Neujahr religiös

Der Jahresanfang in der katholischen Kirche

Datum:
Sonntag, 25. Januar 2009

Der Jahresanfang in der katholischen Kirche

Gastkommentar für die Mainzer Kirchenzeitung "Glaube und Leben" im Januar 2009

 Es mag überraschen, dass der Beginn eines neuen Jahres, der bei fast allen Völkern festlich begangen wird, als solcher in der Liturgie wenig beachtet wird. Zwar gibt es eine „Messe zum Jahresbeginn", die jedoch nicht am 1. Januar gefeiert werden soll. Dieser Tag ist dem Hochfest der Mutter des Herrn vorbehalten. Auch wenn dies etwas unbefriedigend ist im Blick auf die Bedeutung des Jahresanfangs, so sagt die Kirche doch über den Beginn eines neuen Jahres sehr viel mehr.

Die Liturgiereform nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil hat acht Tage nach Weihnachten (Oktav) den Festtag der Mutter Gottes angesetzt. Dies kann leicht zu viel werden: Jahresanfang - Oktavtag von Weihnachten - Festtag der Mutter Gottes. Aber dies ist noch nicht alles. Aus der Geschichte der Liturgie gibt es ab dem Hochmittelalter am 1. Januar das Fest der Namensgebung Jesu. Das Fest „Namen Jesu" hat einen guten biblischen Grund. Für die Bibel und viele Kulturen ist der Name der Inbegriff des Wesens einer Person und Ausdruck für die Person selbst. Wenn wir jemand schätzen und lieben, wird uns sein Name kostbar. In der Bibel ist im Namen Jesu seine Heilswirksamkeit gegenwärtig. „Jesus" ist ja der Name, der Maria und Josef geoffenbart wird (Lk 1,31; Mt 1,21). Übersetzt heißt Jesus „Gott rettet". Nicht nur Jesus gebraucht die Wendung „in meinem Namen" (vgl. z.B. Mt 10,22; 18,20), sondern auch die Jünger benutzen das Wort bei Predigten und bei der Heilung in Vollmacht (vgl. Apg 3,6 u.ö.). Eine starke Stütze fand die Verehrung des Namens Jesu im berühmten Hymnus im Philipperbrief: „Darum hat ihn (Jesus) Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen, damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihre Knie beugen vor dem Namen Jesu." (2,9 f.)

So ist es verständlich, dass im Lauf der Jahrhunderte, besonders in der Neuzeit, ein eigenes Namens-Jesu-Fest eingeführt und mit dem Neujahrstag verbunden wurde. Als eigenes Fest fiel es der Liturgiereform zum Opfer. Als wichtiges Heilsgeheimnis wird es im Evangelium des Neujahrtages auch heute zur Sprache gebracht. Einzelne Ordensgemeinschaften, wie die franziskanischen Orden und die Jesuiten, haben in ihrem Eigenkalender und in ihren Ausgaben des Messbuchs die Erinnerung an dieses Fest behalten.

Es hat einen guten Sinn, nämlich das Neujahr „im Namen Jesu" zu beginnen und lebendig zu bewahren.

Der Christ vertraut sich und seine Rettung über alle unvorhersehbaren Ereignisse eines Jahres und der Zeit hinweg Gott selber an, der in Jesus Christus sichtbar und leibhaftig in unsere Welt gekommen ist. Er kann uns deshalb auch in besonderer Weise retten. Erweitert man die Kurzformel „im Namen Jesu" in Richtung des dreifaltig gefassten Kreuzzeichens „Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes", dann wird dieses Vertrauen auf den dreifaltigen Gott für ein ganzes Jahr noch offenkundiger. Indem wir unseren ganzen Leib bekreuzigen und dies zugleich nach allen „Himmels"-Richtungen hin geschieht, bringen wir zum Ausdruck, dass wir zu Beginn eines Jahres auch das Heil konkret für uns und die Welt erwarten. Daran knüpfen unsere Segenswünsche an, die wir in säkularer Kurzform kennen: „Gutes neues Jahr", „Glückliches neues Jahr".

In neuester Zeit hat das Neujahrsfest nach dem Konzil noch einen zusätzlichen Akzent erhalten. Er macht zwar in gewisser Weise das Neujahrsfest kirchlich noch unübersichtlicher, hat aber auch einen guten Sinn. Es ist die Feier des Weltfriedenstages am 1. Januar. Für die Feier des Neujahrstages ist dies im Sinne einer Überladung mit Motiven fast zu viel. Aber die Päpste haben in den letzten 40 Jahren durch ihre Botschaften zum Weltfriedenstag in der Verkündigung der Kirche zu sozialen und gesellschaftlich-politischen Fragen einen wichtigen Schwerpunkt gesetzt. Ich habe schon mehrfach darauf hingewiesen, dass diese Botschaften zum Weltfriedenstag ein eigenes Kompendium der Sozialverkündigung der Kirche bilden und angesichts des bleibenden Unfriedens in unseren Tagen, gerade auch wieder in diesem Jahr, hoch aktuell ist.

Dieser Weltfriedenstag wird seit 1968 von der Kirche begangen und geht auf eine Initiative Pauls VI. zurück. In dem für den Weltfriedenstag jeweils gewählten Thema setzt sich die Kirche meist, ohne sich freilich an Aktualitäten zu verlieren, mit einem konkreten Thema der Soziallehre auseinander und erweitert damit auch den Grundbestand der kirchlichen Sozialverkündigung. Schließlich beginnt die Eucharistiefeier mit dem Friedensgruß und gibt der Friedensbotschaft im konkreten Austausch des Friedensgrußes vor der Kommunion lebendigen Ausdruck.

In diesem Jahr hat Papst Benedikt XVI. Weltfriedenstag mit folgendem Thema verbunden: „Die Armut bekämpfen, den Frieden schaffen." Ich kann die Botschaft des Hl. Vaters vom 8. Dezember 2008 nur der Aufmerksamkeit empfehlen. Bei den aktuellen kriegerischen Auseinandersetzungen im Heimatland Jesu wird dies nur noch dringlicher. Papst Paul VI. hat uns schon 1976 zusammenfassend gesagt: „Der Frieden hat nur Bestand durch jenen Frieden, der zwar nicht losgelöst ist von den Pflichten der Gerechtigkeit, der aber doch gespeist wird vom eigenen Opfer, von der Güte des Herzens, von der Barmherzigkeit und von der Liebe."

Wir haben also keinen Mangel an Themen und Motiven für die Feier des Neujahrtages.

(c) Karl Kardinal Lehmann

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz