Predigt anlässlich der Sendungsfeier des Gemeindereferenten und der Gemeindereferentinnen

am 17. Juli 2004 im Mainzer Dom

Datum:
Samstag, 17. Juli 2004

am 17. Juli 2004 im Mainzer Dom

Liebe Schwestern und Brüder,

ganz besonders lieber Bruder und liebe Schwestern, die Sie die Sendung empfangen!

Sie haben sich für diesen Gottesdienst als Leitwort gewählt: „Du sollst ein Segen sein!“ In der Tat kommen wir damit rasch in das Zentrum unseres Glaubens. Es ist ein grundlegendes, aber zunächst auch vieldeutiges Wort. Schon auf der ersten Seite der Bibel erfahren wir, dass Segen von Gott der Menschheit verheißen wird, und dass sie sich mehren sollen. Segen hat etwas zu tun mit Fruchtbarkeit, mit Wachsen und mit Mehren. Das haben wir gerade auch im Evangelium gehört, im Magnifikat: Gesegnet bist du Maria.

Segen geht ganz tief auch in die Wirklichkeit der Schöpfung hinein. Umgreift all das, was wir auch sonst im Lauf eines Jahres segnen: Früchte der Erde, Frucht der Arbeit, der Menschen, all das ist ein Segen. D.h. aber auch, dass es ein Geschenk ist, dass wir nicht einfach darüber verfügen, dass wir trotz aller Hände Arbeit es nicht einfach von uns aus allein machen können. Segen hat darum auch schon etwas zu tun damit, dass uns etwas gelingt, dass etwas gedeiht. Segen ist da, wo etwas gelingt und etwas gedeiht. Wir spüren, dass wir dies nicht immer in der Hand haben, gleich ob wir das Wort von Glück benutzen oder andere Worte. Erst recht wird dies wichtig, wenn uns eine besondere Aufgabe gestellt wird. Dann braucht es erst recht den Segen. Und das haben wir aus Genesis 12 in der Lesung eben gehört, wie Abraham den Auftrag bekommt, auszuziehen aus seiner Heimat, hinauszugehen in die Fremde. Und bei diesem Hinausziehen in die Fremde wird ihm gesagt: Du sollst ein Segen ein, du wirst ein Segen sein.

Das Hinausziehen braucht den Segen. Wie viele Segensworte gibt es im Alten und im Neuen Testament, wenn Menschen Abschied voneinander nehmen, wenn sie eine neue Aufgaben übernehmen. Dann ist dieser Zuspruch da. Segen, das ist ein Wort der Zuwendung. Aber kein gewöhnliches Wort. Wir verbinden damit die Hoffnung, ja auch die Gewissheit, dass das, was wir mit diesem Wort sagen, auch eintrifft, dass es wirkmächtig ist. In ganz unterschiedlicher Weise, aber so, dass es kein Wort ist, das einfach leer in die Wirklichkeit hineingesprochen wird, sondern ein Wort, das auch das, was es sagt, erfüllt und realisiert.

So gibt es vielfachen Segen. Immer wieder in entscheidenden Lebenssituationen, auch in Ehe und Familie, auch in unseren Freundeskreisen, wenn wir manchmal floskelhaft, aber doch nicht ohne tieferen Gedanken jemandem Gottes Segen wünschen - am Ende eines Jahres, zu einem Geburts- oder Namenstag und zu allen einschneidenden Ereignissen unseres Lebens. Wenn Ihr nun, meine lieben Schwestern, lieber Bruder, die Sendung empfangt, dann gehört dazu Konsequenz in dieser Linie der Heilsgeschichte, auch und in ganz besonderer Weise Gottes Segen. Ihr bringt ja Gottes Segen in die Welt, dann braucht Ihr als seine Boten zuerst diesen Segen Gottes. Nicht einfach für uns, sondern für das, was wir tun. Ihr bringt Segen in eine Welt, die oft vom Gegenteil erfüllt ist. Für die Bibel ist das Gegenteil von Segen Fluch. Wie oft gibt es Wirklichkeit, die fluchbeladen ist, ungerecht, rücksichtslos, lieblos verfeindet, unversöhnlich, ja, sodass manchmal ein Teufelskreis entsteht, aus dem man nicht weiß, wie man herauskommen kann. Wir sagen auch wirklich mit Recht: Da liegt ein Fluch darüber. Da komme ich nicht durch. So sind wir immer wieder dazu aufgerufen als Christen und in jedem Dienst, dass wir den Segen Gottes in eine Welt bringen, die fluchbeladen ist. Sie ist nicht verflucht von Gott, aber sie hat immer wieder die Last, die Folgen des Fluches, die Folgen all dessen zu überwinden, die ihr aus eigener Entscheidung zugekommen sind. Menschen haben gemeint, sie wüssten besser, wie sie ihr Leben einrichten, als es Gott weiß. Schon auf den ersten Seiten der Bibel vollzieht sich das. Gleich nachdem vom Segen und vom Fluch die Rede war kommt diese Entscheidung.

Wir wollen Gottes Segen in die Welt bringen. Wir haben nicht selbst Segen zu bringen. Wenn wir ihn bringen, dann bringen wir ihn in seinem Namen, in seinem Auftrag. Und das entlastet uns auch ein Stück weit. Es kommt nicht alles auf uns an, was nicht heißt, wir sollten nicht alles und Mögliche tun. Aber wir schaffen den Segen nicht. Es ist ein Wirken Gottes, und in seinem Namen dürfen wir Segen wünschen, Segenszeichen setzen.

Weil das so ist, weil wir in vieler Hinsicht diesen Segen Gottes in die Welt hineintragen, müssen wir ihn auch selbst zuerst empfangen. Sie haben sich ganz bewusst das Magnifikat als Evangelium für heute ausgewählt. Maria ist das Urbild des Empfangens, des richtigen Hinnehmen Könnens, des Aufnehmens, des Hörens. Nur darum kann sie das Wort in sich aufnehmen. Man hat aber manchmal den Fehler gemacht und hat gemeint, sie ist sozusagen die rein Passive, die nur offen empfangen wird. Das ist sie zwar ganz entscheidend. Aber so offen zu stehen, so in Erwartung zu stehen, ihn aufzunehmen, der Himmel und Erde geschaffen hat, das ist auch zugleich die höchste Tätigkeit. Da kommen unsere Begriffe von aktiv und passiv irgendwo durcheinander. Maria ist gerade indem sie so erwartungsvoll den Segen Gottes empfängt in seiner ganzen Fülle die höchst Tätige. Was könnte sie besser tun, als in dieser Weise Segen zu empfangen und weiterzugeben? Sie gibt ihn weiter für die ganze Welt.

So können auch wir, meine lieben Schwestern und Brüder, diesen Segen empfangen, für uns und noch wichtiger, damit wir ihn weitergeben. Weitergeben auch da, wo wir zögern, wo wir zweifeln, wo wir vielleicht auch verzweifelt sind, weil wir nicht weiter wissen, wie wir anderen helfen sollen. Weitergeben auch, weil wir wissen, dass wir viele Situationen des Fluches haben in unserer Welt, wo ein Wort des Lichts, ein Wort des Segens hineingesagt werden muss.

Auf den Segen sind die Kirchen in fast allen Liturgien gewohnt zu sagen: „Amen“. Eine Bekräftigung, so sei es. Noch einmal eine inständige Bitte zu Gott selbst, er möge diesen Segen wirklich schenken. Und so wollen auch wir ihn bitten, dass er uns am heutigen Morgen diesen Segen in Fülle schenke. Amen.

(c) Karl Kardinal Lehmann

Es gilt das gesprochene Wort

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz