Predigt beim 50-jährigen Priesterjubiläum von Walter Kardinal Kasper

am 14. April 2007 in der Kirche St. Martin in Wangen/Allgäu

Datum:
Samstag, 14. April 2007

am 14. April 2007 in der Kirche St. Martin in Wangen/Allgäu

Dankbar gedenken wir der Priesterweihe von Walter Kardinal Kasper am 6. April 1957 in Rottenburg, also vor 50 Jahren. Er hat in dieser Zeit viele Aufgaben erfüllt, die eine große Spannweite haben, ist aber bei allen Stationen stets Priester geblieben. Er konnte dieses breite und tiefe Spektrum auch nur bewältigen und aushalten, weil er sein Priestersein von Anfang an tief und weit ansetzte. In seinem kürzlich erschienen Buch zu seinem Priesterjubiläum hat er auch das Leitwort dieses Dienstes formuliert: Diener der Freude (Freiburg i. Br. 2007, künftig nur mit Seitenzahlen zitiert).

Walter Kasper hat über diese 50 Jahre stets ein volles Ja zu seiner Berufung gesagt und gelebt. Darin haben ihn auch manche schwierigen Erfahrungen nicht abbringen können. „Nimmt man alle die vielfältigen Aspekte zusammen, so bestärkt dies meine Überzeugung: Das Priestersein hat nicht ausgedient. Es ist auch in Zukunft ein für die Menschen notwendiger und Not wendender Dienst und es ist für den Priester selbst ein lohnender und ein schöner Dienst.“ (155)

Gerade deshalb hat sich aber Walter Kasper nie von der Basis auch des priesterlichen Dienstes entfernt, nämlich von der christlichen Existenz überhaupt. Er hat dies schon in seinem Elternhaus erfahren. wo ihm schon sehr früh die Idee kam, Priester zu werden. „Dieser Gedanke ist in mir schon sehr früh in der ganz selbstverständlich religiös geprägten Atmosphäre und Erziehung in unserer Familie wachgeworden. Das gemeinsame Gebet in der Familie war eine Selbstverständlichkeit.“ (13) So hat er die spezifische Berufung des Priesters immer in engem Zusammenhang mit der gemeinsamen Berufung aller Christen gesehen. Die Gemeinschaft mit allen Schwestern und Brüdern des Glaubens war ihm zeitlebens wichtig und hat ihn bei allem Bekenntnis zum Priestersein vor jedem Klerikalismus bewahrt. Er wusste immer, wie viel er anderen neben sich verdankt.

Ein zweiter Gedanke gehört dazu. Walter Kasper hat nie einfach Ämter in sich und in ihrer Würde betrachtet. Er hat sie im Sinn des Zweiten Vatikanischen Konzils wirklich als Berufung zum Dienst verstanden. Darum steht jeder kirchliche Beruf und besonders auch das Priestertum unter dem Anspruch, die Frohbotschaft Jesu Christi an jedem Ort und zu jeder Zeit, gelegen oder ungelegen, zu verkünden und auch in der Tat des Lebens zu verwirklichen. Diese Sendung bringt auch fast von selbst eine gemeinsame Zeugenschaft mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im kirchlichen Dienst, ja mit allen aktiven Christen überhaupt. Nicht zuletzt darum hat Walter Kasper auch von Anfang an in Theologie und Praxis großen Wert gelegt auf die missionarische Dimension des Christseins. „Geht hinaus in alle Welt“, „Ihr sollt mir Zeugen sein“ – dies gehört zu seinem Verständnis als Priester.

Vieles ist dann anders gekommen, als es der Junge, der „Pfarrer werden“ wollte, sich vorgestellt hatte. Zwar war er nach der Priesterweihe Vikar in Stuttgart/Herz Jesu, aber der intellektuell und pädagogisch begabte junge Geistliche wurde bald zur Mitarbeit in der Priestererziehung in das Wilhelmstift in Tübingen berufen. So beginnt die theologische Laufbahn Walter Kaspers schon früh. Auch da ist die Spannweite erheblich, als er z.B. Wissenschaftlicher Assistent für Leo Scheffczyk und Hans Küng in Tübingen wurde. Mit 31 Jahren erhielt er einen hoch angesehenen Lehrstuhl für Dogmatik in Münster und später entsprechend in seiner schwäbischen Heimat (1970-1989).

Für Walter Kasper war der Dienst in der Theologie und an der Universität kein Abweichen von seinem ursprünglichen Beruf, Priester und Pfarrer zu werden. Er hat bis zum heutigen Tag auch als Wissenschaftler immer wieder die Nähe zu den christlichen Gemeinschaften vor Ort und besonders zu den Pfarreien gesucht. Er wusste um die Notwendigkeit einer beständigen Bodenhaftung. So war die wissenschaftliche Tätigkeit des Dogmatikers für ihn bei aller Akribie und Strenge nie ein Selbstzweck, ein interessantes Glasperlenspiel, sondern das wissenschaftliche Bemühen sollte ihm gerade helfen, das Evangelium Jesu Christi sachgerecht und zeitgerecht weiterzugeben, dem Menschen Orientierung zu vermitteln, um in den komplexer werdenden Lebensverhältnissen einen beständigen und verlässlichen Sinn zu finden. Es war die Leidenschaft des Theologen Walter Kasper, die Menschenfreundlichkeit und Lebenstauglichkeit gerade des unverfälschten christlichen Glaubens aufzuzeigen und zu ihm einzuladen. Zahlreiche Bücher aus diesen fast 30 Jahren hauptberuflicher theologischer Arbeit sind ein Beleg dafür. Es gehört aber auch zu Walter Kasper, dass er bis zur Herausgeberschaft des „Lexikon für Theologie und Kirche“ (1993-2001) das theologische Wissen der Zeit nicht nur von den Experten gehütet wissen wollte, sondern durch Zeitschriften, Lexika und Sammelwerke die theologischen Einsichten anderen weitergeben wollte. Auch dies ist ein echt priesterlicher Zug, weil er den Mitchristen und überhaupt suchende Menschen durch eigene Erkenntnis unterstützen und in der jeweiligen Verantwortung stärken möchte, nicht zuletzt auch zur Befähigung des christlichen Zeugnisses in der Welt von heute.

Professor Walter Kasper hatte im Lauf der Jahre sich nicht verweigert, die Kirche auf ihrem Weg nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil durch manche Höhen und Tiefen hindurch aktiv zu begleiten. So hat er intensiv als hoch geschätzter Berater in den Gremien der Deutschen Bischofskonferenz, bei der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland (Würzburger Synode: 1971-1975) und in vielen Gremien mitgewirkt. Er war sich nicht zu schade, maßgeblicher Autor zu sein beim ersten Band unseres Katholischen Erwachsenenkatechismus (1985). Auf diesem Weg hatte Walter Kasper durch seine überzeugte und überzeugende Tätigkeit auch das Vertrauen vieler Verantwortlicher in der Kirche gewonnen. Wir Jungen sind ja nicht selten auf ein gewisses Misstrauen gestoßen, das überwunden werden musste. So war es schließlich nicht mehr sehr überraschend, dass Walter Kasper 1989 als Nachfolger von Georg Moser Bischof von Rottenburg-Stuttgart wurde. Er kannte schon in vieler Hinsicht seine Heimatdiözese, nicht zuletzt die vielen Priester und theologisch ausgebildeten Laien. Zehn Jahre hat er so eine bis heute wichtige Erfahrung als Bischof einer großen, vielfältigen Diözese gewonnen. Kein Wunder, dass man ihn auch in der Deutschen Bischofskonferenz bald zu umfassenden Aufgaben heranzog. Dies gilt besonders für das anspruchsvolle Amt eines Vorsitzenden der Kommission für weltkirchliche Aufgaben, das Walter Kasper mit großem Einsatz für uns alle wahrgenommen hat (1991-1999). Im Bistum Rottenburg-Stuttgart gab es dafür ohnehin schon eine gute Tradition. Und auch hier steckt im Kern ein Grundanliegen des priesterlichen Dienstes von Walter Kasper: Die Sendung und Zeugenschaft des Evangeliums als Licht des Lebens und Licht der Welt überall hinzutragen und durch konkreten aktiven Einsatz die Welt zum Guten zu ändern (vgl. die Kap. V-VII in: Diener der Freude).

