Karl Kardinal Lehmann ist der 55. Ritter "Wider den Tierischen Ernst" des Aachener Karnevalsvereins AKV. Hier können Sie die "Ritterrede" des Preisträgers 2005 nachlesen:
In Aachen bin ich angekommen,
verehrte Gäste in der Rund',
hab' einen weiten Weg genommen,
lief Tag und Nacht so manche Stund.
Ein Hirte bin ich, wie Sie sehen,
trieb meine Herde meilenweit,
wollt' pünktlich auf der Bühne stehen
zum Ritterschlag zur rechten Zeit.
Entlang des Rheins bin ich gezogen,
verlor dabei kein einzig' Schaf.
Nun hoff' ich, ihr seid mir gewogen.
Seid mir gegrüßet mit "Alaaf" !
Doch sag' ich gleich: ich steh' nicht ewig
in eurem legendären Käfig,
sonst schreibt die Zeitung – das wär' bitter:
"Der Mainzer Lehmann hinter Gitter".
Drum gebt mir, liebe Ordensbrüder,
per ipsum meine Freiheit wieder!
Denn das höchste Glück auf Erden
hab’ ich inmitten meiner Herden.
Ein Hirte ist auf alle Fälle
ein Leben lang nur Junggeselle.
Kein Wunder, wenn man Tag und Nacht
den Arbeitsplan genau betracht'.
Ich seh' auch dann, wenn and're schlafen
rund um die Uhr nach meinen Schafen,
bin sehr zufrieden, fühl' mich gut,
wenn auch mein letztes Schäfchen ruht,
und hab' darum, das tut mir leid,
für Frau und Kinder keine Zeit.
Schon Papst Johannes XXIII hat gesagt:
"Man kann zwar mit einem Hirtenstab in der Hand heilig werden,
aber auch mit einem Besen".
Doch ich bin froh für meine Arbeit!
Früher hieß es: "Ora et labora" – bete und arbeite.
Benedikt von Nursia
Heute heißt es: "Ora pro labore" – bete um Arbeit!
Wolfgang Clement
Apropos Arbeit!
Ordensbruder Henning Scherf weiß gewiss, was Behörden und die Bremer Stadtmusikanten gemeinsam haben:
Oben wird laut gekräht,
in der Mitte legen Hund und Katze die Pfoten auf den Tisch,
und die Esel unten haben die ganze Last zu tragen.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich dich, lieber Ordensbruder Henning Scherf, offiziell vom Freitagsgebot befreien, an diesem Tag kein Fleisch zu essen. Denn bei deiner Körpergröße ist es ohnehin Samstag, bis das im Magen ist.
Als Hirte hör' ich gerne nicht,
wenn man von schwarzen Schafen spricht,
weil alle, die ich bei mir find,
fast überwiegend schwarze sind.
Aber ich will nicht schwarz-weiß malen.
Farben bestimmen unser Leben, und sie haben eine große Symbolkraft:
Rot ist -- die Liebe,
Grün ist -- die Hoffnung,
Gelb ist -- -- -- der Strom?
Selbst für bestimmte Berufsstände sind Farben wichtig:
So ist blau die Farbe der Philosophen,
weil sie uns das Blaue vom Himmel erzählen,
grün ist die Farbe der Chirurgen, weil der grüne Rasen ihre Opfer bedeckt,
und schwarz ist die Farbe der Kleriker, weil die Unschuld weiß ist.
Die ganze Herde, ohne Faxen,
ist dennoch mir ans Herz gewachsen.
Ein guter Hirte, Gott behüt',
der macht doch keinen Unterschied
woher sie kommen, wer sie sind
und was ein Schäfchen so empfind'.
Im Saal hier alle Schafe zähl' i(s)ch:
Fünfzig Prozent sind evangelisch.
Wenn man so sieht, wie auch das Schaf
voll Liebe rücksichtsvoll und brav
bei Tag und Nacht sein Lamm betreut
und dabei keine Mühe scheut,
könnt' man sich denken, dass ein Kind,
wie man es oft bei Menschen find',
hätt' lieber statt feudalem Futter
auch so ein Super-Schaf als Mutter.
Ich frage hier mal ganz dezent,
wer denn von Ihnen Dolly kennt?
Ich denke nicht an manches Laster,
ich mein' das Schaf und nicht Frau Buster,
das Tier, das für uns Ungewohnte,
das man in England damals klonte,
das weltweit großen Ruhm erwarb
und doch nach kurzer Zeit schon starb.
Nachdem das Herz nun nicht mehr klopft,
da hat man Dolly ausgestopft.
Und die Moral von der Geschicht',
dies ist zu sagen meine Pflicht:
Der Schöpfergott ist doch nicht dumm,
drum murkst an seinem Werk nicht rum.
Nicht nur ein Hirte weiß auf Erden:
Was lebt, muss auch behütet werden.
Man sieht es jeden Tag: Die Inflationsrate unseres Könnens steigt an; wir kommen mit der Technik vom Hundertsten ins Tausendste ...
Für viele Hundertprozentige, Überzeugte und Ehrgeizige ist es aber ein Glück, dass die katholische Kirche nur heilig und nicht unheilig spricht.
Doch will ich jetzt, statt viel zu richten,
von meinem langen Weg berichten:
Rheinhessens Fluren, Orte, Gassen,
hab' ich recht schnell zurückgelassen.
Nach Bingen ging's den Rhein hinunter,
wo Hildegard vor tausend Jahren
mit Kräutern machte Kranke munter,
die auch den Tieren nützlich waren.
Weil Medizin sich jedermann
auf Dauer nicht mehr leisten kann,
halt ich's erfolgreich lange schon
mit guter, alter Tradition:
Es muss bei jedem Zipperlein
nicht gleich Gen- und High-Tech sein!
Nicht jeder Fettring um den Bauch
braucht unbedingt den Absaugschlauch.
Schnallt euch den Gürtel einfach enger,
dann seid ihr schlank und lebt auch länger.
Als ich bei meinen Schafen wacht',
mir Ulla Schmitt die Botschaft bracht':
"Schlaf weiter schön gesund auf Stroh!"
Benedicamus Domino!!"
Denn da man eifrig und forciert
uns're Gesundheit reformiert,
blick' ich voll Sorge auf die Schafe.
Dann steht sogar im tiefsten Schlafe
ein mahnend Wort der Schrift vor mir
Ezechiel, 34 – 4:
"Die schwachen Schafe stärkt ihr nicht,
die kranken Schafe heilt ihr nicht!"
Da wünsch ich mir zu diesem Stück
Mehr bibelfeste Politik!
Dann zog ich mit meinen Schafen an der Loreley vorbei.
Ganz gesittet natürlich – mit niedergeschlagenen Augen.
Man weiß ja, welche blonden Verführungen da locken.
Die Loreley war, Ei der Daus,
der Zeit wohl viel zu weit voraus,
derweil wir in der Fabel lesen,
sie wäre splitternackt gewesen
und auf den Felsen hochgeflüchtet
vor Scham, auf dass man sie nicht sichtet.
Heut' wär' sie, völlig unbeneidet,
mit langem Haar schon gut gekleidet,
statt sich an hohem Fels zu schmiegen,
nach ganz weit unten abgestiegen,
wo viele auch nicht mehr erfassen,
wofür die Schafe Wolle lassen.
In Koblenz dann am Deutschen Eck,
da wollt' die Herde kaum noch weg,
weil an dem Reiterstandbild klar
und deutlich doch zu lesen war:
"Lieber Wilhelm, steig hernieder,
regiere deine Preußen wieder
und lass' in diesen schweren Zeiten
doch lieber Gerhard Schröder reiten."
In Bonn ließ ich die Hämmel springen,
weil man's noch kennt vom Hammelsprung,
und ließ in meinem Herzen klingen
viel freudige Erinnerung.
Wer dieses Wort wohl hat erfunden?
Es ist ein Unwort, wie ich find'.
Denn wer möcht' damit schon bekunden,
dass Volksvertreter Hämmel sind?!
Dennoch sollte ich manchen von ihnen meinen Hirtenmantel empfehlen, denn er schützt bei Wind und Wetter und ist sehr verlässlich.
Jene aber hängen ihr Mäntelchen oft schon andersherum,
bevor der Wind überhaupt gedreht hat.
Und ich vermute, dass bei denen, die ihre Schäfchen schnell ins Trockene bringen, sich die Tierliebe auf ihre eigenen Mäuse beschränkt.
Als meine Herde Köln erreichte,
da dachte ich an manches Leichte,
was dort in bunter Narrenwelt
als Bütten-Blüte dargestellt.
