schriftlich zur Verfügung steht und auch im Internet heruntergeladen werden kann: www.bistum-mainz.de/kardinalEs soll keiner sagen, man finde keine Informationen. Den Mut zur Aufklärung und zur Bedienung des eigenen Verstandes braucht man jedoch selbst.

(c) Karl Kardinal Lehmann

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz