Meinem verehrten Bruder Karl Kardinal Lehmann Bischof von Mainz
Mit Freude habe ich davon Kenntnis erhalten, dass das Bistum Mainz seit Anfang des Jahres das Jubiläum „1000 Jahre Mainzer Willigis-Dom" mit vielen Gottesdiensten, zahlreichen kulturellen Veranstaltungen und einem beträchtlichen Echo in der Öffentlichkeit gefeiert hat. Eine festliche Eucharistiefeier im altehrwürdigen Dom verleiht diesem Jubiläumsjahr nun seinen gebührenden Abschluss. Zu diesem Anlass übersende ich Ihnen, Eminenz, den hochwürdigsten Herren Weihbischöfen, den Priestern, Diakonen und Ordensleuten, den Mitarbeitern und vielen Ehrenamtlichen sowie allen Diözesanen herzliche Segensgrüße.
Ihr seid zu Recht dankbar, dass der dem heiligen Martin geweihte Dom - als erste der repräsentativen romanischen Kathedralbauten am Rhein und in wichtigen Teilen dem alten Petersdom in Rom nachempfunden - seit einem Jahrtausend trotz so vieler Zerstörungen erhalten geblieben ist. Der Dom mit seinen Vorgängerkirchen steht auch für die große Geschichte des alten Erzbistums Mainz mit ihren bedeutenden Gestalten wie dem heiligen Bonifatius und verbindet Euch sozusagen mit den Anfängen des Christentums in Deutschland, die schon bei Irenäus von Lyon im zweiten Jahrhundert Erwähnung finden (vgl. Adversus haereses, 1,10,2). Es ist nicht gleichgültig, dass wir in denselben Kirchen beten, in denen unsere Vorfahren im Laufe der Jahrhunderte ihre Bitten und ihre Hoffnungen vor Gott hingetragen haben.
Doch wissen wir schon aus der Heiligen Schrift, dass bei aller menschlichen Kunst und Schaffenskraft es zum Bau eines Gotteshauses vor allem des Geistes, des Heiligen Geistes bedarf. In der Tat baut Gott sein Haus zuerst selber. Schon der Tempel ist ein Zeichen dieser wirkmächtigen Präsenz Gottes, welche der Sehnsucht des Menschen entgegenkommt, Gott als Mitwohner zu haben, bei Gott wohnen zu können und von ihm zu einer Gemeinschaft aufgebaut zu werden. „Ihr seid Gottes Ackerfeld, Gottes Bau." (1 Kor 3,9b). Wo Menschen sich durch den Herrn versammeln lassen, wo er ihnen in Wort und Sakrament seine Gegenwart gewährt, da ist Gott so nahe bei uns wie nie.
Es ist ein Beleg für das von Jesus Christus her im Neuen Bund entstandene Verständnis von Kirche, wenn immer mehr auch auf unseren Beitrag zu diesem Bau aufmerksam gemacht wird. Wir sind selbst die Steine, denn es sind lebendige Steine. „Lasst euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen", sagt der Erste Petrusbrief (2,5). Dies geschieht nicht von selbst. Wir werden nur zusammengehalten durch den Schluß- und Eckstein Jesus Christus, der freilich von den Menschen verworfen wird (vgl. Apg 4,11; Eph 2,20; 1 Petr 2,7).
Die Kirchenväter kannten das schöne Bild, die Steine müssen, um Bau zu werden, aufeinander hin behauen werden und dies bleibt auch den Menschen nicht erspart, die heute ein Haus werden wollen. Wenn Ihr im Glauben einem solchen gut gefügten Bau ähnlich werdet, könnt Ihr reiche Frucht bringen, Zeugnis des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe in Kirche und Gesellschaft, in Ehe und Familie und in allen Euren Gemeinschaften.
In Eurem tausendjährigen Dom hat sich eine große Geschichte des Glaubens und des Betens niedergeschlagen und erhalten. Entsprecht diesem Bau in seiner reichen Bedeutung für Kirche und Welt durch die Suche nach Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden in unserer Zeit. Ihr habt selbst schon ein solches Maß für das Jubiläum aufgestellt durch das Leitwort dieses Festjahres, das Ihr dem Apostel Paulus entnommen habt: „Der Tempel Gottes ist heilig - und das seid ihr!" (vgl. 1 Kor 3,17).
Für den Abschluss Eures Jubiläumsjahres und die Zeit danach, die dadurch gewiss inspiriert wird, erbitte ich Euch allen die Ermutigung im Glauben, damit dieser fruchtbar werde für das Leben der Welt. Dazu erteile ich Euch auf die Fürbitte des heiligen Petrus und des heiligen Martinus, des Patrons des Domes und des Bistums Mainz, von Herzen den Apostolischen Segen.
Aus dem Vatikan, am Hochfest Allerheiligen 2009
Benedikt XVI.
von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz
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