Da blökt bei mir fast jedes Schaf
ein unvermeidbar "Kölle Alaaf".
Sieht man zu manchem Narren hin,
hat man den Eindruck, dass für ihn
das Königstrio, das geehrte
und in Colonia hochverehrte,
statt Kaspar, Melchior, Balthasar
nur Jungfrau, Prinz und Bauer war.
Doch lasst Euch nicht die Freude rauben,
steht auch am Rhein stets fest im Glauben,
denn "Dat is prima – viva Colonia!"
Apropos Köln.
Sie wissen doch, warum in Köln der mächtigste von uns Hirten wohnt?
Das ist nämlich so:
Wenn zum Beispiel die Limburger Herde mit ihrem Hirten vorbeizieht, dann rufen die Menschen zur Begrüßung: "Hallo, Franz, einen schönen Tag noch!". Wenn der Aachener Hirte vorbeikommt, dann heißt’s: "Na, Heinrich, wirklich schwere Zeiten: Kopf hoch – Ihr schafft das schon."
Wenn aber der Kölner Hirte vorbeigeht, hört man nur ein Flüstern: "Allmächtiger!"
Am Ruhrgebiet – zum Haareraufen –
wär' mir die Herde fast entlaufen.
Sie wollte auch einmal in Maßen
auf Bundesliga-Rasen grasen,
obwohl beheiztes Gras im Magen
die Tiere gar nicht gut vertragen.
Dadurch will man nur den Vereinen,
die dicke Schuldentränen weinen,
das immer teure Mähen sparen,
damit sie noch in vielen Jahren
sich weiter Brot und Spiele gönnen
und teure Sklaven halten können.
So viel – ich will nicht weiter wettern –
zu der Gesellschaft Fußball-Göttern.
Ich wünsche stets der Mainzer Riege,
dass hier das Leder siegreich fliege!
Den Aachenern wünsch' ich das Gleiche,
damit's zum Aufstieg auch mal reiche.
Als letzte Station vor Aachen habe ich die Schafe durch Kerpen getrieben. Kerpen hat ja einen bedeutenden Sohn, den jeder kennt.
Richtig – – – Adolph Kolping, der Begründer katholischer Gesellenvereine. Geradezu tröstlich für uns heute, dass Kolping vor seiner Priesterweihe –Schuhmacher war !!
Auch Schumi hat ein großes Herz
und linderte manch' Not und Schmerz
mit dem, was er gewann zumal
mit Bleifuß auf dem Gaspedal.
Als roter Blitz auf dicken Reifen
kann er nach allen Kränzen greifen,
weshalb um diesen, wie man sieht,
oft ziemlich dicker Weihrauch zieht.
Wenn junge und auch alte Pärchen
demnächst auch noch im Maialtärchen
umrahmt von Kerzen mit Entzücken
das süße Bild von Schumi schmücken,
zieh' mit den Schafen ich per pedes
in Zukunft nur noch zu Mercedes.
So hab ich mich mit ganzer Kraft
hierher nach Aachen durchgeschafft,
der Stadt, die gerne ich beschriebe
als Zentrum unsrer Nächstenliebe,
denn hier erwecken früh bis spät
Hilfswerke Solidarität
und lindern mit viel Spendengeld
die große Not in aller Welt.
Besonders haben wir im Ohr
Missio und auch Misereor.
Und Kinder folgen jährlich gern
zu Dreikönig Jesu Stern.
Froh komm’ ich darum zur Visite
in die Stadt. – Europas Mitte
liegt mit Karl, dem Reichsgestalter,
hier im Dom von hohem Alter.
Und der Karlspreis ging vom Dom
zu Papst Karol schon nach Rom.
Es scheint, die Stadt liebt diesen Namen
"Karl". Und das gefällt mir. Amen.
Ich seh', nachdem ihr mich gerichtet,
stets heilsamem Humor verpflichtet
und trag den Orden stolz nach Haus.
Jedoch im Dom zieh ich ihn aus,
sonst will das Kirchenvolk in Ehren
als Predigt diesen Vortrag hören.
Bleibt alle froh und kerngesund!
Habt stets ein Lachen auf dem Mund.
Bleib' jeder mir ein treues Schaf.
In diesem Sinn: "Oche Alaaf"
(c) Karl Kardinal Lehmann
Es gilt das gesprochene Wort!
von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz
Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz