Pfingsten ist das Fest des Gottesgeistes. Es erschließt mit Advent / Weihnachten und der Fastenzeit / Ostern die zentralen Geheimnisse des Glaubens, vor allem den dreifaltigen Gott.
Gottes Geist geht nach unserem Glaubensbekenntnis vom Vater und vom Sohn aus (der Osten betont nur den Hervorgang aus dem Vater). Er bringt das Leben Gottes in die Geschichte hinein. In diesem Sinne ist er in seinem Wirken fast parallel zum Sohn selbst. Er ist aber ganz auf den Sohn und das Wort bezogen, bringt nichts anderes als das Evangelium. Im Dienst an der Auslegung dieser Botschaft ist der Geist fast noch stärker an der Gegenwart und Zukunft des Evangeliums und der Kirche ausgerichtet. Er wird in die Wahrheit einführen. Der Geist senkt sich als Vermittler des ewigen Lebens Gottes hinein tief in die Geschichte und in unsere menschliche Welt hinein. So spricht man immer schon von einer Einwohnung des Hl. Geistes in den Herzen der Getauften, aber auch von den „Früchten des Geistes", zu denen viele Tugenden des Alltags gehören, wie z.B. Freundlichkeit, Güte, Barmherzigkeit. Von da aus kann man auch die wichtige Wirkung des Geistes im Alltag des Menschen besser verstehen. So heißt es in einem alten Pfingsthymnus: „In der Unrast schenkst du Ruh, hauchst in Hitze Kühlung zu, spendest Trost in Leid und Tod... Was befleckt ist, wasche rein, Dürrem gieße Leben ein, Heile du, wo Krankheit quält. Wärme du, was kalt und hart, löse, was in sich erstarrt, lenke, was den Weg verfehlt." An diesen Versen des „Veni Creator Spiritus" wird die Wirkung des Gottesgeistes vielleicht am deutlichsten.
So wird auch verständlich, warum der Geist zu jeder echten Erneuerung gehört. Er wird – im Anschluss an Ps 104 – das Antlitz der Erde erneuern. Dies ist der wahre Begriff von „Reform". Dies ist nicht nur eine Umstrukturierung auf dem Verschiebebahnhof möglicher Interessen. „Reform" gibt es ohne einen spirituellen Ansatz nicht. Sie bedeutet zunächst einmal einen gründlichen Wandel in den Einstellungen und im Denken. Dazu gehört die Bereitschaft, sich wirklich auf neue Situationen einzulassen. Man muss den alten Sauerteig, d.h. die liebgewordenen Vorstellungen und Vorurteile ausräumen, damit wirklich etwas unableitbar Neues entstehen kann, das uns so auch wirklich hilft. Was sich heute oft als Reform verkauft, ist nur die Inszenierung des Alten, das sich neu verbrämt. Ohne das lebendige Wehen des Geistes, das uns wirklich auch eine Änderung unserer selbst zumutet, kann es keine wirkliche Erneuerung geben. Dies ist Geist vom Geist Gottes, der allein sagen kann: „Seht, ich mache alles neu!" (Offb 21,5). Dies ist die Freude und Kraft von Pfingsten.
von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz
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