Wir waren stolz und dankbar, dass Bischof Walter Kasper 1999 zum Sekretär des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen in Rom berufen wurde. Freilich mussten wir auf sein unmittelbares Wirken bei uns verzichten, wenngleich auch vieles von dem, was er für die Weltkirche wirkt, wieder zu uns zurückfließt. Man durfte nämlich auch nicht übersehen, dass der Theologe und Dogmatiker Walter Kasper schon in frühen wissenschaftlichen Arbeiten, später auch als Berater (1979 im Einheitsrat und im Weltrat) sich dem großen Thema der Einheit der Christen verschrieben hatte. Die Nöte aufgrund der Zerrissenheit und Gespaltenheit der Christen haben es ihm angetan. In seinem ökumenischen Engagement lebt tief ein priesterlicher Zug, nämlich das Vermächtnis Jesu Christi, „damit alle eins seien“, viel stärker zur Geltung und zur Sprache zu bringen. So hat sich Walter Kasper mit 66 Jahren, wenn andere sich zur Ruhe setzen dürfen, aufgemacht und ist dem Ruf von Papst Johannes Paul II. gefolgt und sich weltweit immer wieder um die Annäherungen der Christen bemüht, nicht zu vergessen seine Verantwortung auch für die Beziehungen der Kirche zum Judentum. Dies war eine neue Herausforderung, aber insgeheim lag sie vielleicht doch stärker auf der Linie der Fähigkeiten und Erfahrungen, die Walter Kasper im Lauf von Jahrzehnten gemacht hatte. Schließlich hat ihn Papst Johannes Paul II. im Jahr 2001 in den Kardinalsstand erhoben und zugleich zum Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Förderung der Einheit der Christen ernannt. Über diese Tätigkeit sagt Walter Kasper „Dabei kann man etwas vom Wehen des Heiligen Geistes und seinem Drängen nach Einheit spüren, um dann um so mehr den Schmerz und den Skandal der Trennung zu erfahren. Dankbar möchte ich außerdem die fast tägliche bereichernde und fast durchweg erfreuliche Erfahrung der Weltkirche in ihrer bunten Vielfalt und doch in ihrer Einheit um den Nachfolger des Petrus nennen.“ (20) Papst Benedikt XVI. hat ihm nicht weniger das Vertrauen geschenkt, haben Joseph Ratzinger und Walter Kasper schließlich nicht nur an der Universität in Münster, sondern auch in vielen Gremien miteinander gewirkt.

Der Weg geht weiter. Aber wir sind Walter Kardinal Kasper von ganzem Herzen dankbar für den Weg, den er als Priester in diesen fünf Jahrzehnten für die Kirche auf allen Ebenen unter Einsatz all seiner vielen Kräfte gegangen ist. In diesem Sinne sagen wir ihm alle ein herzliches Vergelt´s Gott. Wir wünschen ihm auch für die Zukunft, dass er, an Leib und Seele gesund, diesen großen und für die Christenheit heute überaus wichtigen Dienst der Versöhnung noch lange fortsetzen kann. Er ist trotz der vorgerückten Jahre, ähnlich wie unser Heiliger Vater Benedikt XVI., in einer dynamischen und lebendigen Kirche, die er selbst maßgeblich mitgestaltet hat, jung geblieben.

So hat sich die Tiefe seines Primizspruches vor 50 Jahren mehr als bewährt: Der Priester muss ein Diener der Freude sein (vgl. 2 Kor 1,24). Amen.

(c) Karl Kardinal Lehmann

Es gilt das gesprochene Wort

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz