Was ist ein Bischof? Warum und wie gibt es ein solches Amt in der Kirche?

Predigt anlässlich der Weihe von Herrn Geistl. Rat Regens Dr. Udo M. Bentz zum Weihbischof am 20.09.2015 im Hohen Dom zu Mainz

Datum:
Sonntag, 20. September 2015

Predigt anlässlich der Weihe von Herrn Geistl. Rat Regens Dr. Udo M. Bentz zum Weihbischof am 20.09.2015 im Hohen Dom zu Mainz

Verehrte Schwestern und Brüder im Herrn!
Lieber Mitbruder Regens Dr. Udo M. Bentz, der Du zum Bischof geweiht wirst!
Liebe Mitkonsekratoren Karl-Josef Kardinal Rauber und Erzbischof Stephan Burger!
Liebe Mitbrüder im Diakonen-, Priester- und Bischofsamt!

Was ist ein Bischof? Warum und wie gibt es ein solches Amt in der Kirche? Man kann schon mit den Worten für diesen Dienst eine erste Antwort finden: „Episcopus", von dem auch das deutsche Wort Bischof abgeleitet ist, ist einer der „draufsieht", also ein „Wächter", ein „Aufseher". Von der Bibel her leitet sich auch das Wort vom „Hirten" ab. Im Übrigen ist die Weiheliturgie, die Weihehandlung, mit ihren uralten Zeichen und Gesten, Worten und Gesängen so vielsagend und bedeutungserfüllt, dass jede Predigt nur eine kleine Hinführung zu diesem Geschehen sein kann. Ich erwähne nur ein ungewöhnlich eindrucksvolles Bild: Während des ganzen Weihegebetes halten zwei Priester das Evangelienbuch über das Haupt des zu Weihenden. Der Bischof soll ganz und gar unter dem Evangelium stehen und ihm dienen.

Ich wähle heute einen anderen Weg und möchte ein Wort des Hl. Augustinus auslegen. Er hat bekanntlich als Bischof von Hippo in Nordafrika an seinem Weihetag immer wieder über das Amt des Bischofs gepredigt. Gewiss hat er dies auch bei Bischofsweihen in der afrikanischen Kirchenprovinz getan. Sita, das Titularbistum von Udo Bentz, gehörte ja in Nordafrika dazu. Man kann gerade von diesen Predigten bis heute viel lernen. Dies möchte ich mit Ihnen versuchen.

Dafür wähle ich aus den Predigten einen Text aus, der im Übrigen auch in dem großen Text über die Kirche in Zweiten Vatikanischen Konzil zitiert wird (LG 32): „Wo mich erschreckt, was ich für euch bin, dort tröstet mich, was ich mit euch bin. Für euch bin ich nämlich Bischof, mit euch bin ich Christ. Jenes ist der Name der übernommenen Pflicht, dieses der Gnade; jenes ist Gefahr, dieses Heil". (Sermo 340,1: PL 38, 1483, CL 104, 919)

Beim Zweiten Vatikanischen Konzil ist dieser Text an einer wichtigen Stelle im Zusammenhang der Aussagen über die Laien angeführt worden. Dies mag erstaunen, da es ja ein eigenes Bischofskapitel gibt. Hier im Zusammenhang der Laien werden Laien und Amtsträger in einem ganz fundamentalen Sinn zu Brüdern, ja zu einer Familie Gottes, wodurch das neue Gebot der Liebe erfüllt wird. Das Zweite Vatikanische Konzil hat an vielen Stellen, besonders aber im zweiten Kapitel der Kirchenkonstitution, diese fundamentale Gemeinsamkeit sehr eindrucksvoll hervorgehoben. Darum ist es eine ganz grundlegende Entscheidung des Konzils, den Begriff des Volkes Gottes im Voraus zu jeder Unterscheidung der verschiedenen Charismen, Dienste und Ämter auf die allen Glaubende eigene Gemeinsamkeit zu konzentrieren. Es kann dann eine „wahre Gleichheit" beim Aufbau des Leibes Christi und bei der Berufung zur Heiligkeit festgestellt werden. So heißt es in LG 32: „Wenn auch einige nach Gottes Willen als Lehrer, Ausspender der Geheimnisse und Hirten für die anderen bestellt sind, so waltet doch unter allen eine wahre Gleichheit in der allen Gläubigen gemeinsamen Würde und Tätigkeit zum Aufbau des Leibes Christi. Der Unterschied, den der Herr zwischen den geweihten Amtsträgern und dem übrigen Gottesvolk gesetzt hat, schließt eine Verbundenheit ein, da ja die Hirten und die anderen Gläubigen in enger Beziehung miteinander verbunden sind. Die Hirten der Kirche sollen nach dem Beispiel des Herrn einander und den übrigen Gläubigen dienen, diese aber sollen voll Eifer mit den Hirten und Lehrern eng zusammenarbeiten." (Kirchenkonstitution „Lumen gentium", Kapitel IV, Art. 32). So ist es verständlich, dass dieses Wort des hl. Augustinus gemeinsam mit den Ausführungen der Kirchenkonstitution über die Laien in den letzten Jahren und Jahrzehnten sehr oft wiederholt wurde.

Gewiss darf man diesen Text nicht als unverbindlichen Ausdruck einer bloß persönlichen Bescheidenheit verstehen. Hier geht es nämlich auch um eine wirkliche Theologie des Amtes und zugleich um die Einheit des Christseins in der Verschiedenheit der Aufträge.

„Für euch bin ich Bischof ...": Augustinus betrachtet das Amt nicht in sich, in seiner Würde und Machtfülle. Er versteht das Amt ganz in Bezug auf die anvertraute Aufgabe. Das Bischofsamt ist ganz und gar Dienst als Einsatz für die Schwestern und Brüder im Glauben. Augustinus sagt das auch noch in einer ganz anderen Sprache, wenn er aufzeigt, dass sich für ihn Leitung und Führung nur im Fruchtbarwerden und in der „Nützlichkeit" seines Dienstes für die Menschen erfüllt.

Es ist bekannt, dass Augustinus die Aufgabe des Bischofsamtes als eine Last empfunden hat, die auf ihm liegt und ihn manchmal auch bedrückt. Dabei entstammt diese Erfahrung der Sorge und dem Zweifel, ob er denn wirklich gerade im Blick auf die Anderen seiner Aufgabe gerecht werde und sie vor Gott angemessen erfülle. Dies klingt ganz anders als in manchen Predigten zur Primiz oder zu einem Bischofsjubiläum, auch noch in unseren Tagen. Augustinus fragt sich nämlich, ob dieses hohe Amt, das ihm gewiss viel zumutet, für ihn selbst nicht eine große Gefahr ist. Wir denken oft anders und glauben manchmal, ein hoher Amtsträger sei schon durch seine Stellung Gott näher und habe so viele Verdienste, dass ihm Gott gleichsam von selbst Rettung und ewiges Leben schenke. Augustinus sieht im Amt nicht eine Erleichterung, sondern eine Gefährdung des Heils, wie es in seiner anfangs angeführten Predigt sehr deutlich wird. Das Mittelalter dachte ähnlich. Man denke nur an Dante.

Was den Bischof von Hippo gegenüber dieser Gefährdung tröstet, ist das gemeinsame Christsein mit allen Schwestern und Brüdern. Hier kann der Bischof sich in das „normale" christliche Leben einfügen. Da ist zunächst jeder für sich selbst verantwortlich, wenn sich dies freilich auch auf andere ausdehnen kann. So kann Augustinus verkürzt sagen: „Lehren ist gefährlich, Schüler sein sicher." Wer weiter „oben" steht, muss auch nach dem Maß seiner Aufgabe beurteilt und gerichtet werden. Der Schrecken darüber lässt nach, wenn man sich ganz in die Schar der Glaubenden hineinbegibt. Diese Gemeinsamkeit ist eben noch wichtiger als das Amt für sich allein.

Manche Bürde des Amtes ist leichter zu tragen, wenn man sich ganz demütig zum normalen und einfachen Volk Gottes stellt. Manchmal spreche ich selbst deswegen gerne von der Zugehörigkeit zum „Fußvolk" Gottes. Man sieht dann auch, was anderen gegeben und aufgetragen ist und überschätzt sich nicht. Diese Einheit im Christsein mit vielen anderen kann bescheidener und demütiger machen. Es steht jedenfalls aller Selbstüberschätzung des Amtes entgegen.

Augustinus weiß dennoch sehr deutlich um die eigene Verantwortung des Amtes, die er nicht verkleinert. Er leugnet sie auch nicht. Er redet von dem Amt als Pflicht (officium). Für ihn ist mit Papst Gregor dem Großen der Bischof der „Schauende", der vorausschauen und deswegen auch Wege weisen muss. Er muss konfliktbereit sein, wenn das Evangelium es verlangt. Er muss wie Jesus auch bereit sein zur Hingabe seines Lebens. Dies alles kann eine tiefe Einsamkeit bewirken. Gerade darum ist die Einheit mit allen Glaubenden wiederum so wichtig.

Die eine Aussage des hl. Augustinus „Was ich für euch bin ...", die auch durch viele ähnliche Einsichten in seinem Werk bis hin zur tiefen Begründung im Dreifaltigen Gott reflektiert wird, sagt über das Bischofsamt und seine gelebte Ausführung mehr als viele große Abhandlungen über die Theologie des Amtes. Ich danke jedenfalls für dieses tiefe Wort des hl. Augustinus. Es war mir selbst immer kostbar und hilfreich.

Ich habe als Bischof dieses gegenseitige Tragen, dieses gemeinsame Christsein und Leben in verschiedenen Aufgaben hier in Mainz lange und reich erfahren dürfen. Ich danke vielen Frauen und Männern, Jungen und Alten für die solidarische Weise, mit der sie unseren Dienst mitgetragen haben. Ich durfte dieses Fundament zusammen mit den Vorgängern Bischof Stohr, Kardinal Volk und den Weihbischöfen Joseph Maria Reuss, Wolfgang Rolly, Franziskus Eisenbach, Werner Guballa und Ulrich Neymeyr immer wieder dankbar spüren. Dies gilt für Ehrenamtliche und Hauptamtliche. Dadurch konnte ich meinen Dienst fast immer mit Freude und Dankbarkeit tun. Voraussetzung dafür ist gewiss, dass man auf andere hört und mit ihnen im Dialog bleibt und dass man sich auch vom Jüngsten etwas sagen lässt, wie uns der hl. Benedikt in seiner Regel lehrt, und dass man auch selbst ernsthaft zu Korrekturen bereit ist. Nur so kann es den Einklang geben, ohne dass man die verschiedenen Aufgaben verwischt.

Mit diesem Dank verbinde ich die Bitte, dass wir dieses kostbare Erbe einer guten Tradition in der Kirche, für die der hl. Augustinus steht und die wiederum im Zweiten Vatikanischen Konzil lebendig wird, durch unsere Mitarbeit bewahren, nicht nur heute, sondern auch morgen als ein unverzichtbares Element im Bau der Kirche von Mainz. Dieses spirituelle und pastorale Erbe wünsche ich auch Dir, lieber Udo M. Bentz, im Namen aller zu Deinem Weihetag und zu Deinem Dienst. Trage die Fackel des Glaubens weiter. Das Feuer glimmt immer noch unter der Asche. Amen.

(c) Karl Kardinal Lehmann, Bischof von Mainz

Es gilt das gesprochene Wort.

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz