Zur Korrektur von Willkür in der Eucharistiefeier
Die Instruktion „Redemptionis Sacramentum – über einige Dinge bezüglich der heiligsten Eucharistie, die einzuhalten und zu vermeiden sind“ von diesem März wirbelt immer noch viel Staub auf. Viele einzelne Punkte müssen noch sorgfältig abgearbeitet und vermittelt werden. Dies ist noch nicht genügend geschehen.
Zu den Punkten, die mitten in der Auseinandersetzung stehen, gehört der Absatz im letzten Kapitel „Die Abhilfen“, in dem von der Möglichkeit von Beschwerden über Missbräuche gehandelt wird (vgl. Nr. 183/184). Diese Ausführungen wurden eigentlich selten genauer beachtet. Boulevardblätter verteufelten schon am Tag der Veröffentlichung der Instruktion diese Ausführungen als Aufforderung des Vatikans zur „Denunziation“. Die einen sahen darin einen Freibrief, um in der Tat echte oder angebliche Missbräuche anzuprangern, wobei es eine Tendenz gab, dies unmittelbar nach Rom zu melden. An einigen Orten außerhalb des Bistums Mainz sagten mir durchaus tüchtige und glaubwürdige Priester, sie fühlten sich in den Gottesdiensten ständig misstrauisch beobachtet durch einzelne Leute, die sogar die Instruktion mit in den Gottesdienst brächten. Dies wiederum hat viele erzürnt, die in den Bestimmungen nur eine Anstachelung und Ermutigung zur Denunziation sehen konnten.
Worum geht es nun wirklich? Es ist kein Zweifel, dass die Instruktion die Eucharistie „vor jeder Art von Ehrfurchtslosigkeit und Missachtung“ (Nr. 183) bewahren möchte. Dies ist eine positive Aufgabe für alle, die Missbräuche sind nur die negative Rückseite. Darum sind auch „alle ungeachtet der Person zur Verwirklichung dieser Aufgabe gehalten“ (Nr. 183). Damit ist natürlich zuerst in der Eucharistiefeier der feiernde Priester (aber auch auf eigene Weise Diakone und alle liturgischen Dienste) aufgefordert, Willkür zu vermeiden und Missbräuche zu korrigieren.
Natürlich muss erst sorgfältig gefragt werden, ob wirklich ein Missbrauch vorliegt. Die wahre liturgische Freiheit soll nicht beschnitten werden. Freilich ist sie immer auch gefährdet. Die Instruktion setzt voraus, dass hier durch den geistlichen Auftrag und die liturgische Bildung, nicht zuletzt aber auch durch die Mahnungen der Instruktion eine Selbstkorrektur der Verantwortlichen greift. Schließlich soll man sich auf Gemeindeebene darüber auseinander setzen, angefangen vom mutigen Einspruch Einzelner bis zur Diskussion im Pfarrgemeinderat und evtl. bei einer Gemeindeversammlung.
Erst wenn dies alles - vorausgesetzt, dass es wirklich Missbräuche sind – nichts nützt, hat nach dem kirchlichen Recht (vgl. can. 1417,1 CIC) schließlich jeder Katholik das Recht, beim Diözesanbischof oder auch beim Apostolischen Stuhl Einspruch zu erheben und Klage einzureichen. Kein Priester darf einfach willkürlich, d.h. unter Missachtung geltender Normen, über die Gestaltung der Eucharistie verfügen. Sie gehört der ganzen Kirche. Seit alters ist auch die Gemeinde, nicht der feiernde Priester für sich, der Träger der Eucharistiefeier. Darum muss es auch ein Recht aller geben, wenn alle anderen Abhilfeversuche erfolglos blieben, über die örtliche Ebene hinaus Protest einlegen zu können. Das Recht, dass die Eucharistie als großer Schatz einer weltumspannenden Kirche auch würdig und nach den gemeinsamen Weisungen gefeiert wird, muss schließlich einen Vorrang haben vor der Selbstgefälligkeit eines Einzelnen, auch und gerade dann, wenn dieser als Priester und Pfarrer für die ganze Gemeinde da ist. Offenbar müssen manche dies noch lernen.
Nun schließen die Bestimmungen der Instruktion bezüglich der Beschwerden aber mit zwei ganz zentralen Sätzen, die Beachtung verlangen. Es heißt: „Es ist aber angemessen, dass die Beschwerde oder Klage nach Möglichkeit zuerst dem Diözesanbischof vorgelegt wird.“ (Nr. 184) Die Korrektur verlangt wirklich, dass eine Reihenfolge des Vorgehens eingehalten wird. Es ist selbstverständlich, dass man – ob als Einzelner oder als Gruppe – zuerst den feiernden Priester selbst anspricht. Die Ebene der Pfarrei darf nicht einfach übersprungen werden. Wenn dies zu keinem Erfolg führt, ist nach der Verfassung der Kirche der Diözesanbischof bzw. Ordinarius als maßgebliche überörtliche Instanz zuständig. Es ist also auch nicht richtig, ihn einfach zu umgehen und sich sofort oder gleichzeitig nach Rom zu wenden. Wenn man diese Ordnung des Vorgehens und der Instanzen nicht wahrt und sofort nach Rom schreibt, muss zwangsläufig der Eindruck von Denunziation und Wichtigtuerei entstehen. Gewiss muss es die Möglichkeit geben, wenn bei wirklichen Missbräuchen auf der Ebene eines Bistums trotz erfolgter Einsprüche nichts geschieht, die nächst höhere Ebene anzurufen. Aber auch das Neue Testament sieht ja bei der Schlichtung von Konflikten ein solches gestuftes Vorgehen vor (vgl. Mt 18,15ff.). Schließlich ist darum eben auch der letzte Satz bei den „Abhilfen“ wichtig: „Dies soll immer im Geist der Wahrheit und der Liebe geschehen.“
Dem ist nichts hinzuzufügen. Die Instruktion ist besser als ihr Ruf. Es darf keinen Missbrauch des Missbrauchs geben. Er darf schon gar nicht begünstigt werden. Alle sind zur Korrektur aufgerufen.
© Karl Kardinal Lehmann
von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz
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