Die Art und Weise, wie die Schwangerschaftskonfliktberatungs-Probleme gelöst und wie über die Inhalte befunden wurde, hat zweifellos viel Porzellan zerschlagen. Nach allen Richtungen hin hat die Kirche Schaden davongetragen: politisch, gesellschaftlich, im Blick auf das Verhältnis zum Staat, vielfach im Inneren der Kirche selbst und gewiß auch ökumenisch. Die Lage unserer Kirchen in der heutigen Gesellschaft bringt es ohnehin mit sich, daß ein solcher Einbruch allen Kirchen Wunden schlägt.
Ich will damit nicht ablenken von dem, was von den Verantwortlichen in unserer Kirche entschieden worden ist und wie eine solche Entscheidung zustandekam. Darüber kann man noch nicht so schnell die Akten zumachen, wie es einige wohl gerne möchten.
Dennoch ist ein Wort nötig im Blick auf die ökumenische Reaktion auf diese Situation. Um es gleich von Anfang an zu sagen: Ich bin nicht gegen einen gewissen Wettbewerb der Kirchen untereinander und habe mich in den letzten Jahren immer wieder dafür ausgesprochen, daß wir nicht bloß den kleinsten gemeinsamen Nenner suchen, uns damit begnügen und uns schiedlich-friedlich nicht in andere Angelegenheiten „einmischen". Dies wäre eine Friedhofsruhe, die keinem nützt. Aber es muß ein Wettbewerb sein in der zentralen Sache, die uns in Anspruch nimmt und die wir als christliche Botschaft bezeichnen. Dazu gehören dann verbindlich, aber auch abgestuft die kirchliche Lehre und die Ordnung einschließlich des Rechtes in der Kirche.
Unter diesen Voraussetzungen habe ich durchaus Verständnis, wenn unsere evangelischen Schwestern und Brüder Anstoß nehmen an einigen Aspekten der Entscheidung zur Schwangerschaftskonfliktberatung. Wir können und müssen hier auch Kritik ertragen. Aber ich habe nicht selten in dieser Situation den Eindruck gewonnen, daß man den Wettbewerb an der falschen Stelle austrägt. Hier gibt es auch falsche Töne. Es ist z.B. schwer erträglich, wenn der katholischen Kirche in dieser Sache ein Vorrang „starrer Lehre" vor dem Leben vorgeworfen wird. Wir sind alle demselben Tötungsverbot der Heiligen Schrift verpflichtet, das sich auch auf das ungeborene Kind erstreckt. Unsere Gemeinsamen Worte, wie z.B. „Gott ist ein Freund des Lebens", werden nicht bei ökumenischen Festreden, sondern im Alltag unserer kirchlichen Praxis eingelöst. Da hat es keine Seite einfacher als die andere. Darum finde ich es noch unerträglicher, wenn vor diesem Hintergrund Frauen immer wieder auf die eigenen Beratungsstellen vor allem der Diakonie verwiesen werden, wobei mehr oder weniger deutlich gesagt wird, hier finde die Frau mehr Verständnis.
Das Papsttum ist gewiß, wie die letzten Päpste selbst öfter formuliert haben, ein schweres Hindernis auf dem Weg zur Einheit. Dabei ist es vielleicht weniger der Dienst eines Nachfolgers Petri als die Art und Weise der Ausübung des Primats. Aber es ist dennoch grundfalsch, nun das ganze Problem der Schwangerschaftskonfliktberatung in unserem Land und die ergangene Entscheidung bloß auf den Papst zu schieben, wie ich dies in diesen Tagen immer wieder erlebt habe. Es besteht doch kein Zweifel, daß das Gesetz vom 21.8.1995 und die Struktur des Beratungsnachweises im Kontext der konkreten gesellschaftlichen Bewußtseinslage Anfragen und Zweifel zur Theorie und Praxis dieser Beratung schaffen, die man einfach nicht leugnen oder auf die Dauer verdrängen kann. Ähnliches wäre zu RU 486 zu sagen.
Darum ist der Streit im Kern auch nicht nur ein "typisch katholisches" Sonder-Problem. Hier sollten die Kirchen besser zusammenarbeiten. Dies liegt auch auf der Linie dessen, was uns seit „Gott ist ein Freund des Lebens" gemeinsam verbindet und wo wir bei allen noch bestehenden Verschiedenheiten voneinander lernen können. Hier, im Zentrum der Frage, kann nicht genügend Wetteifer sein, aber nicht anderswo.
© Bischof Karl Lehmann, Mainz
von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz
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