Tag der Pfarrgemeinderäte im Bistum Mainz in Ilbenstadt am 19. August 2000

- Zusammenfassung -

Datum:
Samstag, 19. August 2000

- Zusammenfassung -

Die Ansprache möchte folgende Punkte als Impulse für den Tag der Pfarrgemeinderäte behandeln, die hier in einer Zusammenfassung gegeben werden:

Die Pfarrgemeinde als "Aufgebot" Gottes: Im Neuen Testament versteht sich "Kirche", angereichert auch mit Elementen aus dem Alten Bund, als eine Gemeinschaft, die von Gott aus der Welt und der Zerstreuung" herausgerufen" und erwählt worden ist. Die menschlichen Unterschiede nach Sprachen, Rassen, Klassen und Kulturen dürfen nicht trennen, sondern sollen mit ihrem jeweiligen Reichtum in ein Ganzes eingebracht werden. Die Gemeinde lebt zuerst davon, dass sie dieses "Aufgebot" Gottes für die Welt ist. Alle Probleme von Strukturen und Institutionen dienen diesem Ziel und müssen darum flexibel darauf hingeordnet sein. Darum ist die religiös-spirituelle Orientierung für alle Gemeindeaktivitäten grundlegend.

 

Höchste Zeit, zuerst an Gott zu denken: Das Leben der Gemeinden ist gerade in unserer heutigen Gesellschaft vielgestaltig. Es gibt auch eine große innerkirchliche Pluralität. Viele Gemeinden haben darum mit Recht mannigfache Angebote. Man muss aber auch immer wieder selbstkritisch fragen, ob wir den heute notwendigen Prioritäten gerecht werden. Dazu gehören immer Glaubenszeugnis und Verkündigung, Gottesdienst und Gebet, Geschwisterlichkeit und Einsatz für die Armen. Zwischen diesen Zielsetzungen muss ein ausgeglichenes Verhältnis existieren. Heute ist es jedoch höchste Zeit, dass wir mehr an Gott denken und mehr von ihm reden bzw. Zeugnis ablegen. Er ist nämlich im öffentlichen Bewusstsein heute oft sehr verborgen. Ohne Zuwendung zu ihm bleibt manches Leerlauf. Dies ist auch der Grund, warum wir als Leitwort dieses Tages "Bei Dir ist die Quelle des Lebens" gewählt haben. Dies muss sich im Glaubensgespräch und in der Schriftlesung, im Gebet und im Gottesdienst, in der Erwachsenenbildung und im Religionsunterricht, in der Jugend- und Altenarbeit zeigen. Hier brauchen wir neue Zugänge und einen erneuten Anlauf.

 

Sammlung und Sendung als Grundbewegungen der Gemeinde: In den letzten Jahrzehnten hat sich in der Theologie der Gemeinde das doppelte Stichwort Sammlung und Sendung zur Beschreibung der Gemeindewirklichkeit durchgesetzt. Beide Bewegungen sind notwendig und brauchen einander. Sammlung bedeutet, dass wir im Sinne des "Aufgebotes" Gottes (vgl. oben Nr. l) immer wieder Gemeinde zusammenholen, die Menschen aus ihrer heute oft extremen Individualisierung zusammenrufen und so Gemeinde immer wieder neu Ereignis werden lassen. Dazu gehören gewiss auch Strukturen, aber sie müssen stets durch Sammlung lebendig werden. Während Sammlung nach innen stark macht und Gemeinsamkeit schafft, muss die Sendung diese Stärke nach außen wenden. Die Gemeinde darf sich nicht einfach zurückziehen. Sie muss sich den Gestaltungsfragen vor Ort (z.B. auch Schule, Kultur, Ökologie, Politik) zuwenden und darf vor allem nicht an den gesellschaftlichen Zerrissenheiten und sozialen Konflikten vorbeigehen, ohne dass sie parteilich im Sinne politischer Parteien werden darf. Hier hat auch der Umgang mit Fremden einen wichtigen Platz. Wir müssen immer wieder über den eigenen Tellerrand hinausschauen. Sendung und Sammlung gehören unabdingbar zusammen.

 

Die Öffnung der Gemeinde: Schon im Neuen Testament, bes. bei Paulus, hat Kirche einen dreifachen Sinn: Gemeindeversammlung (nicht zuletzt auch im Gottesdienst), die Realisierung von Kirche in der Gemeinde vor Ort, die Weltkirche. Alle drei Dimensionen gehören zusammen. Die Gemeinde muss sehen, dass gegen alle Tendenzen des Sichverschliessens die Türen offen bleiben z.B. auf das Umfeld, den Pfarrverband, die Stadt, die Diözese, die Weltkirche. Dies gilt auch für die Ökumene. In mancher Gemeinde gibt es Scheuklappen, und man sieht oft nur die eigene Wirklichkeit, die so auch nicht selten verengt gesehen wird. Weite befreit, aber sie darf auch nicht zur Flucht werden. In den nächsten Jahren muss dies ganz besonders im Verhältnis jeder Gemeinde zu den Nachbargemeinden eingeübt werden. Wir können die Probleme der heutigen Welt, die Erwartungen der Menschen und auch den Priestermangel nur durch eine größere Kommunikation und bessere Kooperation bewältigen, ohne in einen falschen Aktionismus zu verfallen, der viele überfordern würde. Hier liegt eine große pastorale Aufgabe, die in jedem Fall vordringlich ist (vgl. auch unsere Aktion " damit Gemeinde lebt" und den Personalplan bis zum Jahr 2010). Hier ist besonders auf die Pfarrverbände und ihre Neubildung zu achten.

 

Das Zusammenwirken aller Charismen, Dienste und Ämter: Alle Charismen, Dienste und Ämter sind nicht Selbstzweck. Sie dürfen sich darum auch nicht allein aufspreizen. Diese Struktur des gemeinsamen Zusammenwirkens, gerade auch in der Form eines "Rates", kommt im Pfarrgemeinderat und auf andere Weise im Verwaltungsrat besonders gut zur Darstellung. Jeder hat eine Gabe, die wir entdecken müssen. Aber jede einzelne Gabe ist auch begrenzt. Darum muss man andere Gaben, die hilfreich sind, gelten lassen, ohne dass nur eine wirre Vielfalt das Ergebnis sein dürfte. Jeder muss seine ureigenen Gaben und Fähigkeiten einbringen, aber darf sich nicht absolut setzen. In diesem Sinne ist alles "Dienst" und wird am "Nutzen" für die Gemeinde gemessen, ob es einen konstruktiven Beitrag zum Aufbau der Gemeinde leistet. Damit ist auch gegeben, dass die Gemeinde in diesen Diensten eine Struktur hat, eigene unersetzliche Verantwortlichkeiten hat, die beachtet werden müssen. Wie der Pfarrer die der Gemeinde geschenkten Charismen und Dienste achten muss, muss die Gemeinde mit ihren Räten auch die im geistlichen Amt des Pfarrers begründete Befugnis zur Leitung respektieren, in der er auch von den anderen Diensten amtlicher und ehrenamtlicher Art unterstützt wird. Das Ganze kann nur fruchtbar werden, wenn das Konzert aller gelingt. Wahrheit und Liebe sind symphonisch. Daran soll man uns erkennen.

 

 

 

Rede-Manuskript
Es gilt das gesprochene Wort!

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz