Es gibt nicht viele Länder, in denen evangelische und katholische Christen zahlenmäßig etwa gleich groß miteinander leben. Meist ist die eine oder andere Kirche Minderheit bzw. Mehrheit (z.B. Spanien, Schweden). Bei uns ist es anders: Wenn große Ereignisse in einer Konfession sind, ist auch die andere unmittelbar mitbetroffen, besonders im Medienzeitalter.
Für einen Papstbesuch gilt dies erst recht, vor allem auch, wenn der hohe Gast aus unserem Land kommt und seine Heimat besucht. Es gibt viele evangelische Christen – ich erlebe dies jeden Tag -, die sich über den Besuch von Benedikt XVI. freuen. Sie sehen eine große Chance für die Bekräftigung unseres Glaubens in einer säkularen Öffentlichkeit, die sonst für wirklich religiöse Botschaften nicht so aufnahmebereit ist. Wir haben allen Grund, für diese gemeinsame Freude und für manches Zusammenwirken, gerade auch in diesen Tagen, von Herzen dankbar zu sein.
Immer wieder jedoch mischen sich in diesen positiven Grundton auch unangemessene Forderungen. Ich habe Verständnis dafür, dass man beim Besuch des Papstes deutlich auch das laut zur Sprache bringt, was in der Ökumene noch ungelöst ist und Konflikte schafft. Dies darf uns nicht erschrecken oder ärgern. Es gehört auch zur Ehrlichkeit, wie ein solcher Besuch aufgenommen wird.
Im Übrigen ist es ja nicht so, dass der Papst ökumenisch wenig sensibel sei. Er hat schon als Theologe vor dem Konzil wichtige Anstöße gegeben. Ohne ihn hätte es wohl die Unterzeichnung der Vereinbarung zu den Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre vom 31.Oktober 1999 nicht gegeben, jenem Meilenstein der Ökumene. Immer gilt auch noch, was der Papst vor einem Jahr beim Empfang für die Ökumene beim Weltjugendtag in Köln uns allen ins Stammbuch geschrieben hat. Daran muss besonders erinnert werden, wenn ökumenisch Neues bei diesem Besuch eingefordert wird.
Man muss wohl auch nüchtern sehen, dass dies ein Besuch eigener Art ist. Es ist kein Staatsbesuch und lässt sich auch nicht einfach mit den ausgedehnten Pastoralreisen des Vorgängers (1980, 1987, 1996) vergleichen. Der Papst möchte seine Heimat besuchen und – wer weiß, wie oft ihm dies noch vergönnt ist – an die Wurzeln seiner Kindheit und Jugend, aber auch seines späteren Wirkens gehen, nicht zu vergessen auch die Gräber seiner Familie besuchen. Bei aller ökumenischen Offenheit ist dies nicht die Stunde, um viele Menschen aus allen gesellschaftlichen und kirchlichen Bereichen zu empfangen. Der Papst trifft z. B. auch nicht die deutschen Bischöfe im Gesamten während dieses Besuches. Dennoch gibt es in Regensburg auch die Gelegenheit zu einer ökumenischen Begegnung. Aber dies ist nicht der Ort, an dem der Papst plötzlich Probleme löst, an denen wir hier und in der Weltkirche schon seit einiger Zeit ernsthaft miteinander beraten und uns um eine weitere Annäherung bemühen. Der Papst hat Autorität, ist aber kein Autokrat. Er respektiert die theologischen Dialoge und die Kirchen vor Ort.
Der Papst kommt nicht allein. Kardinal Walter Kasper, der Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, kommt mit. Bei so genannten Fortschritten in der Ökumene kommt es auch darauf an, was die Partner dazu beitragen und dass die eigene Kirche wirklich mitgeht. Ich bin gewiss, dass der Papst dies alles begrüßen und gutheißen wird. Aber er ist nicht gleichsam der Onkel, den man danach beurteilt, ob er zum Besuch auch die erwarteten Geschenke mitbringt. Wenn er durch seinen Besuch den gemeinsamen Glauben stärkt, beflügelt er auch die ernsthafte ökumenische Arbeit in unserem Land.
© Karl Kardinal Lehmann
von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz
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