Als Kardinal Joseph Ratzinger vor zwei Jahren seinen 78. Geburtstag feierte, blickte die Welt aufgeregt nach Rom. Papst Johannes Paul II. war gerade gestorben und das Konklave stand bevor, das Kardinal Ratzinger als Dekan leiten sollte. Keiner konnte wissen, dass dieser Mann schon wenige Tage später der neue Papst sein sollte. Doch viele sahen damals schon, dass bei Joseph Ratzinger die Zuverlässigkeit des Glaubens in besten Händen ist. Schließlich stellt er sich mit dieser Festigkeit seiner Überzeugung auch weltweit den geistigen Herausforderungen, wie die Debatten mit dem deutschen Philosophen Jürgen Habermas und dem italienischen Senatspräsidenten Marcello Pera oder auch später in einer überraschenden Begegnung mit Professor Hans Küng und anderen zeigen.
Nicht zufällig geht es ihm dabei immer wieder um den Anspruch auf Wahrheit, wo heute vielfach Werte in einen Relativismus abzugleiten drohen. Die erste Enzyklika „Deus Caritas est“ und das Nachsynodale Apostolische Schreiben zur Eucharistie „Sacramentum Caritatis“ sind Zeugen einer grundlegenden Sicht des Papstes, die sich nicht in unnötigen Details ergeht. Joseph Ratzinger, der sich den Papstnamen Benedikt XVI. gegeben hat, ist aber nicht nur ein Vertreter hoher Gelehrsamkeit. Seine bescheidene Art konnte manchmal als scheue Zurückhaltung verstanden werden. Aber der Papst, der selbst aus einfachen Verhältnissen kommt, kennt das Leben der kleinen Leute und wo die Menschen der Schuh drückt. Das hat er bei seinen Besuchen in Deutschland – beim Weltjugendtag und bei der Pastoralreise nach Bayern – aber auch in Polen und in der Türkei immer wieder auch eindrucksvoll gezeigt.
Das bei uns früher oft verzerrte Bild von ihm hat der neue Papst bereits in wenigen Tagen seit seiner Wahl am 19. April 2005 schon ziemlich gründlich korrigiert. Entschieden ist er bei seiner ersten Ansprache als Papst eingetreten für die Ökumene und für den Dialog mit den Religionen. Das hat er auch im Umfeld der viel kritisierten Regensburger Vorlesung klargestellt. Er hat sich eingesetzt für die Armen und Bedrängten in aller Welt. Unbefangen und herzlich hat er sich den Menschen zugewandt, nicht zuletzt den Kindern. Die Jugendlichen haben ihn beim Weltjugendtag herzlich aufgenommen.
Der Papst ist einer der ganz wenigen namhaften Konzilstheologen, die noch unter uns leben. Er hat für die Erneuerung der Kirche beim Zweiten Vatikanischen Konzil eine große Rolle gespielt, als Berater von Joseph Kardinal Frings, aber auch in der Theologischen Kommission und in einigen Gremien des Konzils. Auch seine vielfältigen Veröffentlichen belegen dies. Der Papst hat sich in den vergangenen beiden Jahren seiner Amtszeit auch immer wieder sehr deutlich zum Konzil bekannt. Das darf man in manch aufgeregten Debatten heute nicht vergessen.
Direkt nach seiner Wahl und der Namensgebung Benedikt erläuterte der neue Papst diesen Namen. Er nannte dabei den Patron Europas, Benedikt von Nursia, aber auch die Kontinuität zu seinem Namensvorgänger Benedikt XV., der sich im Ersten Weltkrieg um den Frieden bemühte. Schließlich brachte der neue Papst an dritter Stelle noch einen ganz anderen Hintergrund ins Spiel, um die Übernahme des Namens „Benedikt“ zu begründen. Das lateinische Wort „benedictus“ heißt ja wörtlich „der Gesegnete“, über den Gott Schutz und Zuwendung verheißt. In der Segenszusage schon an den großen Vater Abraham setzt Gott dem seit der ersten Sünde anwachsenden Fluch den Segen entgegen. Er soll nun die ganze Menschheit erreichen.
Damit wird deutlich, dass der Name „Benedikt“ eben auch damit zu tun hat, dass der Namensträger zu einem Segen werden soll für andere. Hier geht es wirklich darum, dass Gott das Heil aller Menschen will und die Kirche nach den Aussagen des II. Vatikanischen Konzils von diesem Heilswillen Gottes von der Welt her verstanden werden muss.
Das sind nur wenige Grundzüge in der Person und Amtsführung des Papstes. Es bleibt dabei, was ich beim ersten Auftreten kurz nach seiner Wahl am 19. April 2005 gesagt habe: Dieser Papst ist gut für Überraschungen; freilich wird und muss sich noch stärker zeigen, wohin genauer die Reise gehen soll.
(c) Karl Kardinal Lehmann
von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz
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