Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg

Zur Finanzierung der Kinderkrippenplätze

Datum:
Freitag, 11. Mai 2007

Zur Finanzierung der Kinderkrippenplätze

Gastkommentar für die Mainzer Kirchenzeitung "Glaube und Leben" im Mai 2007

Der wochenlange Streit um die Krippenplätze für die Kinder unter drei Jahren ist gewiss nicht einfach beendet, aber es gab doch im Zentrum der Diskussion einige gemeinsame Perspektiven, auf die man sich mindestens faktisch geeinigt hat: Es ist unbestritten, dass man einer nicht kleinen Anzahl von jungen Ehepaaren die reale Möglichkeit anbieten sollte, ihre Kinder für eine gewisse Zeit der Betreuung in solchen Einrichtungen übergeben zu können. Dies sollte aber von Anfang an nicht das einzige Modell sein, das jungen Eltern empfohlen und vom Staat finanziell vorzugsweise gefördert wird. Gewiss muss für junge Eltern erst eine reale Wahlfreiheit geschaffen werden, indem es auch wirklich mehr als bisher Krippenplätze gibt, aber andere Modelle, wie z.B. die Erfüllung der Erziehungsleistungen in der Familie, dürfen nicht benachteiligt werden. Dies gilt nicht nur finanziell, sondern auch im Blick auf die allgemeine gesellschaftliche Einschätzung. Schon gar nicht darf der Staat finanzielle Unterstützungen der Familie reduzieren, um damit den Ausbau der Krippenplätze zu finanzieren. Im Übrigen sollten auch die Erziehungsleistungen der Eltern, die zu Hause bleiben, anerkannt werden, z.B. durch finanzielle Hilfen, auch im Zusammenhang mit der Rentenreform.

Konnte man daran denken, mit einem Einvernehmen in diesen Grundlinien könne man an die Frage der näheren Planung und schließlich auch Realisierung dieser Kinderplätze gehen, so gibt es nun bei der Frage der Finanzierung herbe Enttäuschungen. Dabei ist es selbstverständlich, dass man über die besten Wege dazu mühsam eine Einigung suchen muss. Dies wird vermutlich nicht ohne Streit abgehen, denn dabei entscheidet man über wichtige Prioritäten. Auch kann man den Finanzminister wohl verstehen, dass er bei größeren Steuereinnahmen nicht sofort wieder alles in verschiedene Richtungen verplant und verteilt, sondern dass er zuerst und mit aller Energie die immensen Staatsschulden zurückführt.

Aber insgesamt ist es eigentlich ein Skandal, wie zur Zeit über die Finanzierung der Krippenplätze geredet wird. Leute, die schnell und vollmundig sich für zusätzliche Krippenplätze öffentlich einsetzten, wollen aber – wie sich jetzt herausstellt – keine neuen Mittel dafür bereitstellen. Dabei war doch von Anfang an vorausgesetzt, dass man wirklich eine eigene, neue Anstrengung auch in finanzieller Hinsicht machen muss. Ärgerlich ist auch, dass der Staat viele Milliarden unerwartete Steuermehreinnahmen hat – dem Vernehmen nach werden es bald noch mehr sein –, aber jetzt ist kaum davon die Rede, dass damit auch die neuen Ausgaben für die Krippenplätze bestritten werden können und müssen. Wenig förderlich ist auch die Haltung derer, die zwar andere Ebenen und Träger, wie z.B. die Kommunen, belasten wollen, aber sich selbst dabei wenig engagieren wollen (z.B. die Bundesebene).

Solche Haltungen sind wie Mogelpackungen. Etikettenschwindel nennt man dies anderswo. Dabei ist klar, dass die Finanzierung nicht einfach ist. Aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Im Übrigen muss man ja nicht sofort ein ganzes System neu aufbauen. Der Ausbau von Krippenplätzen kann nur Schritt für Schritt geschehen. Die nötigen Erzieherinnen müssen eigens ausgebildet bzw. fortgebildet werden. Dies alles geht nicht von heute auf morgen. Aber gerade darum kann man mehr Ernsthaftigkeit im Umgang mit der Sache verlangen. Kinder und ihre Zukunft sind eine zu kostbare Gabe, als dass sie Spielmaterial für politische Propaganda und hohle Versprechungen werden dürften.

(c) Karl Kardinal Lehmann

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz