Es besteht kein Zweifel, dass viele Christen ein wenig ausgeprägtes Verhältnis zum spezifisch christlichen, nämlich trinitarischen Gottesverständnis haben. Man weiß zwar formelhaft um die drei Personen in dem einen Gott, aber für die eigene Lebenswirklichkeit und auch für viele theologische Reflexionsgänge hat dies in der Regel keine große Bedeutung. Darum hat Karl Rahner schon vor Jahrzehnten immer wieder formuliert, "dass die Christen bei all ihrem orthodoxen Bekenntnis zur Dreifaltigkeit in ihrem religiösem Daseinsvollzug beinahe nur ‘Monotheisten’ sind" (Der dreifaltige Gott als transzendenter Urgrund der Heilsgeschichte in: Mysterium Salutis II., 317-401, hier: 319.)
Es mag sein, dass sich in der Praxis des religiösen Alltags an dieser Einschätzung nicht so viel geändert hat, obgleich das religiöse Leben sehr vielschichtig ist und nicht so leicht auf einen Begriff gebracht werden kann. Aber in der durchschnittlichen Theologie sieht es im ganzen auch nicht sehr viel besser aus. Am meisten kam, vom dogmatischen Traktat abgesehen, die Dreifaltigkeit in der Liturgie vor. Hier hat sich allerdings in den letzten Jahrzehnten nun doch viel geändert. Die vermehrte Zuwendung zur Christologie hatte immer stärker auch zur Konsequenz, dass auch die Verankerung des Christusereignisses im Dreifaltigen Gott tiefer bedacht wurde. In diesem Sinne gibt es in den letzten Jahrzehnten eine intensive Renaissance der Trinitätslehre auf evangelischer und katholischer Seite. In der evangelischen Theologie leisteten dies im Anschluss an Karl Barth und in jeweils recht eigenständiger Weise Eberhard Jüngel, Jürgen Moltmann und Wolfgang Pannenberg. Auf katholischer Seite stehen hierfür Karl Rahner und Hans Urs von Balthasar, schließlich aber auch Yves Congar, Walter Kasper, Heribert Mühlen und zuletzt besonders Gisbert Greshake mit seinem groß angelegten Buch "Der Dreieine Gott" (vgl. auch die zusammenfassende kürzere Ausgabe). ( Freiburg 1997, 3. Auflage 1998; zusammenfassend: An den drei-einen Gott glauben. Ein Schlüssel zum Verstehen. Freiburg 1998). Dabei sollte man für die frühere deutschsprachige Dogmatik und besonders die Verdienste von Michael Schmaus nicht vergessen. In diesem Sinne hat in der Theologie ein ganz erstaunlicher Umschwung stattgefunden, der in den neueren Katechismen und Lehrbüchern schon kräftige Spuren hinterlassen hat, aber in vielen Bereichen des kirchlichen Lebens wohl noch nicht genügend Resonanz finden konnte.
Wir können uns über diesen Neuanfang nur freuen. Die seit dem letzten Jahr in den Domvorträgen veranstaltete Reihe zu diesem Thema ist eine Auswirkung dieses Prozesses und kann zugleich neue Anstöße zur weiteren Vertiefung leiten. Hier besteht ganz gewiss noch großer Nachholbedarf, im Religionsunterricht nicht weniger als in der Erwachsenenbildung und erst recht in der Predigt.
In der Tat kann man in der heiligen Schrift verschiedene Redeweisen von und über Gott hören. Das Wort "Gott" ist durch innere Differenzierungen charakterisiert. Es bringt eine personale Verschiedenheit und dennoch eine Einheit mit sich. Dabei steht beides - Verschiedenheit und Einheit - nicht unter- oder übereinander, sondern gleichursprünglich miteinander. So erscheint der "Vater" als der unendlich erhabene Gott "über uns", der sich dennoch uns ganz mitteilen möchte. Jesus Christus erscheint als der Gott "vor uns" und "neben uns": Er ist das Wort Gottes, das uns anspricht, der Herr, der uns vorangeht, und der begleitende Bruder, der auf den Wegen des Lebens mitgeht. Schließlich ist der heilige Geist eher der Gott "in uns", der uns inwendig Gottes Wort verstehen lehrt, der uns in die göttliche Wirklichkeit hineinführt, alle menschlichen Denk- und Vorstellungsweisen übersteigen hilft und uns im täglichen Leben zu einer entsprechenden Antwort befähigt.
So stehen wir nicht einem einsamen, eher verschlossenen Gott gegenüber, sondern sind immer schon in die dreifaltige Lebensgemeinschaft Gottes einbezogen. Wir stehen immer schon im "Beziehungsgefüge" dieses vielfachen göttlichen Lebens. Wir haben gerade in den Domvorträgen immer wieder vor Augen gestellt bekommen, dass der Gott der Bibel und zumal der Christen keine einsame Monade in ferner Transzendenz ist, sondern dass er sich bereits durch die Schöpfung auf die Welt und auf die Geschichte hin öffnet und bewusst Partner zu einem gemeinsamen Leben, ja zu einem "Bund" beruft, der Anteil gibt am göttlichen Leben. Wir werden also immer schon von einer Lebenswirklichkeit getragen, die im Raum von Vater, Sohn und heiligen Geist geprägt ist.
Von uns aus wären wir nicht in der Lage, diesen Beziehungsreichtum in Gott zu entdecken und richtig zu verstehen. Darum ist es konsequent, diese Selbsterschließung Gottes im strengen Sinne als Offenbarung zu begreifen. Man kann sogar sagen, dies sei die Offenbarung schlechthin, weil nur so sich die anderen Offenbarungsereignisse anschließen und verständlich machen können. Aber wenn diese Selbsterschließung Gottes ergangen ist, dann hat sich Gott nicht schlechterdings enthüllt und liegt keineswegs sonnenklar vor unseren Augen. Gott ist und bleibt auch in der Offenbarung selbst der Geheimnisvolle. Das Mysterium Gottes wird durch die Offenbarung nicht kleiner, sondern wächst.
Dies ist so etwas wie der Grundbefund im Neuen Testament. Es kommt jetzt darauf an, uns diese biblische Struktur nochmals näherzubringen.
Wir sagten früher, dass die Vertiefung der Christologie auch zu einer Neuentdeckung der wahren Tiefe der trinitarischen Strukturen geführt habe. Das Verhältnis Jesu zu seinem Vater ist dabei die Achse aller christologischen Entwürfe des Neuen Testamentes. Die Interpretation dieses Bezugs ist die innere Problemmitte des altkirchlichen Bekenntnisses zu Jesus Christus.
Der erste Teilschritt in der Entfaltung könnte daher in folgender Weise zusammengefasst werden: Jesus offenbart in seinem Tun und durch sein Wort in einer neuen Weise Gott als Vater. Dabei ist dieses Vaterverständnis religionsgeschichtlich neu und einzigartig. Es geht nicht um Vorstellungen, die mit der physischen Erzeugung des Kosmos oder von Menschen durch einen göttlichen Schöpfer zusammenhängen. Es geht um das Verhältnis der Erwählung des Volkes Israel durch Gott. Schon das Volk Israel wird "der erstgeborene Sohn Gottes" genannt. Jahwe ist darum Israels Vater; auch wenn der erwählte König des Volkes "Sohn Gottes" genannt werden kann, geht es nicht um physische Sohnschaft, sondern durch Erwählung und Bevollmächtigung von Seiten des Vaters erhält der Beauftragte eine bestimmte Rechts- und Machtstellung. Darum heißt er "Sohn". Die durchaus mythisch orientierte Vorstellung von einer physischen Gottzeugung, die besonders in der hellenistischen Welt bekannt war, wurde in Israel radikal abgewandelt in eine auf personale Erwählung begründete Gottessohnschaft. Man denke hier nur an die alte Nathan-Verheißung: "Ich will ihm Vater sein, und er soll mir Sohn sein" (2 Sam 7,14; Ps 89,27).
Gott ist Vater über Böse und Gute, Gerechte und Ungerechte. Ein ganz entscheidender Zug Gottes als des gütigen Vaters zeigt sich in der Erzählung vom verlorenen Sohn, welche freilich eher ein Gleichnis vom grenzenlosen Erbarmen Gottes zum Verlorenen darstellt. Gott als Vater der Verlorenen, dies ist ein wichtiges Motiv. Es sind gerade auch die Kleinen, die Armen und Verachteten, die Gott schützt. Wer auf ihn vertraut, hat auch die Gewissheit, dass er nicht im Tod bleibt. Stärker als alle Fragen und Nöte ist das eine Wort "Abba": Der Vater weiß und trägt. Jesus offenbart also in seinem Tun und in seinem Wort das Antlitz Gottes des Vaters.
Hier geht es also nicht um einen herrischen, Angst einjagenden, despotischen "Vatergott", der für viele Menschen die sinnbildliche Darstellung gewalttätiger Herrschaft und willkürlicher Züchtigung darstellt. Jesus offenbart uns den göttlichen Gott. Ein weiterer Schritt ist damit gegeben, dass Jesus das Verhältnis zum Vater noch in besonderer Weise durch den ihm eigenen Gebrauch des aramäischen "Abba" steigert. Besonders wichtig ist hier Mk 14,36: "Abba, Vater, dir ist alles möglich, lass diesen Kelch an mir vorübergehen; doch nicht was ich will, sondern was du willst." Dabei drückt dieses Wort auf besondere Weise die einmalige Nähe und Intimität Jesu zum Vater aus. Die Neuheit und Einmaligkeit dieser Gottesanrede zeugt von einer solchen Vertrautheit und Innigkeit der Beziehung, wie wir sie sonst nicht kennen. Zugleich schwingt ein vertrauendes Sichgeborgenwissen mit, das jedoch gewiss nicht mit gewöhnlicher Vertraulichkeit verwechselt werden darf. In aller Nähe bekunden sich zugleich mit Nähe und Vertrautsein auch Abstand und Gehorsam. Es ist nicht überraschend, dass das Judentum mit dem Gebrauch dieses Lallwortes "Abba" in der Sprache der Kinder und Jugendlichen in der Anwendung auf Gott Vater zurückhaltend war. (Ich weiß, dass es auch andere exegetische Deutungen gibt, halte aber diese Interpretation nicht für völlig ausgeschlossen.)
Dieses einmalige Verhältnis wird im Neuen Testament noch verstärkt im sogenannten "johanneischen Logion" und auch in der ganzen johanneischen Theologie. Das Logion (vgl. Mt 11,25-27) ist oft ausgelegt worden, sodass ich es an dieser Stelle eher in seiner ganzen Bedeutung erschließen möchte:
Die gegenseitige Erkenntnis von Vater und Sohn umfasst die gesamte Wirklichkeit beider und geht auf den Grund des Seins derer, die sich so als Vater und Sohn einander mitteilen. In diesem Sinne geht es also offenbar um konstitutive Wesensbestimmungen, die das ganze Sein betreffen.
Jesus allein kennt wirklich den Vater auf eine vollkommene Weise. Jede andere Erkenntnis Gottes ist im Vergleich dazu begrenzt und kommt nur durch Teilhabe an dieser zustande.
Jesus allein kennt Gott in seiner Eigenschaft als Sohn in exklusiver Weise, insofern dieser sein Vater im vollen Sinne ist. Man wird unwillkürlich an Joh 7,29 erinnert: "Ich aber kenne ihn, weil ich von ihm bin und er mich gesandt hat."
Allein die Offenbarung durch den Sohn kann den Zugang zum Vater öffnen. Jesus ist also zur Offenbarung des Vaters gesandt. Es ist gerade hier eine höchst überraschende, beinahe paradoxe Struktur zu finden: Wo in absolut einzigartiger und exklusiver Weise die Beziehung zwischen Jesus und seinem Vater herausgestellt wird, bleibt es bei aller Ausschließlichkeit dieser Relation nicht bei einer immanenten Betrachtung, sondern das Verhältnis öffnet sich zur Teilhabe und zur Kommunikation. Aussagen über das Wesen werden von dieser Sendung und zugleich Teilhabe an ihr nicht getrennt, vielmehr ist alle Mission im Leben des dreifaltigen Gottes gegründet.
Die johanneische Theologie wird dies noch mehr entfalten. Durch den absolut gebrauchten Titel bzw. Name "der Sohn", wie er bereits an zwei synoptischen Stellen erscheint (vgl. Mt 11,17; Mk 13,32), wird dieser Prozess noch weitergetrieben. Jesu ganze Existenz wird von seiner Sohnschaft her umschrieben. Seine Herkunft ist nichts anderes als Ursprung und Rückbezug zum Vater. Dieses Verhältnis birgt eine zweifache Dimension in sich, die nur in der Sohn-Vater-Relation widerspruchslos zum Ausdruck kommen kann, nämlich zum einen eine ganz eng zusammengehörende Einheit und zum andern eine äußerste Form des Abstandes, der im Gehorsam des Sohnes dem Vater gegenüber besonders erkennbar wird. Jesus ist schlechthin der Gesandte des Vaters. Seine ganze Existenz zielt auf die Erfüllung der Sendung durch den Vater. Immer wieder ist von diesem Ineinandersein und den dadurch bedingten wechselseitigen Einheitsaussagen die Rede: "Ich und der Vater sind eins" (Joh 10,38; 14,10.20; 17,21-23)
Jesus vertritt aber Gott nicht nur in einer Art Einzelauftrag. Gott hat in Jesus einen "Generalbevollmächtigten", der eine dauernde Vollmacht innehat, die die irdische Repräsentation steigert. Es geht nicht nur um eine Willens- und Aktionseinheit Jesu mit dem Vater, sondern offenbar gibt es hier auch über alle rechtliche Ermächtigung ereignishafter Art hinweg noch etwas mehr, nämlich die Einheit und Sendung als Vater und Sohn. Der Sohn ist nur in seiner ganzen Existenz "Hinhören" auf den Vater. Auch bei Johannes wird diese letzte Einheit der Erkenntnis und der gegenseitigen Zuwendung als Liebe bezeichnet. Es ist nicht nur Gemeinschaft im Handeln oder gemeinsamer Rechtsanspruch über denselben Verfügungsbereich, sondern Teilhabe an der Vollmacht ist letztlich nur gegeben, wenn Jesus von seiner Herkunft her ganz auf der Seite Gottes steht. Darum sind die sogenannten Präexistenz-Aussagen ebenso wichtig wie die Aussagen von der Rückkehr des Sohnes zum Vater (vgl. vor allem Joh 8,14 und 16,5.28). Nur so kann Jesus auch in einem soteriologischen Sinne göttliches Leben mitteilen: "Denn wie der Vater das Leben in sich selbst hat, so hat er auch dem Sohne verliehen, Leben in sich selbst zu haben." (Joh 5,26; 17,2)
Lassen wir einmal diese christologischen Kernaussagen stehen, die nahtlos, aber auch genau unterscheidbar Theologie und Christologie, Pneumatologie und Ekklesiologie miteinander verbinden. Es ist nämlich gut, wenigstens an dieser Stelle auch auf die Aussagen über den Geist kurz einzugehen. Bei der Taufe am Jordan, der Erwählung Jesu durch den Vater bleibt der Heilige Geist in Gestalt einer Taube über ihm stehen. In diesem Symbol wird der Geist Gottes auf Jesus vom Himmel herab gesandt. Der Geist verbindet also in besonderer Weise den Vater und den Sohn. Er verbindet beide wie eine Art Kraftbereich und Medium miteinander. Dabei wird besonders das Verhältnis zwischen dem Sohn und dem Geist eng erschlossen. Beide erscheinen geradezu parallel. Der Geist bringt zwar nichts Neues, aber er lässt das bisher Gesagte neu zur Erfahrung kommen und führt tiefer in die Wahrheit ein. Auf seine Weise sagen es immer wieder Johannes und Paulus. "Wir haben den Geist, der aus Gott ist, empfangen, um erkennen zu können, was uns von Gott geschenkt worden ist." (1 Kor 2,12) Wir können Gott nur recht verstehen, wenn der Geist uns über unsere bisherigen Denkvorstellungen hinweghilft und uns in die letzte Tiefe Gottes hineinnimmt. Der Geist ist die beständige Brücke zwischen dem Vater und dem Sohn nach innen und nach außen, in Gottes Wesen und für uns als Offenbarung. Darum ist es auch verständlich, dass die Aussagen der Schrift über den Geist immer etwas schillern und schwanken. Er erscheint auf der einen Seite dadurch, dass er nur die Relation zwischen Vater und Sohn erhellt und die Offenbarung ins Licht stellt, als beinahe mit ihnen identisch. So kann Paulus schließlich das Wort sagen: "Der Herr aber ist der Geist, und wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit" (2 Kor 3,17). In diesem Sinne scheint manchmal der Geist "nur" die Kraft und das Medium Gottes zu sein, kaum etwas Verschiedenes. Aber dennoch kann es keine unpersönliche Macht sein, vielmehr ist er ein unfassbarer jemand, der ein anderer ist als Vater und Sohn. So gibt es denn Züge besonders im Johannesevangelium, die den personalen Charakter des Geistes evident werden lassen, auch wenn die anderen Züge nicht einfach zurücktreten. In allem ist er ja immer die Kraft, die unverfügbar ist. Man weiß nicht, woher der Geist kommt und wohin er treibt (vgl. Joh 3,8).
Diese Aussagen könnte man noch sehr vermehren, aber das Gesamtbild würde sich dadurch nicht mehr entscheidend ändern, vielmehr kommt nun alles darauf an, wie wir diese auf der einen Seite zwischen Vater und Sohn grundsätzlich klaren Bestimmungen mit den Geistaussagen zueinander in die rechte Beziehung setzen.
Es ist nicht leicht, diese Sprache des Neuen Testaments aufzunehmen und in der richtigen Weise auszulegen. Man kann versuchen, bei der biblischen Sprache zu bleiben. Aber wegen der vielen Aussagen, die zum Teil auch spannungsvoll sind, genügt dies nicht. Als Beispiel erinnere man sich an Aussagen im Neuen Testament über eine bleibende Unterordnung des Sohnes gegenüber dem Vater. Man denke nur an Mk 13,32: "Aber über jenen Tag und die Stunde weiß niemand Bescheid, auch nicht die Engel im Himmel, auch nicht der Sohn, sondern nur der Vater." Immer wieder hat man dann in der Folgezeit versucht, die Einheit zwischen Vater und Sohn durch eine Form der "Unterordnung" zu erklären. Arius hat dieses Modell auf das Äußerste zugespitzt. Die Antwort des Konzils von Nikaia (325), bei dem wichtigste Aussagen unseres Glaubensbekenntnisses gefunden worden sind, möchte klären, dass Jesus ungemindert Gott zum Ausdruck bringt, dass er ohne irgendeine Abschwächung auf der Seinshöhe Gottes steht. Es hätte damals nicht genügt, einfachhin zu sagen, dass Jesus "Gott" ist. Dies sagen schon das Neue Testament und überdeutlich einer der ältesten Kirchenväter, Ignatius von Antiochien. Denn "Gott" war unter dem Einfluss des mittelplatonischen Denkens ein gestufter Bereich, der einen mehrdeutigen Gebrauch von Gott zuließ im Sinne des Gottes schlechthin, aber auch eines abgestuften, zweiten Gottes. Vielleicht kann man nur so das Konzil von Nikaia verstehen, das sich in einer so schwierigen Situation nicht mehr mit der Wiederholung der biblischen Sprache allein zufriedengeben konnte. Deshalb hat das Konzil unter Rückgriff auf die damalige gehobene Alltagssprache, die auch ein Laie unter Philosophen kannte, das berühmt berüchtigte Wort "homousios" gewählt. Wir übersetzen es im Credo mit "eines Wesens mit dem Vater". Es gab kein Wort der Schrift, das diese Funktion hätte eindeutig erfüllen können. Unser Glaubensbekenntnis will nichts anderes und nicht mehr sagen als die Schrift. Aber es war notwendig, den Sinn der Schrift zu klären. Vor diesem Hintergrund verstehen wir das Christusbekenntnis im Credo von Nikaia: "Wir glauben... an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller Zeit: Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater..."
Wer nur bei der Sprache der Schrift bleiben wollte, gerade angesichts so vieler spannungsvoller Aussagen, hätte wohl kaum eine Klärung bringen können. Häresien sind auch entstanden, weil man in differenzierten Situationen des Glaubensverständnisses nur in einer biblischen Sprache reden wollte und so keine Klärung zustandebringen konnte. Dies gilt bis zum heutigen Tag. Genau an dieser Stelle gibt es aber auch ein echtes Problem. Man entfernt sich nämlich nicht ungestraft von der Sprache der Bibel. Man kann rasch in eine von außen geliehene oder nur übernommene Sprache verfallen, die das in der Bibel Gemeinte leicht überfremden kann. Man kauft sich dann durch eine übernommene Sprache ein Vorverständnis, ein Weltbild oder wenigstens Strukturen eines solchen ein, die zum Glaubensverständnis in Spannung stehen oder gar in Widerspruch kommen. Rasch werden dann unvereinbare Mythen in den christlichen Glauben wiedereingeführt, von denen man sich eigentlich schon gelöst hatte. Auch dies kann man gut am Verständnis unseres Credo von Nikaia darlegen.
Es ist freilich auch möglich, dass man eine Sprache übernimmt, um etwas ganz Neues zu sagen, die dem Entdeckten jedoch nicht ganz angemessen ist. Man trifft dann gewiss Elemente und Momente der Wahrheit, die man sagen will, aber es gibt auch Verbiegungen und Verwerfungen in der übernommenen und immer schon auch an der neuen Sache korrigierten Sprache. Dies ist ganz besonders wichtig geworden in der Formulierung des Verständnisses der Dreifaltigkeit. Die Theologie spricht deshalb heute, besonders in der Entfaltung der Trinitätstheologie, vielfach von einer "Revolution im Seinsverständnis". Es ist ein gängiger Ausdruck in fast allen theologischen Neuentwürfen. Dieser Begriff muss erklärt werden.
Das griechische Denken, das damals neben der hebräischen Denkweise auch im Glaubenszeugnis der ersten Jahrhunderte vorherrschte und stark die Kultur der Zeit und so auch die Inkulturation des christlichen Glaubens bestimmte, hatte vor allem zwei leitende Orientierungen im Verständnis der Wirklichkeit, die uns auch noch heute bestimmen, und sei es in der Weise des Widerspruchs. Da ist zuerst das Thema der Einheit. Man war besonders bestrebt, jede Vielheit auf eine Einheit zurückzuführen. Schon der frühgriechische Denker Parmenides sagte: "Das Viele ohne das Eine zu denken, ist eine Unmöglichkeit." (fr 166 b 1) Einheit ist notwendig um die Vielfalt der Wirklichkeit zu ordnen. Jedenfalls suchen wir immer nach einem Wesen oder einer Struktur, die inmitten der Vielfalt Einheit schaffen und so auch die Realität transparent machen.
Diese Tendenz dürfte wohl allem menschlichen Denken zu eigen sein. Philosophie, Mathematik und viele Wissenschaften, die nach den Gründen fragen, sind darauf angewiesen, nach einem solchen Letzten zu fragen. Aber im Griechentum hat man hier auch eine Tendenz damit verbunden, die man vielleicht lange Zeit nicht so recht wahrgenommen hat. Man hat nämlich das Viele und das Vielfältige oft abgewertet, ja manchmal es als eine Scheinwirklichkeit angesehen. In diesem Zusammenhang hat eben diese zweite wichtige Linie griechischen Denkens zu dieser Einstellung beigetragen, die nämlich weitgehend nach dem unveränderlichen Wesen der Wirklichkeit suchte, während man die wechselnden Umstände eher zurückstellte und weniger beachtete. Auch hier ist klar, dass man zwischen dem bleibenden Wesen und den flüchtigen Erscheinungen unterscheiden muss, gerade wenn man zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen möchte. Aber man kann auch einen Fehler begehen, indem man das Vielfältige in seinem Rang grundsätzlich gegenüber dem Einen herabsetzt. Dann ist man nicht mehr ohne weiteres fähig, die Eigenart einer bestimmten Vielfalt, wie sie sich z.B. beim Verständnis des dreifaltigen Gottes ergibt, richtig zu verstehen.
Hier hat das Christentum sich sehr mühen müssen, um einerseits die unaufgebbaren und wichtigen Impulse des griechischen Denkens mit einem Vorrang für Einheit und für das bleibende Wesen sich so zu eigen zu machen, dass man fähig blieb, auch gegenläufige, damit konkurrierende und eben nicht mehr mit diesen Kategorien erfassbare Realitäten angemessen zu verstehen. So hat der christliche Glaube sich eben auch seine eigenen Gedanken machen und manchmal auch eine eigene Sprache schaffen müssen, um das unverwechselbar Eigene des christlichen Glaubens authentisch sagen und formulieren zu können. Dies ist natürlich eine Gratwanderung, die nicht immer im ersten Anlauf gelingt.
Die Trinitätstheologie - ähnliches könnte man von der Christologie sagen - hat in den ersten Jahrhunderten, auch später und wiederum in den heutigen Tagen außerordentliche Denkanstrengungen unternommen, um das Glaubensgut, hier das Bekenntnis zum Dreieinen Gott, von der Schrift her zu bewahren, es gegen Missverständnis zu schützen und es möglichst unverfälscht und rein zur Sprache zu bringen. Dies ist ein Prozess, der längst noch nicht zu Ende ist und der niemals, solange wir leben, abgeschlossen sein kann. Das Geheimnis des dreifaltigen Gottes gibt uns endlichen Menschen unendlich zu denken.
Wenn man diese Bemühungen kennt und liest, dann hat man den festen Eindruck, diese Zeiten und viele Vertreter des theologischen Denkens wären in vieler Hinsicht genial gewesen. Hier darf man nicht den Fehler machen zu glauben, im Reich des Geistes könne man nach den Maßstäben eines Fortschritts in der Technik und in den Naturwissenschaften urteilen. Manchmal habe ich sogar den Eindruck, dass wir hinter die damals ausgebildeten Fähigkeiten zurückgefallen sind und größte Mühe haben, das damals Erreichte eher nicht wieder zu vergessen oder manchmal auch nicht mehr recht zu verstehen. So muss man auch den großen Aufwand verstehen, den die historische Theologie in seiner Genese und in seinem Gehalt in den letzten zwei Jahrhunderten aufwendete, um das gewordene Bekenntnis von innen her richtig zu begreifen. Am Ende aber muss der Glaube auch wieder einfach werden.
Worum geht es nun bei der Formulierung des Verständnisses des dreifaltigen Gottes? Die Darstellung der dreifaltigen Gotteswirklichkeit hat ja - bei allen Hinweisen auf eine innergöttliche, innertrinitarische Verhältnisbestimmung, ja vielleicht sogar Ordnung - ergeben, dass die drei göttlichen "Personen" nicht nur auf eine Größe zurückzuführen sind. Dies war immer wieder eine Versuchung im Christlichen, so dass ein etwas ungenauer Monotheismus übrigblieb. Gelegentlich aber gab es Denkströmungen, die aus vielen Gründen einen strikten Monotheismus verteidigten, ob im Anhalt an philosophische Strömungen, das Judentum oder auch den Islam. Es ist dies etwa die Strömung der Unitarier, die sich besonders im evangelischen Raum finden. Sie werfen dem Christentum einen sogenannten Tritheismus vor, also einen Glauben an mehrere Götter und somit einen Rückfall in eine Form von Polytheismus. Im Christentum selbst stellte man sich - nicht ohne Einfluss mancher äußerer Denkanstöße - die Frage, ob es denn wirklich drei verschiedene Gestalten sein sollten, die man klar voneinander abheben kann. So hat man immer wieder den Gedanken aufgegriffen, im Grunde handele es sich bei den drei Größen jeweils nur um Modi (darum Modalismus), ja geradezu Masken und Erscheinungsweisen des einen und selben Gottes. Dies sind verführerische Gedanken, weil sie versuchen, die Einheit Gottes zu wahren und zugleich den Beziehungsreichtum der Dreifaltigkeit gerecht zu werden. Es gibt auch heute theologische Entwürfe in dieser Richtung.
Um nun eine Lösung zu finden, muss man folgende Gedankengänge, die hier nur angedeutet werden können, genauer verfolgen. Wir müssen, wenn wir die Dreifaltigkeit verstehen wollen, die Wirklichkeit Gottes neu in ihrem Beziehungsreichtum denken. Es kann ja nicht mehr sein, wie es im griechischen Denken Tendenz ist, die Beziehung als die schwächste Wirklichkeit anzusetzen. Vorrang hat dabei alles, was "in sich" steht, autark ist und keines anderen bedarf, absolut ist. Der Gedanke legt sich natürlich - wenn man so denkt - nahe, dass dies die eigentliche Wirklichkeit ist. Das wahre und wirkliche Sein schließt diesem Denken zufolge Beziehung aus. Wahres Sein heißt In-sich-Sein und Für-sich-Sein. Wenn man so weiterdenkt, dann ist die in-sich-ruhende, einfache, in-sich-geschlossene, unteilbare Einheit, die unbeweglich in sich selbst kreist, gegenüber allen sonstigen Niederungen das Ideal von Wirklichkeit schlechthin.
Aber in dieses Seins-Verständnis kommt nun Bewegung. Denn in der christlichen Offenbarung zeigt sich ja, dass Gott gerade nicht höchste, in-sich-geschlossene Substanz ist, eine hermetisch in sich abgeschlossene Monade, sondern sich mitteilendes Leben, Bewegung, Öffnung aufeinander, ja "communio". Karl Rahner hat dafür als Kennzeichen das Wort von der "Selbstmitteilung" der göttlichen Personen untereinander gewählt.
Aber man muss hier auch mit der Verwendung des Wortes "Beziehung" vorsichtig sein. Denn man darf sich nicht ein in-sich-stehendes Wesen denken, das gleichsam fertig ist und nachträglich oder beiläufig auch noch eine Beziehung hat. Dann wäre eben letztlich die Beziehung doch eine sekundär unternommene Verhältnisbestimmung, die ein absolutes, selbstgenügsames Wesen eigentlich gar nicht braucht. Man muss, so schwer dies erscheint, "Beziehung" als reines Geschehen, als unaufhörlichen Prozess denken, so dass man verstehen kann, warum das christliche Denken einen ganz eigentümlichen Begriff fand, um dies zu kennzeichnen, nämlich eine "relatio subsistens". Eigentlich ist dies, vom klassischen Denken her gesehen, ein Widerspruchsbegriff, nämlich eine ganz selbständige, reine Beziehung als solche zu denken. Man hat später immer wieder versucht, eine solche reine Beziehung, die vom Zusammenspiel des Einen und doch Verschiedenen lebt, genauer zu denken. Es ist die Vermittlung von Identität und Differenz. Theologen des vierten Jahrhunderts haben gesagt, das Leben Gottes sei in diesem Sinne ein "Pulsieren", in dem "aus Einheit Dreiheit und aus Dreiheit wieder Einheit wird" (Gregor von Nazianz). (Gisbert Greshake, An den drei-einen Gott glauben, 30, mit Anm.12.). Man hat bald auch den Begriff der "Perichorese" gewählt, was eigentlich ein Wort aus der Tanzsprache ist. Man könnte es übersetzen als "Umtanzen" im Sinne gegenseitigen Umfangens und Durchdringens: Der Sohn ist ganz im Vater und mit dem Vater, der Vater ganz im Sohn und mit dem Sohn, und beide finden ihre Einheit durch das Band des Geistes. "So tanzen sie den einen gemeinsamen Tanz des göttlichen Lebens. Was dem einen gehört, gehört auch dem anderen, was der eine hat, besitzt auch der andere, was der eine vollbringt, vollzieht er zusammen mit dem anderen und in dem anderen." ( Greshake, ebd., 31.) Vater, Sohn und Geist sind nichts anderes als gegenseitige Beziehung und Ineinandersein. Gerade dies ist ihr unveräußerliches, eigenes Wesen.
Die christliche Theologie hat sich über Jahrhunderte, ja fast kann man sagen: Jahrtausende bemüht, ein solches Denkmodell für das Verständnis des christlichen Glaubens zu entwickeln. Dies war natürlich immer wieder auch durchmischt mit anderen Denkansätzen. In die Reihe dieser Theologen gehören aus der früheren Zeit die großen Kappadozier des vierten Jahrhunderts (Gregor von Nazianz, Gregor von Nyssa, Basilius von Cäsarea), aber auch Augustinus und Richard von Sankt-Victor. Aus unseren Tagen will ich nur neben den schon genannten Theologen aus unserer Zeit den früheren Aachener Bischof Klaus Hemmerle anführen. Besonders Richard von Sankt-Victor, der erst recht heute wieder in seinem Rang entdeckt wird, hat den Gedanken systematisch durchgeführt, dass Gott nur dann die Liebe genannt werden kann, wenn in ihm die selbstlose Hingabe des Eigenen an einen Anderen und die gemeinsame Freude herrschen, die zu einem Dritten hin sich öffnet. In der Tat darf man sich die Beziehung nicht einfach formal, abstrakt und leer denken, sondern sie besteht ja gerade in der Hingabe der einen Person ganz auf die andere hin. Man kann sich leicht denken, warum jetzt viele Theologen von heute an dieser Stelle mit dem Wort von der Hingabe auch das Kreuz in die Mitte stellen.
Gewiss gibt es auch viele Anstöße aus dem dialogischen Denken des 20. Jahrhunderts. Da man aber hier "Person" im Sinne des modernen Personenbegriffs anthropologischer Herkunft als ein selbstständiges Bewusstseinszentrum denkt - was so nicht einfach auf die Trinität angewandt werden kann -, gibt es hier auch Grenzen in der Rezeptionsmöglichkeit. Dies wäre noch sehr viel genauer zu verfolgen.
Von da aus kann man auch verstehen, warum gerade in der letzten Zeit bei den verschiedenen trinitätstheologischen Entwürfen ein Gedanke aufkommt, der immer mehr Verbreitung findet. Man glaubt nämlich, dass man mit einem Wort das Geheimnis des dreifaltigen Gottes umschreiben kann, nämlich mit dem Satz: "Gott ist Liebe". Besonders Eberhard Jüngel hat z.T. im Anschluss an J. Pieper diesen Gedanken in neuer Vertiefung entwickelt. Es geht dabei nicht um einen Gott, der Liebe hat, sondern der Liebe ist. Dies trifft sich auch gut mit der heutigen Exegese von Joh 4,8 "Gott ist Liebe", denn man erkennt darin einen trinitarischen Satz, der einer trinitarischen Auslegung bedarf.
An dieser Stelle entsteht auch noch ein weiterer Gedanke. Man hat immer wieder versucht, natürliche und zumal menschliche Erfahrungen, Gleichnisse und Bilder als Vorspiele der göttlichen Trinität zu suchen, und zwar im Bereich der Schöpfung und im Reich der Gnade. Aber man wird zugleich auch bei allem Respekt sagen müssen, dass bei diesen Analogien nicht selten die Unähnlichkeit zwischen Welt und Mensch auf der einen und Gott auf der anderen Seite zu kurz kam. Gerade der eindrucksvolle Versuch von Eberhard Jüngel zeigt, wie wenig man einfach menschliche Liebe als Modell einsetzen darf, sondern wie sehr diese Liebe immer schon von christlicher Umkehr und von der Hingabe Jesu Christi am Kreuz herkommt. Dennoch bleibt es stets eine Aufgabe, gerade auch in katechetischer und pastoraler Hinsicht, nach solchen Entsprechungen zu suchen und sie pädagogisch geschickt anzuwenden. Ich persönlich sehe durchaus in diesem Zusammenhang auch analoge Hinweise auf das Zusammenleben der Menschen untereinander. Man hat in diesem Verständnis der Trinität neue Strukturen für menschliche Gemeinschaftsformen entdeckt, und zwar von der Ehe bis zu vielen Formen geistlicher und kirchlicher Communio. Ganz besonders gilt dies für die Fokolar-Bewegung. Aber es wäre auch nützlich zu diskutieren, welche Sozialprogramme durch die trinitarische Struktur gedeckt werden sollen. Hier wäre das Gespräch mit Jürgen Moltmann aufsschlussreich, der in dieser Hinsicht nicht nur Alternativmodelle sieht zu allen Formen einer "Monarchie", sondern auch Konsequenzen ziehen möchte für eine vorwiegend synodal-kollegiale Kirchenverfassung. Doch dies würde hier zu weit führen. Dies zeigt nur, wie aktuell solche theologischen Gedanken rasch werden können. Ich möchte aber auch erwähnen, wie gewinnbringend von hier aus die Meditation zu trinitarischen Darstellungen in der Kunstgeschichte und besonders in der Ikonenmalerei werden können. Die Bücher von G. Greshake bringen hier gute Beispiele.
Ich komme am Schluss zu einem Gedanken, der mich immer wieder bewegt. Die Trinitätstheologie steht nämlich stets rasch an einer Wegkreuzung. Sie muss versuchen, über die reine Sprache der Schrift hinauszugelangen. Sie kann aber auch sehr rasch, wenn sie dies tut, abstrakt und steril werden. Sie landet dann bald bei spekulativen Gedankengängen, die ihre Richtigkeit haben mögen, aber heute nur schwer vermittelt werden können. Man muss sich immer wieder dieser Gratwanderung aussetzen und versuchen, in der Ballance zu bleiben.
Wenn ich auf die Entwicklung des Dogmas von der Trinität schaue, dann fällt mir auf, dass Gottesdienst und Liturgie starke Motive sind, um die Erkenntnis des trinitarischen Gottes voranzubringen. In diesem Sinne haben die Anbetung und der Lobpreis eine schöpferische hermeneutische Fruchtbarkeit für die Trinitätstheologie. Ich denke hier besonders auch an die Kämpfe zur Durchsetzung der Gottheit des heiligen Geistes. Wir haben in den letzten Jahrzehnten ohnehin mehr erkannt, wie sehr das wahre Dogma immer auch doxologisch geprägt ist, d.h. es lebt von der Anbetung und der Verherrlichung Gottes. Man denke hier nur besonders an die Orthodoxie. Dies schließt nicht aus, sondern eher ein, dass in diesem Rahmen z.B. auch Philosophie und Grammatik eine große Rolle spielen, wie man bei der Erweiterung unseres Credos auf dem Konzil von Konstantinopel im Jahr 381 sehen kann, als es um die Anerkennung der Gottheit des heiligen Geistes ging. Denn nur vor diesem Hintergrund mit den dazugehörigen Erklärungen beten wir im großen Glaubensbekenntnis: "Wir glauben an den heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht, der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht (ich muss hier die Filioque-Problematik übergehen), der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird, der gesprochen hat durch die Propheten."
Ich bin der Überzeugung, dass diese Zusammenhänge schon im Neuen Testament in verschiedener Weise erkennbar werden, und zwar besonders an den Stellen, die am meisten Entfaltung zeigen im Gedanken des trinitarischen Gottes. Dies ist bei Mt 28,16-20, zu finden, aber auch am Ende des zweiten Korintherbriefes: "Die Gnade Jesu Christi, des Herrn, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!" (2 Kor 13,13). Nicht zufällig geht es auch hier jeweils um das Bekenntnis und um den Lobpreis im Gottesdienst, wie wir diesen Segenswunsch ja auch heute wieder in der Eucharistiefeier bei der Begrüßung verwenden. Ich finde dies zusammengefasst im Titel dieses Vortrags, der aus dem Schlussteil des 11. Kapitels des Römerbriefs stammt: "O Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unergründlich sind seine Entscheidungen, wie unerforschlich seine Wege! Denn wer hat die Gedanken des Herrn erkannt? Oder wer ist sein Ratgeber gewesen? Wer hat ihm etwas gegeben, so dass Gott ihm etwas zurückgeben müsste? Denn aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist die ganze Schöpfung. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen." (Röm 11,33-36)
Copyright: Bischof Karl Lehmann, Mainz
von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz
Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz