Liebe Schwestern und Brüder im Herrn,
meine lieben Mitbrüder, die Sie geweiht werden!
Vor wenigen Tagen haben wir das Fest Christi Himmelfahrt gefeiert. Der Herr ist nicht mehr in irgendeiner Form leibhaftig – ob physisch oder verklärt – unter uns, er ist beim Vater; d.h. er ist allgegenwärtig. Überall ist er von uns aus anzurufen, er hört uns, und er ist überall präsent, bei Tag und bei Nacht und auf all unseren Wegen. Aber gerade das hat dann auch zur Konsequenz, dass die Kirche diese seine Gegenwart deutlich macht. Das kann sie nur durch Menschen. Gott braucht Menschen. Er braucht Menschen, um diese seine universale Gegenwart offenbar zu machen, damit er wirklich in alle Winkel und in alle Bereiche unseres Lebens hineinkommen kann. So hat er es gewollt. Nicht, dass er selber durch irgendeine Allmacht, durch ein besonderes Wunder physisch anwesend ist, nein, er möchte unsere Freiheit und unser Zeugnis, er möchte, dass wir durch sie hindurch ihn lebendig vergegenwärtigen unter den Menschen.
Das ist Sache jedes einzelnen Christen. Darum wird uns der Hl. Geist geschenkt, nicht zuletzt in der Firmung. Aber das ist auch der Grund, warum es dann Dienste und Ämter in der Kirche gibt, die nichts anderes tun sollen als eben: dienen, seiner Gegenwart dienen. Darum ist der Diakonat, der wörtlich übersetzt Dienst heißt, sozusagen das klassische Beispiel der Ämter und der Dienste. Da wird am tiefsten schon im Namen vergegenwärtigt, dass es keinen anderen Sinn gibt, als dem Herrn in den verschiedenen Situationen und Lebensbereichen gegenwärtig zu setzen, gegenwärtig zu halten, durch unser Zeugnis im Wort und Tat.
Meine lieben Schwestern und Brüder, deswegen gibt es immer schon eine Auffächerung dieses einen Dienstes. Schon von ganz früher Zeit an, vom Neuen Testament an, können wir es beobachten, dass sich Diakone, Priester, Presbyter, wie es damals hieß, und Bischöfe, Episkopen herauskristallisieren und im Laufe der Zeit die vielen Ämter daneben bis in unsere Tage hinein. Alle haben sie den Sinn, diesen Dienst am Evangelium in Wort und Tat unter uns lebendig zu machen.
Und darunter sind nun auch seit den Jahren des Konzils ständige, verheiratete oder gelegentlich nicht verheiratete Diakone. Diakone, bei denen das Diakonat nicht einfach Durchgangsstation ist zum Priestertum, sondern ein eigener Dienst, ein eigenes Amt. Was wäre eigentlich wichtiger und schöner, als dass ein Amt dieses Wort Dienst zum Titel hat, um anzudeuten, was für alle Dienste und Ämter gilt: Dass wir uns nicht bedienen lassen, sondern ihm allein dienen.
Meine lieben Schwestern und Brüder, Kirche braucht noch viel mehr, noch selbstverständlicher Menschen, die diesen Dienst übernehmen. Wenn wir noch so mächtig wären und noch so viele Institutionen und Ämter und alle möglichen Apparate hätten: Wir sind auf Gedeih und Verderben auf das Zeugnis einzelner Menschen, die Christen sind, ob sie nun ein Amt haben oder nicht, angewiesen. Da kommen wir mit dem Arm der Ämter gar nicht überallhin. Da braucht es vor Ort – da, wo ein jeder lebt, in seiner Ehe und Familie, in seinem Beruf – den lebendigen Zeugen.
Beispielhaft für uns alle können da nun die Diakone sein, die – ob hauptberuflich oder nebenberuflich – zeigen, dass sie da, wo sie in ihrer Ehe, ihrer Familie, ihrem Beruf leben, auch ein amtliches Zeugnis vollziehen. Ich denke, es ist wichtig und gut zu wissen, dass da Männer sind, die in ihrem Beruf stehen, in ihrer Ehe und Familie und gerade dorthin immer wieder auch, vielleicht ganz unauffällig, einfach durch ihr Leben, durch ihre Tat, schließlich auch einmal durch das Wort bezeugen, dass sie dies miteinander vereinbaren können: Leben im Alltag unserer Welt und das Leben aus dem Glauben.
Wir haben gerade in den Lesungen des heutigen Tages Hinweise dafür, wie wir dies auffassen müssen, was Bedingungen dafür sind, dass es gelingt. Der hl. Paulus ist gefangen, er appelliert an den Kaiser in seiner Angelegenheit, da er den verschiedenen Gerichten in seiner Heimat nicht traut, und obwohl er im Gefängnis ist, obwohl er interniert ist, würden wir sagen, bewacht wird, ist er nicht untätig. So wie wir es gerade gehört haben: In den zwei Jahren, in denen er in dieser gemieteten Wohnung lebte, bewacht, gehen die Menschen ein- und aus. Auch noch in den Fesseln, auch noch unter widrigen Umständen ist er Zeuge - Zeuge des Evangeliums. Da kommt ein kleines Stichwort vor in diesen letzten Versen aus der Apostelgeschichte: Er habe alles mit Freimut gemacht. Es ist eines der Worte, die besonders schwer zu übersetzen sind aus dem Griechischen: „paräsia". Unser Wort Freimut reicht auch nicht ganz, um das auszudrücken, was dieses Wort besagt: Aufdrehen, sich nicht schämen des Evangeliums wegen, Mut haben, um zu verkündigen, um Zeugnis abzulegen, in die Bresche springen für den Herrn in dieser Zeit und in dieser Welt und dies auch in aller Öffentlichkeit. Dafür braucht man einen besonderen Freimut, der sich nicht abbringen lässt durch Einschüchterungen, auch nicht sich abbringen lässt dadurch, dass man verlacht wird, dass man gefährdet ist. Man soll mit diesem Mut des Dienstes das Evangelium in alle Winkel und in alle kleinen Rinnsaale unseres Lebens hineinbringen.
Mein lieben Diakone, liebe Mitbrüder, die Sie zu Diakonen geweiht werden, das ist in ganz besonderer Weise euer Beruf. Den Herrn der Welt sichtbar zu machen bis in die kleinsten Einheiten unseres Lebens, bis hinein in Lebensbereiche, wo es gar nicht so leicht ist, präsent zu sein als Kirche. Da ist der Diakon oft ein Vorposten von Kirche, ein vorgeschobener Posten, dort, wo man u.U. gar nicht vermutet, dass das Evangelium hier ganz besonders nötig ist. Deshalb die enge Verbindung des Diakons mit den sozialen, caritativen Diensten in der Kirche. Überall da, wo Menschen, Arme und Bedrängte besondere Ermutigung und Hilfe bedürfen, und das nicht zuletzt auch und gerade bei Menschen, die krank sind, die alt werden. Es ist auch schön, dass viele Diakone sich in der Hospizbewegung engagieren und viele Dinge gerade in diesem Bereich. Das braucht die Kirche heute in besonderer Weise. Sie ist dort besonders glaubwürdig für viele Menschen, wo sie sich nicht scheut vor dem, wovor andere vielleicht flüchten und fliehen. Stand zu halten, dazubleiben, auch da, wo manchmal himmelschreiende Not ist, nicht wegzulaufen, wo es so leicht wäre, etwas anderes zu tun. Dieser Dienst des Diakons ist gerade heute unentbehrlich. Man müsste ihn erfinden, wenn es ihn nicht schon gäbe. Und Gott sei Dank haben wir diese Gabe Gottes an seine Kirche wiederentdeckt, gerade auch durch verheiratete Männer.
Aber was wäre all unser Tun, wenn es nicht zuletzt getragen wird durch das Evangelium. Und darum ist es nicht zufällig, dass der Dienst des Diakons ganz eng verbunden ist mit der Verkündigung des Wortes Gottes. Dort wird uns die Kraft Gottes geschenkt, da erfahren wir neue Ermutigung und Orientierung. Da wird das, was wir tun, was wir auch in der Tat vollziehen, durchsichtig auf seinen Ursprung hin, auf die Motive hin. Hier schöpfen wir immer wieder aus den entscheidenden Quellen unseres Dienstes. Und darum ist es gut, dass der Diakonat so eng verbunden ist mit diesem Dienst an den Armen und Ärmsten und zugleich mit dem Dienst am Wort. Beides braucht sich, beides gehört zusammen. Wehe, wenn wir nur verkünden würden, ohne dass wir uns herabbeugen auch zu den Armen, und wehe, wenn wir nur das tun würden ohne den Dienst am Wort und am Evangelium.
Wir freuen uns, meine lieben Schwestern und Brüder, dass unsere beiden Diakone aus einer Pfarrei, aus St. Stephan, Sprendlingen, kommen. Ist das nicht ein großes Geschenk, dass sie beide in einer Gemeinde sozusagen aufgewachsen und darin auch den Dienst gefunden haben? Deshalb begrüße ich alle Schwestern und Brüder aus Sprendlingen mit Pfr. Traut ganz besonders herzlich. Wir freuen uns, dass sie auch in der Gemeinde sozusagen Geschmack gefunden haben an diesem Beruf und dass Sie alle sie ermutigt haben, meine lieben Schwestern und Brüder, zu diesem Dienst. Das gilt ganz besonders den Ehefrauen, den Kindern und ihren Verwandten, den Mitbrüdern, sei es im Religionsunterricht, sei es dem Pfarrer: allen ein herzliches Vergelt´s Gott. Amen.
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copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz
Es gilt das gesprochene Wort
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von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz
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