Predigt im Pontifikal-Requiem für Prälat Klaus Reinhardt

am 15. März 2008 im Mainzer Dom

Datum:
Samstag, 15. März 2008

am 15. März 2008 im Mainzer Dom

Lesungen: 1 Kön 13,3-9 a. 11-13; Joh 6,51-59

Das Leben und der Tod von Prälat Klaus Reinhardt haben etwas zu tun mit der Elia-Geschichte, die wir in der Lesung gehört haben. Es ist ein Leben nicht mit lauten Tönen. „Ein starker, heftiger Sturm, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, ging dem Herrn voraus. Doch der Herr war nicht im Sturm, ... nicht im Erdbeben, ... nicht im Feuer. Nach dem Feuer kam ein sanftes, leises Säuseln.“ (1 Kön 19,11 f.) Es war ein leises, stilles Leben, aber gerade deshalb hat Klaus Reinhardt wohl auch mehr bewegt, als man auf den ersten Augenblick sieht, und dies vor allem bei vielen Menschen.

Wenn man nun auf sein Leben und Wirken, das fast 82 Jahre dauern durfte, zurückblickt, kann man unschwer einige wichtige Lebensstationen feststellen: Die Geburt mit Kindheit und Jugend in Darmstadt unter dem starken Einfluss des Jugendverbandes Neudeutschland. Idyllisch war dieses Leben nicht, das sich zu großen Teilen in der NS-Zeit und im Zweiten Weltkrieg vollzog. Er wurde noch am Schluss des Krieges Soldat. Nach der Priesterweihe am Dreikönigstag 1951 durch Bischof Albert Stohr hat Klaus Reinhardt vor allem die Oberhessische Diaspora kennen gelernt; fünf Jahre war er in Ober-Wöllstadt und ganz besonders in Bad Nauheim Kaplan. 13 Jahre an Wormser Gymnasien haben Nikolaus Reinhardt tief geprägt. Viele erzählen mir heute noch gerne von der lebendigen und aufrichtigen Begleitung junger Menschen durch ihn. Hier hat er seine große Begabung als Freund junger Menschen, als Pädagoge gefunden.

Eine weitere wichtige Schaffensperiode ist der mehr als 15-jährige Dienst als Regens des Priesterseminars. Es war nicht leicht, in die Fußstapfen von Weihbischof Joseph Maria Reuss zu treten. Regens Reinhardt hat in diesen schwierigen Jahren nach 1968, also in einer aufgewühlten Zeit, durch Klarheit und Behutsamkeit zugleich es verstanden, das Schiff „Priesterseminar“ durch die Wogen und Wellen eines unruhigen Meeres zu führen und in einer eindrucksvollen, ruhigen, unaufgeregten Weise, Kontinuität und Erneuerung miteinander zu verbinden und zu versöhnen. Mit Maß und Klugheit hat er die Errungenschaften in der Gestaltung eines Priesterseminars von Joseph Maria Reuss her fortgeführt und vertieft. Viele Mitbrüder, die in diesen anderthalb Jahrzehnten durch seine Schule gingen und auch nachher noch oft Verbindung gehalten haben, danken ihm dies heute ganz besonders.

Durch diese Tätigkeit war Klaus Reinhardt wie kaum ein anderer geeignet, der Leiter des Dezernates „Personal“ im Bischöflichen Ordinariat zu werden. Zwölf Jahre hat er diesen Dienst mit seiner Sensibilität und Erfahrung für uns alle ausgeübt. Er hat unser Personaldezernat noch in einem recht kümmerlichen Zustand übernommen. Unter der Leitung von Klaus Reinhardt entstand aus mehreren Bereichen unserer Verwaltung ein besser aufeinander abgestimmtes Dezernat, das viele neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekam und das heute ein ganz zentrales Element unserer Verwaltung geworden ist. Er kannte über die eigenen Studienkollegen hinaus alle Priester aus der jüngeren Generation, zusätzlich auch viele Ständige Diakone sowie die Schwestern und Brüder aus den pastoralen Berufen des Pastoralreferenten und der Gemeindereferentin. Es ist bis heute das Verdienst von Klaus Reinhardt, dass der Aufbau dieses Dezernates sehr entschieden, aber doch rücksichtsvoll und sensibel geschehen ist. Die neue Struktur ist mit Leben und Menschlichkeit erfüllt worden, was man – so meine ich – bis heute spürt. Zu den hilfreichen Neuerungen gehören die Anfänge der Personalpflege und der Personalentwicklung, aber auch der Gemeindeberatung und nicht zuletzt der Fortbildung. Stets war er auch aufmerksam und sensibel für den Wandel der pastoralen Berufe. Ich denke an die klaglose Bewältigung vieler Probleme z.B. im Zusammenhang der Elternphase unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und der entsprechenden Versetzungspraxis.

Dies alles hätte ohnehin nicht den hohen Rang, wenn nicht fast unmerklich und unscheinbar die Persönlichkeit von Klaus Reinhardt hinter allem gestanden wäre. Er konnte geduldig zuhören, unvoreingenommen auf den Anderen eingehen. Er hat sich stets bemüht, Hindernisse und Schwierigkeiten auf anderen Lebenswegen zu verstehen. Alles war auf Ermutigung angelegt. Die Formen wechselten, es blieben aber immer wieder die Offenheit und Redlichkeit, der freundschaftliche Rat, die enge Zusammenarbeit mit den Betroffenen, aber auch mit den anderen Verantwortlichen im Hause. Klaus Reinhardt war äußerst diskret und half vielen Menschen über dunkle Stunden und Brüche im Leben hinweg. Freilich hatte er dabei auch einen sehr nüchternen Blick und konnte manchmal auch seinen abgründigen Humor nicht ganz verbergen. Manchmal blieb es bei einem verständnisvollen Lächeln. Gerade auch in der Zeit nach seiner Emeritierung, die ihm noch einmal zwölf Jahre schenkte, war er vielen ein gesuchter Ratgeber und geistlicher Begleiter. Auch in dieser Zeit hat er sich konsequent um andere gekümmert. Immer wieder galt seine Sorge den Mitbrüdern im Ruhestand, angefangen vom monatlichen „Wanderkonveniat“ bis zu seinem tiefen Anliegen, diese Mitbrüder, die er auch im Priesterrat vertrat, als eine echte und eigene Gruppe der Pastoral auszuweisen, die auch im Ruhestand viel zur Seelsorge beiträgt und darum mehr aufmerksames Interesse verdient.

In aller Stille widmete Klaus Reinhardt sich in diesem Zusammenhang auch um die Geschichte. Er wollte nicht, dass man vieles undankbar vergisst. In mühseliger Kleinarbeit konnte er sich dabei mit schwer aufklärbaren Vorgängen beschäftigen. So hat er zum 175. Jubiläum des Bestehens unseres Priesterseminars eine auch heute noch bedeutsame Festschrift geschaffen. So wie er sich viel Zeit nahm für das einzelne Gespräch und Aufmerksamkeit besaß für kleinste Dinge, so lag ihm auch akribisch an der Aufklärung vergangener Ereignisse. Dies bezog sich aber vor allem auch auf Personen. So hat er gerade in der Ruhestandszeit unermüdlich an einem Nekrologium gearbeitet, einem Verzeichnis der Priester im Bistum Mainz (seit 1803). Wir hoffen alle, dass diese Arbeit noch zur Vollendung gebracht werden kann.

Eine Grundeigenschaft von Klaus Reinhardt ist unübersehbar. Ob er Geduld hatte bei der Begleitung junger Menschen, ob er mit schwierigen Lebenssituationen und Lebensentscheidungen zu tun hatte, ob er mit Schuld und Leid anderer umgehen musste, er ließ niemand im Stich. Deswegen hat sein Leben tatsächlich viel zu tun mit der Elia-Geschichte, die wir gehört haben: das Auf und Ab, Licht und Schatten, Müdigkeit und Aufbruch, die Nacht der Verzweiflung und der Engel des Lichtes – sie gehören dazu. Sensibel und behutsam konnte Klaus Reinhardt für sich und für andere darin immer wieder die Spuren Gottes lesen. Dabei war er bei aller Diskretion stets auch ein umgänglicher Chef, der sich um seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter menschlich kümmerte und den mit den übrigen Verantwortlichen eine wohltuende Freundschaft verband. Viele sind hier die dies heute bezeugen und auch unter seinen toten Freunden möchte ich nur Karlhermann Hiß und Dr. Paul Picard nennen.

Was dabei immer auffiel, und zwar bis in den Tod hinein, war die Gelassenheit und die Gefasstheit von Klaus Reinhardt. Er konnte gut das Wandelbare und das Unabänderliche im Leben von Menschen unterscheiden. Dies galt gerade auch für die letzten Jahre der Krankheit. So konnte er noch zwei Tage vor seinem Tod sagen: „Es geht zu Ende, aber es geht mir gut.“ Diese Tiefe hätte Klaus Reinhardt nicht erreicht ohne die Liebe zur Besinnung auf die Hl. Schrift und besonders auch zur Eucharistie, die wir nun feiern. In der Wahl des von ihm besonders geliebten Johannesevangelium kommt dies auch heute deutlich zur Sprache.

Wir haben im Bistum Mainz, aber auch weit darüber hinaus – er war für einige Zeit der dienstälteste Regens in unserem Land – in ihm einen großen Menschen und Priester geschenkt bekommen. Ich möchte von Herzen allen danken, die menschlich mit ihm verbunden sind, seinem Bruder und seiner Schwägerin sowie der ganzen Familie, den Freunden, vor allem aber Herrn Prof. Msgr. Dr. Alfred Mertens, der in hohem Maß mit ihm das Leben teilte und ihn bis in die letzten Stunden mit vorbildlicher Aufmerksamkeit und Zuwendung begleitete. Nicht vergessen möchte ich die gemeinsame Hausfrau beider, die eindrucksvoll gerade in letzter Zeit für Klaus Reinhardt gesorgt hat und der keine Arbeit zu viel war, Frau Olga Vućetić. Viele andere kommen hinzu, die ihn auch regelmäßig besucht haben. Ein herzliches Vergelt´s Gott!

Unser Dank vollzieht sich am tiefsten in der Eucharistiefeier. In sie dürfen wir alles auch aus dem Leben von Klaus Reinhardt hineingeben, das Schwere und das Frohe, die Leiden und die Freuden. Wir danken für sein Leben und sein Wirken, das immer – wenn auch ohne Pathos – in Hingabe für andere bestand. Hier kommen wir dem Herrn ganz nahe, weil er seine ganze Existenz hingegeben hat für das Leben der Welt (vgl. Joh 6,51). Amen.

(c) Karl Kardinal Lehmann 

Es gilt das gesprochene Wort

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz