Predigt im Pontifikalrequiem anlässlich der Beerdigung des Apostolischen Protonotars Dr. h.c. Martin Luley

am 4. Dezember 2006 im Hohen Dom zu Mainz

Datum:
Montag, 4. Dezember 2006

am 4. Dezember 2006 im Hohen Dom zu Mainz

Unser Mitbruder Martin Luley wollte nicht, dass am Tag seiner Beerdigung seine Person im Vordergrund steht, vielmehr sollten nach seinem Willen die Texte der Lesungen und des Evangeliums sprechen. Ich will mich daran halten. Zugleich bin ich gerade vor diesem Hintergrund dankbar, dass wir vor zehn Jahren zum 70. Geburtstag eine umfangreichere Schrift von 140 Seiten „In der festen Schale steckt ein guter Kerl“ (hrsg. von B. Nichtweiß, Mainz 1995) herausgegeben haben, in der man alles Wichtige über sein Leben und Wirken findet.

Dennoch will ich wenigstens einige nüchterne Daten aus seinem Leben in Erinnerung bringen: Martin Luley hat uns kurz nach Vollendung des 81. Lebensjahres verlassen; die Kaplansstellen vor allem in Gau-Algesheim, Mühlheim-Dietesheim, Langen und Heppenheim haben den Seelsorger tief geprägt; seine Verbundenheit mit den jungen Menschen erwies sich in der Aufgabe eines Diözesanjugendseelsorgers für die weibliche Jugend (1959-1964); neun Jahre war er mit Leib und Seele Pfarrer der damals jungen Gemeinde Thomas Morus in Gießen; ab 1970 war er im Dekanat Gießen auch Dekan; schließlich hat er 23 Jahre als Generalvikar gedient, fast zehn Jahre für Hermann Kardinal Volk und 13 Jahre an meiner Seite; danach wirkte er fünf Jahre als Bischofsvikar für die weltkirchlichen Aufgaben (1996-2001); 22 Jahre wirkte er auch als aktives Mitglied des Domkapitels.

Nüchterne Zahlen können noch nicht all das belegen, was er in den 53 Jahren seines Dienstes als Priester unserer Diözese geleistet hat. Er selbst sah sein Leben gut gekennzeichnet in einem Satz aus dem Stundengebet der Kirche, den wir auch über die Todesanzeige gesetzt haben: „Nimm mich auf, o Herr, nach deiner Verheißung, und ich werde leben. Lass mich nicht scheitern in meiner Hoffnung.“

Martin Luley war durch und durch, gerade auch in der kirchlichen Verwaltung Seelsorger. Noch nicht 20 Jahre alt hat er in der russischen Kriegsgefangenschaft, nicht zuletzt beim Holzfällen und im Steinbruch, das Elend der Menschen kennen gelernt. Er wusste, wozu der Mensch fähig ist, und blieb darum, ohne ein Misanthrop zu werden, nüchtern-realistisch. Weil er auch so früh die Ohnmacht des Menschen erfahren hatte, wusste er, worauf allein Verlass ist: Er hatte ein grenzenloses Vertrauen auf den Gott des Lebens, der in allen Situationen bewahrt und trägt. „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich ausgelöst, ich habe dich beim Namen gerufen, du gehörst mir.“ (Jes 43,1) Zugleich wusste er aber auch darum, dass der Mensch sein Leben verfehlen kann. Allein der unbeirrbare Glaube an Gott gibt eine verlässliche Richtschnur. So erklärt sich von der Bibel her das Motto, das er selbst über sein Leben schreiben wollte: „Nimm mich auf, o Herr, nach deiner Verheißung, und ich werde leben. Lass mich nicht scheitern in meiner Hoffnung.“

Diese grundlegende Zuversicht aus dem Glauben hat Martin Luley frei gemacht. Allein diesem Herrn, der im Leben und im Sterben trägt, wollte er dienen. Dies gab ihm eine große Weite und Tiefe seines Lebens und Handelns zugleich. Die Grundüberzeugung des Glaubens und seine menschlich-priesterliche Erfahrung ließen ihn verständig und klug handeln, auch wenn er in manchen Gebieten kein „Profi“ war. Er kannte den Menschen und konnte sich so vor Gott gut orientieren. Gerade darum war er auch ein frommer, aber auch nüchterner Beter.

Dies gab ihm auch eine unerschütterliche Gemeinschaft mit Jesus Christus. Er war fest überzeugt, dass diese Gemeinschaft über die irdischen Grenzen unseres Lebens hinausreicht. Christ- und Priestersein waren für ihn ganz tief verbunden mit der engen Nachfolge in den Spuren Jesu Christi. Bei-Ihm-Sein – das war der Inhalt seines Lebens. Darum war sein ganze Existenz auch Dienst für diesen Herrn. „Keiner von uns lebt sich selber, und keiner stirbt sich selber: Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Ob wir leben oder ob wir sterben, wir gehören dem Herrn. Denn Christus ist gestorben und lebendig geworden um Herr zu sein über Tote und Lebende.“ (Röm 14,7-9)

Diese Einstellung hat Martin Luley frei gemacht von sich selbst. So konnte er ganz nahe beim Menschen sein. Bodennah auch in den Abgründen des menschlichen Lebens. Immer wieder spürten wir auch in allen Vorgängen der Verwaltung: „In der festen Schale steckt ein guter Kerl“. Darum hatte er ein waches Empfinden für Menschlichkeit und ihre Verletzungen. Den Kranken und den Schwachen, den Behinderten und den Menschen am Anfang und am Ende ihres Lebens war er besonders nahe. Kaum hatte er Nachricht von der Krankheit, dem Unglück eines Mitbruders und Mitarbeiters, war er persönlich zur Stelle. Dies hat in besonderer Weise sein Stil und seine Rolle als jemand der führen und leiten muss, bestimmt. So hat er in den 23 Jahren als Generalvikar vieles erneuert, belebt und inspiriert.

Der Horizont des Bistums Mainz war dafür schon groß genug: vom Vogelsberg bis zum Neckar, von der bayerischen Grenze bis in die Pfalz. Er kannte auch recht gut die Anforderungen an die Christen unserer Tage in der Diaspora-Situation. So hat er auch echte Ökumene gepflegt. Aber stets war er auch in der Lage, weit hinaus zu denken über unseren eigenen Kirchturm. Er liebte die Kontakte nach Burgund, besonders zur Erzdiözese Dijon, und mit den jungen Kirchen in den Entwicklungsländern, vor allem in Brasilien, Korea und Ruanda. Er wusste, wie sehr die jungen Kirchen in Afrika, Asien und Lateinamerika uns bei allem Geben sehr bereichern können. Nicht weniger hatten es ihm, besonders nach der Wende des Jahres 1989 die Kirchen im Osten Europas angetan. Es fing an mit der besonderen Beziehung zum Bistum Erfurt. Es war sein tiefes Anliegen, die Kirche in den Ländern des Ostens beim Wiederaufbau spirituell und auch mit äußeren Hilfen zu unterstützen. Er dachte sehr praktisch an die Kindergärten, die Schulen und die Ausbildungsstätten. So hatte er gerade auch nach seiner Emeritierung als Generalvikar viele Kontakte mit Bischöfen und Diözesen in Polen und Rumänien, in Kroatien und in der Ukraine. Sie haben ihn auch durch viele Auszeichnungen geehrt und ihm so für sein Engagement gedankt.

Er hat uns vorgelebt, was wir im Evangelium gehört haben: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt er allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht. Wer an seinem Leben hängt, verliert es; wer aber sein Leben in dieser Welt gering achtet, wird es bewahren bis ins Ewige Leben.“ (Joh 12,24 f.) Wegen dieses tiefen Geheimnisses hat er auch die Eucharistie, die er gerade im Dom so oft mit uns gefeiert hat, tief geliebt. Sie gibt uns Kraft auch am heutigen Tag.

Wir haben ihm viel zu danken. Dies gilt besonders auch von den drei Bischöfen, denen er selbstlos gedient hat, ganz besonders als Generalvikar. Wir wollen ihm aber auch danken für sein Lebenszeugnis als Priester aus einem tiefen Glauben heraus. An ihm können wir Priester sehen, wozu wir fähig sind, wenn wir uns ganz auf den Herrn verlassen.

Ich möchte aber auch im Namen des ganzen Bistums, des Domkapitels und besonders auch persönlich herzlich allen danken, die ihn in diesen acht Jahrzehnten begleitet und auf seinem Weg bestärkt haben. Ich denke an die Freunde, aber auch viele Ärzte. Ich denke an seine Familie, unter uns vertreten durch seine Schwester Else Weitz. Ein ganz besonderer Dank gilt jedoch Frau Elisabeth Medwed, die ihn in unübertrefflicher Dienstbereitschaft, in tiefer Gläubigkeit und mit allzeit heiterem Sinn viele Jahrzehnte zur Seite stand in beispielloser Treue, gerade auch in den letzten Jahren. Ich sage Ihnen ein tiefes, von Herzen kommendes Vergelt´s Gott.

Der Herr hat seinen guten und getreuen Knecht zu sich gerufen. Darum haben wir viel Grund, Gott für das Leben Martin Luleys zu danken. Amen.

(c) Karl Kardinal Lehmann

Es gilt das gesprochene Wort

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz