Predigt im Gottesdienst zum Tod von Papst Johannes Paul II.

Das erste Wort, das uns erhalten ist von gestern: Ich bin froh, seid Ihr es auch! Das hat er vor allem zu denen gesagt, die ihn im päpstlichen Haus immer wieder umsorgt und begleitet haben. Das ist ein starkes Wort eines unerschütterlichen Glaubens: „Ich bin froh!“ - Was steht da alles dahinter? Ich bin froh über all das, was ich tun durfte. Ich bin froh über die vielen, vielen Dinge meines Lebens. Ich bin aber auch froh, dass ich nun mein Leben beenden darf. Ich bin froh, dass ich zum Vater heimgehen kann. Was ist das für ein Glaube, der uns zutiefst beschämt? Darauf kommt es ja schließlich an, wenn wir in unserem Glaubensbekenntnis beten: Ich glaube an das ewige Leben. Sagen wir dann auch: „Ich bin froh“? Können wir das sagen, wie wir unser Leben eingerichtet haben? Dann ruft uns der Papst noch zu: „Seid Ihr es auch!“ - Bis zum Schluss erwartet er Nachfolge; dass wir dem Evangelium gehorsam seien und mit ihm auf diesen Spuren gehen.

Das andere Wort, das uns von gestern überliefert ist: Als man ihm sagte, dass auf dem Petersplatz viele Menschen sind, die für ihn beten, hat er sich besonders an die jungen Menschen gewandt: „Ich habe nach euch gesucht, jetzt seid ihr zu mir gekommen, ich danke euch!“ - Ist das nicht der Inhalt seines ganzen Lebens gewesen? „Ich habe nach euch gesucht!“ Christentum ist, wenn es sich recht versteht, suchende Liebe, suchende Liebe überall in der Welt. Das zeigte dieser Papst auf seinen 104 Pastoralreisen und bei den sonstigen Aktivitäten - man spricht von 80.000 Seiten, die er geschrieben hat, Predigten, die aufgezeichnet worden sind: „Ich habe nach euch gesucht, und jetzt seid ihr zu mir gekommen.“ Sie sind ihm zuliebe gekommen, so viele, die damit ausdrücken: Wir danken dir für deine Suche, wir kommen zu dir in dieser letzten Stunde.

Auch in diesen Stunden äußerster Bedrängnis hat der Papst nicht zuerst auf sich geschaut: Ich habe nach euch gesucht! So hat er sich verzehrt ein langes Leben lang, Tag für Tag die Sorge der ganzen Weltkirche in den letzten 26 Jahren mit sich herumgetragen, in allen Kontinenten, ganz besonders da, wo Menschen leiden, hungern und dürsten nach Gerechtigkeit. Da haben wir genügend Grund dankbar zu sein, auch für die drei Reisen, die er nach Deutschland gemacht hat: 1980, 1987 und 1996.

Meine lieben Schwestern und Brüder, lassen Sie mich nur ein paar Stichworte nennen zu den Reisen nach Deutschland, wo Mainz, wo hier auch dieser Dom und die anliegenden Gebäude im Mittelpunkt stehen durften. Im Jahr vor seiner Wahl zum Papst war er schon zweimal in Deutschland, zweimal in Mainz. Der Fachbereich Katholische Theologie unserer Universität hat ihm die Würde eines theologischen Ehrendoktors verliehen. Das war wohl die erste große Ehrung, die er empfangen hat in unserem Land, nicht zuletzt auch für seine wissenschaftlichen, zumal philosophischen Arbeiten. Dann kam er in dieser denkwürdigen Reise zusammen mit Kardinal Wyszynski vier Wochen vor seiner Wahl im September 1978 nach Mainz. Es bleibt unvergesslich, als die beiden bei Kardinal Volk zusammen waren. Es war ihm immer wieder bei beiden Reisen ein wichtiges Anliegen, an das Grab des Mainzer Bischofs W. E. von Ketteler zu gehen.Durch seine Nähe zur polnischen Arbeiterbewegung Solidarnosc war da eine enge Beziehung zu sozialen Fragen. Seine Sozialenzykliken, die er als Papst geschrieben hat, mit denen er die katholische Soziallehre kräftig weiterentwickelte, sind ein Zeugnis für diese bleibende Inspiration.

Wir erinnern und auch an die denkwürdigen beiden Tage am 16. und 17. November 1980 beim ersten großen Pastoralbesuch in unserem Land. Alle, die diesen Besuch damals erlebt haben, werden sich etwa noch an das schreckliche Wetter erinnern, das die Menschen auf dem Flugplatz in Finthen in große Bedrängnis brachte. Man darf sagen, dass diese zwei Tage in Mainz beim damaligen Besuch wirklich zur Mitte seines Besuches bei uns gehören. Die Gespräche mit den Katholiken einer anderen Muttersprache, auch den Polen auf dem Liebfrauenplatz, die Begegnung mit den evangelischen Christen, die Begegnung mit der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen, die Begegnung mit Vertretern des Judentums, die Begegnung mit den arbeitendenden Menschen, mit den verantwortlich Tätigen aus der Arbeitswelt: Das war – glaube ich – wirklich so etwas wie der Kern dieser Reise.

So haben wir Grund, in diesen Tagen zurückzuschauen. Das tun wir nicht, um etwas, was geschlossen und vorbei ist, zu feiern, sondern um aus der Kraft dieser Erinnerung Mut zu schöpfen für unsere Aufgaben heute. Amen.

(c) Karl Kardinal Lehmann

Es gilt das gesprochene Wort