Rückblick auf die Eucharistie-Enzyklika

Gastkommentar in der Kirchenzeitung von Mai

Datum:
Sonntag, 18. Mai 2003

Gastkommentar in der Kirchenzeitung von Mai

Größere Dokumente haben es in unserer schnelllebigen Zeit nicht so leicht. Nach einem Tag werden die Meldungen darüber wieder abgesetzt. Rasch sind die Texte vergessen. Auch die seriösen Kommentierungen der Wissenschaft werden seltener.

Für die Eucharistie-Enzyklika, die Papst Johannes Paul II. am Gründonnerstag-Abend in Rom unterzeichnete, gilt dies erst recht, denn für die Medien war der Zeitpunkt der Freigabe für die Veröffentlichung schwierig. Dem Papst war jedoch die Inkraftsetzung an dem für die Eucharistie so symbolträchtigen Tag wie den Gründonnerstag wichtiger.

 

Die im ruhigen Ton gehaltene Enzyklika ist im allgemeinen korrekt aufgenommen und wiedergegeben worden. Wo dies nicht der Fall war, gab es einige Fehldeutungen, die freilich unschwer am gesamten Text korrigiert werden können. Ich will weniger darauf eingehen als auf einige Elemente in den Beurteilungen, die weniger offen zu Tage liegen.

 

Ich habe schon in meiner Erklärung vom 17. April darauf hingewiesen, dass der Papst die sachlichen theologischen Ausführungen an einigen wichtigen Stellen durch seine persönlichen Erfahrungen belegt und verstärkt. Es ist aber weder dem Gesamttext noch dem persönlichen Bekenntnis des Papstes gegenüber korrekt, wenn man daraus eine etwas eigentümliche Spiritualität des älteren Papstes macht, die sachliche Verbindlichkeit damit herunterzuschrauben versucht und damit die Enzyklika in ihrem Lehrgehalt relativieren möchte. Damit drückt man sich um eine wirkliche Auseinandersetzung.

 

Andere fanden eine ausführlichere Darstellung und Auseinandersetzung entbehrlich, weil sie meinten, es werde nur die übliche römische Amtstheologie wiederholt, im Übrigen sei die Enzyklika nicht auf der Höhe aktueller Theologie. Nun ist ein Weltrundschreiben zwar theologische begründet, aber es ist kein theologisches Dokument im engeren Sinne, das einen fachwissenschaftlichen Anspruch erheben würde. Dennoch ist dieses vorschnelle Urteil leichtfertig, denn der Text verrät an vielen Stellen durchaus die Kenntnis neuerer Forschungsergebnisse, z.B. aus der gegenwärtigen Theologie der Kirche und der Sakramente, aus dem Schatz der östlichen Kirchenväter und der Orthodoxie und auch aus dem Bereich der Liturgik. Ich bin fest überzeugt, dass die Enzyklika auch in dieser Perspektive ein gründliches Studium verdient.

 

Nicht wenige haben sich freilich die Sache noch einfacher gemacht und eine modische „Progressivität" zum Kriterium der Beurteilung gemacht. Weil die katholische Kirche nach ihrer Überzeugung beim jetzigen Stand der Ökumene keine Einladung zur Gastfreundschaft aussprechen kann und darum auch Katholiken von der Teilnahme am Herrenmahl der reformatorischen Kirchen abhalten will, war das Urteil für nicht wenige schon fertig: Kein Fortschritt! Nun, auch da müsste man den Text viel besser kennen (vgl. z.B. die Bedeutung der Ausführungen in Nr. 45), aber man will sich offenbar nicht die Mühe machen, die einzelnen Gründe für diese Haltung genauer kennen zu lernen und zu würdigen. Aber eine solche Haltung ist eben auch kein echter Fortschritt für die Ökumene, denn über kurz oder lang muss man sich den vernachlässigten oder gar verdrängten Argumenten doch – auf welche Weise immer – stellen. Die Enzyklika gibt sich viel Mühe, das Niveau der katholischen Eucharistiefrömmigkeit zu erneuern. In der Tat verlangt Gemeinsamkeit am Tisch des Herrn auch eine vertiefte Spiritualität im Umgang mit den eucharistischen Gaben, wie es ja der hl. Paulus selbst in der Forderung nach einer notwendigen Unterscheidung verlangt (vgl. 1 Kor 11,17-34).

 

Die Enzyklika ist nicht nur für unsere Tage geschrieben. Ein Weltrundschreiben wird in Rom auch nicht verfasst wegen eines großen lokalen Ereignisses, wie es zweifellos der Ökumenische Kirchentag Ende Mai in Berlin sein wird. Aber für die Katholiken gilt es freilich auch dafür. Es ist zu hoffen, dass es die Nachdenklichkeit über das, was wir ökumenisch jetzt schon gemeinsam tun können und was uns noch schmerzlich verwehrt ist, stärken wird. Aber auch danach behält der Text seinen Rang und verdient ein gründliches Studium.

 

(c) Bischof Karl Kardinal Lehmann

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz