Für Christen gehört Gottes- und Nächstenliebe untrennbar zusammen. Bei Jesu Handeln ging es immer um konkrete Menschen. In Gemeinschaft mit seinen Jüngern, Anhängern und Freunden war er unterwegs zu denen, die ihn brauchten, zu denen, die isoliert und von der Gesellschaft ausgegrenzt waren. Jesus heilte, stellte Menschen vom Rand in die Mitte und holte sie gegen alle Vorbehalte wieder in die Gemeinschaft hinein.
Dieser Geist Jesu inspiriert und befähigt uns auch heute, so wie er zu handeln. Die 72-Stunden-Aktion fordert Kinder und Jugendliche heraus, dem Beispiel Jesu zu folgen. Zusammen wird es gelingen, Projekte für Menschen am Rand der Gesellschaft zu verwirklichen. Dadurch wird unser Glaube konkret, denn „Was nützt es, wenn einer sagt, er habe den Glauben, aber es fehlen die Werke?" (Jak 2,14) Durch ihre Teilnahme an der Aktion geben Kinder und Jugendliche ein sichtbares Zeichen ihres Glaubens.
Die Verwirklichung eines Projektes bedeutet: sich voll und ganz einzubringen, an Grenzen zu gehen, sich selbst, seine Zeit, die eigene Energie in den Dienst für andere zu stellen. Kinder und Jugendliche übernehmen Verantwortung und zeigen, dass sie in der Gesellschaft handlungsfähig sind. Dafür sei allen Beteiligten ein herzliches Vergelt's Gott gesagt. Es ist nicht selbstverständlich, dass dieses Zeugnis der Solidarität und des Einsatzes für andere gegeben wird. Die erfreuliche Zahl der Anmeldungen zu dieser Aktion zeigt, dass die so genannte „Jugend von heute" an Werten wie Freundschaft, Solidarität, Verantwortung und Hilfsbereitschaft festhält - allen Unkenrufen zum Trotz.
Wenn von der „72-Stunden-Aktion" die Rede ist, dann lässt das den Theologen auch an die Zahlensymbolik denken. Im Buch Genesis werden im zehnten Kapitel nach der griechischen Übersetzung von 72 Stämmen als Urvölker der Erde gesprochen. Jesus sendet nach dem Bericht des Lukas-Evangeliums 72 Jünger aus, bis an die Enden der Erde. Die Zahl 72 steht für die umfassende Vollkommenheit, für Dauer und Kontinuität. Es mag vielleicht auch Zufall sein, dass für die Aktion des BDKJ ausgerechnet 72 Stunden gewählt wurden, weil das exakt drei Tagen und Nächten entspricht. Ich wünsche der Aktion aber im Sinn der Zahlensymbolik, dass hierdurch ein Zeichen über die Aktion hinaus gesetzt wird. Wenn Jugendliche 72 Stunden für andere im Einsatz sind, dann ist mit dem Ablauf dieser Zeit nicht alles vorbei. Das Ergebnis dauert an. Die Projekte, die unternommen werden, haben Bestand und erfreuen darüber hinaus. 72 Stunden im Einsatz zu sein, bedeutet nach biblischem Vorbild, immer hilfsbereit zu sein, wo Menschen Solidarität brauchen. Der Einsatz für den Nächsten kann nicht begrenzt und beschränkt bleiben. Wir bleiben als Christinnen und Christen in der Welt gefordert und gefragt. Es ist gut, dass es Menschen gibt, die das ganz anschaulich umsetzen.
So danke ich an erster Stelle den vielen Kindern und Jugendlichen, die sich bereit erklärt haben, an der Aktion mitzuwirken. Über die Zielsetzung haben wir eben bereits Informationen gehört. Der Dank gebührt auch den Verantwortlichen beim BDKJ, in den Jugendzentralen, Pfarreien und Jugendgruppen. Die 72-Stunden-Aktion findet zeitgleich in vielen Diözesen, vor allem auch in den Nachbarbistümern, statt. Für dieses Zusammenwirken sei herzlich gedankt. Die Aktion zeigt eindringlich, wie schlagkräftig katholische Jugendverbands- und -pastoralarbeit ist, wenn sie zusammen an einem Strang zieht. Aus christlicher Überzeugung und auf solider Basis bietet der BDKJ mit seinen Mitgliedsverbänden ein Zeugnis gelebten Christseins. Darauf können wir nicht verzichten.
Danken möchte ich aber auch den Medienpartnern, die die Aktion mit Berichten und Reportagen begleiten. Ebenso die Zeitungen und Zeitschriften, die Radiosender und Fernsehstationen; danken möchte ich allen hier Anwesenden, ganz besonders Frau Staatsministerin Irene Alt. Durch Ihre Berichterstattung, meine Damen und Herren von den Medien, bekommt die Aktion die öffentliche Aufmerksamkeit, die sie verdient. Die Kirche ist aus christlicher Überzeugung immer wieder karitativ tätig, oft im Verborgenen und geradezu selbstverständlich. Umso wichtiger ist es, wenn das stetige Engagement durch herausragende Aktionen wie diese begleitet und unterstrichen wird. Durch die Berichterstattung tragen Sie dazu bei. Dafür ein herzliches Vergelt's Gott! Der Aktion wünsche ich einen guten Verlauf, nicht zuletzt im Sinne der Menschen, zu deren Wohl sie veranstaltet wird.
(c) Karl Kardinal Lehmann, Bischof von Mainz
von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz
Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz