Zu den Geschenken eines langen Lebens, das heute - gewiss manchmal auch mit einigen Lasten verbunden - den Menschen geschenkt wird, gehört auch, dass wir vielfach danken können. So durften wir dies auch im Blick auf Herrn Dompräbendat Prof. Msgr. Dr. Günter Duffrer in den letzten Jahren tun: er feierte am 13. Juli 2002 den 80. Geburtstag, im vergangenen Jahr die 85. Wiederkehr seiner Geburt, schließlich durfte er nach dem Goldenen Priesterweihjubiläum vor zehn Jahren nun am 25. Juli 2008 mit Herrn Pfr. Heinrich Schäfer das 60-jährige Jubiläum feiern, das wir heute gemeinsam hier am Ort seiner Weihe vor sechs Jahrzehnten in diesem Gottesdienst dankbar in Erinnerung rufen. Vor sechs Jahren haben wir unter Federführung von Herrn Dompfarrer Dr. Franz-Rudolf Weinert und der Herausgeberschaft von Frau Dr. Barbara Nichtweiß in den Mainzer Perspektiven (Berichte und Texte aus dem Bistum 15) eine Sammlung der wichtigsten Aufsätze „Geistlich Leben aus dem Gottesdienst. Pastoralliturgie nach dem Konzil" veröffentlicht (Mainz 2002), die auch eine Bibliografie und einen ausführlichen Lebenslauf enthält (S. 144 ff., 156 f.).
Unser Mitbruder Günter Duffrer gehört der Generation an, die ein durch den Wehrdienst geteiltes Theologiestudium absolviert hat. Primiz feierte er 1948 in der durch Bomben noch zerstörten Basilika seiner Binger Heimat. Wenige Monate zuvor stirbt sein relativ junger Vater, der von den Nazis wegen politischer Unzuverlässigkeit aus dem Polizeidienst entlassen wurde. Neben Duffrers seelsorglichen Einsatz fallen besonders auf seine Zeit als Bischöflicher Sekretär bei Bischof Prof. Dr. Albert Stohr (1953-1958) und das vertiefende Studium der Theologie und Liturgie in Rom mit dem Lizenziat und der abschließenden Promotion (1958-1961) über die pastoralliturgischen Bemühungen des Mainzer Regens Markus Adam Nickel im 19. Jahrhundert.
So war Günter Duffrer in idealer Weise vorbereitet, die liturgischen Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils im Bistum Mainz mit verwirklichen zu helfen. Der Mainzer Bischof und spätere Kardinal Hermann Volk, als Theologe immer schon und während des Konzils in besonderer Weise an einer Erneuerung des Gottesdienstes beteiligt, sah darin eine höchst bedeutsame Aufgabe nach dem Konzil. In unzähligen Vorträgen hat er Priester und Laien die Änderung und Wandlungen zu deuten gesucht. Wir haben dies anlässlich des 100. Geburtstages von Kardinal Volk (27. Dezember 2003) dankbar in Erinnerung gebracht (vgl. Zeuge des Wortes Gottes - Hermann Kardinal Volk, hrsg. von K. Lehmann/P. Reifenberg, Mainz 2004). Es war deshalb für Günter Duffrer eine dankbare Aufgabe, als Bischof Volk ihn noch vor Konzilsende, nämlich im April 1965, zum „Diözesanbeauftragten für Liturgie" ernannte. Bereits nach der Promotion begann G. Duffrer als Dozent für Liturgie, besonders für Pastoralliturgik - von der Universität abgesehen -, in allen Mainzer Ausbildungsstätten für Priester und Diplomtheologen, Pastoralreferenten und Gemeindereferentinnen, für Ständige Diakone und für Kirchenmusiker (1962-1989). Über 27 Jahre prägte Professor Duffrer Generationen von hauptamtlich in der Seelsorge Tätigen. Aber dies gilt nicht nur für die „Professionellen". Die ehrenamtlichen Laiendienste lagen ihm von Anfang an am Herzen. Besonders die Kantorenkurse, vor allem auch im Zusammenhang der Einführung des „Gotteslob", und die Ausbildungskurse für Kommunionhelfer (1968-1989) hat er jahrzehntelang mit Hingabe gehalten. Er war überzeugt, dass diese Dienste nur bei angemessener Vorbereitung und stetiger geistlicher Begleitung auf die Dauer fruchtbar sein könnten.
Aber auch außerhalb des Bistums war G. Duffrer ein anerkannter Berater und geschätzter Referent. So war er viele Jahre Berater in der Liturgischen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz (1971-1989). Mit dem verehrten Professor Heinrich Rohr verband ihn bis zum Tod des Alt-Meisters eine enge Zusammenarbeit und eine tiefe Freundschaft, die auch manche Früchte an Veröffentlichungen hervorbrachten (vgl. Ein Leben für die Singende Gemeinde. Festschrift für Heinrich Rohr zum 95. Geburtstag, hrsg. von G: Duffrer, Mainzer Perspektiven, Berichte und Texte aus dem Bistum Mainz, Mainz 1997; Deutsches Messantifonale von Heinrich Rohr, Freiburg i. Br. 1997; vgl. zuletzt über Heinrich Rohr: LThK, 3. Aufl., Bd. VIII, Freiburg i. Br. 1999, 1239/1240).
Wir sind dankbar, dass Günter Duffrer nun über 18 Jahre seit seiner Ruhestandsversetzung mit uns in Mainz leben darf. Aber es kommt darauf an, wie er dies tut. Er hat sich durch manche gesundheitlichen Rückschläge nicht entmutigen lassen. Ich denke dabei an den Sturz im Bad nach der Beerdigung unseres Mitbruders Josef Klein vor drei Jahren und den chirurgischen Eingriff im Zusammenhang der Schmerzen an der Wirbelsäule kurze Zeit vorher. Entschlossen haben Sie, lieber Mitbruder Günter Duffrer, den eigenen Haushalt aufgegeben und haben im Bruder-Konrad-Stift, wie manche Mitbrüder, eine hervorragende Aufnahme und überaus freundliche Begleitung und Unterstützung gefunden, für die wir heute den Schwestern und allen Mitarbeiterinnen des Hauses herzlich danken wollen.
Dazu gehört aber auch, dass Günter Duffrer immer wieder die Gemeinschaft der Schwestern und Brüder in der Kirche sucht. Auch wenn es mühsam ist, schleppt er sich, wann immer es geht, hier in den Dom, um mit uns und vielen anderen Gottesdienst zu feiern. Ich denke dabei besonders an die Heilige Woche, aber auch die Priesterweihe vor wenigen Wochen. Es ist ein besonders wichtiges Zeugnis, das Sie, verehrter lieber Mitbruder, hiermit geben. Es zeigt uns allen - ich komme noch darauf zurück -, wie wichtig Ihnen die „tätige Teilnahme" am Gottesdienst der Kirche ist. Sie ermutigen dadurch andere zu dieser Wertschätzung. Aber der Gottesdienst ist in Ihrem Leben nie isoliert dagestanden. Nicht zufällig wurden Sie 1948 mitten in den Trümmern und unter den noch sehr leidenden Menschen zum Priester geweiht. Stets haben Sie um den inneren Zusammenhang zwischen der Eucharistie und der liebenden Hingabe bzw. Einsatzbereitschaft gerade für die Bedürftigen gewusst. Der innere Zusammenhang von Eucharistie und Nächstenliebe, ja der gelebten Gemeinschaft von Schwestern und Brüdern war Ihnen stets wertvoll. Dazu gehört aber auch das Gespräch der Brüder untereinander, in dem Sie immer wieder durch Ihren Humor und durch die spannenden Erzählungen aus Ihrem Leben die Freude am menschlichen Dasein und am Dienst in der Kirche stärken und festigen konnten.
All dies wurzelt bei Günter Duffrer im Verständnis des Glaubens und in der Liebe zum Gottesdienst. Dabei war er nie auf die bloße formelle Ordnung, das Funktionieren der liturgischen „Rubriken" eingeschworen, so sehr ihm eine menschlich ansprechende und geordnete Liturgie am Herzen lag. Diese Liebe zum gelebten Gottesdienst hat auch verhindert, dass er sich in einer falschen Romantik einer bestimmten Phase oder einem einzelnen Stadium der liturgischen Gestaltung vor allem der Eucharistiefeier verband. Dabei weiß er, gerade auch durch die Kenntnisse der jüngeren Liturgiegeschichte, um die Schätze der liturgischen Überlieferung. Günter Duffrer hatte einen tiefen Sinn für das gediegene Wachsen liturgischer Frömmigkeit, für Treue zum Ursprung und für den Gewinn einer froh machenden Partizipation aller am liturgischen Geschehen. Seine schon genannten und gesammelten Aufsätze „Geistlich Leben aus dem Gottesdienst" sind dafür ein Beleg. So schulden wir ihm auch heute einen großen Dank für seine Arbeit, vor allem mit Kardinal Volk, aber auch allen für das liturgische Leben im Bistum Verantwortlichen, einschließlich der Professoren an der Universität, an der früheren Fachakademie und an der Fachhochschule, im Priesterseminar und bei allen Ausbildungsprozessen für die kirchlichen Berufe, und besonders für die Einfühlsamkeit, sowohl in den Gottesdiensten der Kirche als auch in die Mentalität der Menschen von heute, ohne dem Zeitgeist zu erliegen. Wir sind reich beschenkt worden, weil wir durch das Geschenk dieser radikalen und gediegenen Mitte weniger Wildwuchs und weniger Willkür in der Gestaltung unserer Gottesdienste hatten als anderswo.
Dies ist aber nur möglich, weil Günter Duffrer um die Einmaligkeit der Anbetung Gottes weiß. Wenn wir ihn und seinen Namen ernst nehmen, sind Feier und Gebet in Ehrfurcht und Dankbarkeit die einzig gemäße, angemessene Antwort. Lobpreis ist die - wie ein altes Wort sagt - gebührende Beziehung des Menschen auf Gott hin. Diese Ausschließlichkeit des Lobes, die jeden Götzendienst irgendwelcher Art ausschließt, entspricht der Grundregel des Mönchvaters Benedikt und des benediktinischen Mönchtums, dem Günter Duffrer besonders nahe steht: Dem Gottesdienst ist nichts vorzuziehen. Darum feiern wir jetzt miteinander in Dankbarkeit und besonders in diesem Geist. Amen.
(c) Karl Kardinal Lehmann
von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz
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