Gastkommentar für die Mainzer Kirchenzeitung "Glaube und Leben"
Bonifatius kennen die meisten. Aber nur wenige wissen etwas von Rabanus Maurus, der fünfte Nachfolger des hl. Bonifatius, Abt von Fulda und Erzbischof von Mainz. Er starb am 4. Februar 856, sodass wir in diesen Tagen 1150 Jahre seit seinem Tod begehen.
Er war ein Mainzer, hat in einmaliger Weise das berühmte Kloster Fulda ausgebaut und zur Blüte gebracht. Fulda war in dieser Zeit die Drehscheibe der Vermittlung der Kultur der Antike in die germanische Welt hinein. Fulda wurde in der Zeit Karls des Großen und danach ein geistiges und geistliches Zentrum für das Frankenreich, also weite Teile des heutigen Frankreich und Deutschland. Die großen Klöster, vor allem der Benediktiner, waren damals so etwas wie die Hohen Schulen und Universitäten heute für uns.
Der Abt Rabanus Maurus (822-842) organisierte die Abtei zu dieser Zielsetzung hin. Es waren hunderte Mönche. Rabanus Maurus hat viele Schriften aus der antiken Welt gerettet und bekannt gemacht. Bis in die Kunst des Schreibens hinein hat er das, was man heute auch als Kulturtechniken bezeichnet, gefördert.
Er selbst hat außerordentlich viele Schriften hinterlassen. So hat er fast die ganze Bibel kommentiert. Er hat zugleich das Wissen seiner Zeit in großen Übersichten verarbeitet. Dies gilt gerade auch für die Ausbildung der Geistlichen. In diesem Sinne ist er eine Brücke zwischen Antike und frühmittelalterlicher Welt. Zu seinen Fähigkeiten gehörte auch die Dichtkunst. Schon früh hat er das Gedicht „Lob des heiligen Kreuzes“ angefertigt, das mit den eindrucksvollen Bildern zu den prächtigsten Handschriften des Mittelalters zählt. Das wohl schönste Exemplar aus der Bibliothek des Vatikans kann man ab 4. Februar für einige Monate in unserem Mainzer Dommuseum betrachten, eine einmalige Chance.
In den letzten neun Jahren seines Lebens (780-856) – er starb mit 76 Jahren, für diese Zeit ein sehr hohes Alter – wurde er in seiner Heimatstadt Mainz Erzbischof, hielt drei bedeutende Synoden ab und war persönlich durch seine Gelehrsamkeit, aber auch durch seine Führungsfähigkeit ein hoch anerkannter Hirte. Manche Dinge, wie die Armenspeisung bei der Hungersnot in Winkel im Rheingau (850), sind auch bis heute im Gedächtnis des Volkes lebendig geblieben.
Noch vieles wäre zu sagen. Wir wollen jedoch diesen großen Mann des alten Erzbistums Mainz, auf dessen Schultern auch wir und manche andere Diözesen stehen, nicht einfach vergessen. Die Mainzer Historikerin Stephanie Haarländer hat ein schönes Lesebuch mit Einführung und Texten von Rabanus selbst geschaffen, das in diesen Tagen erscheinen wird. Die Ausstellung der Prunkhandschrift „Lob des heiligen Kreuzes“ wird mit dem dazugehörigen Ausstellungskatalog leicht die Kenntnis vertiefen. Ein wissenschaftliches Symposion im Erbacher Hof am 3./4. Februar wird gewiss noch manches Dunkel aufklären. Am Samstag (4. Februar) beschließen wir um 17 Uhr im Mainzer Dom das Gedenken. Aber dies alles ist eigentlich nur eine einzige Hinführung zu dem Mann, den wir dann durch die Ausstellung und auch durch das Lesebuch noch besser kennen lernen können. Ich lade Sie dazu ein und sage zugleich: Es lohnt sich!
© Karl Kardinal Lehmann
von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz
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