Würdigung zum Abschied des Apostolischen Nuntius, Erzbischof Dr. Erwin Josef Ender

am 2. Oktober 2007 in Berlin

Datum:
Dienstag, 2. Oktober 2007

am 2. Oktober 2007 in Berlin

Es ist mir eine besondere Freude, Sie, verehrter Herr Apostolischer Nuntius, Erzbischof Dr. Erwin Josef Ender, zu diesem festlichen Abendessen als dem letzten Teil unserer Abschiedsfeier herzlich begrüßen zu dürfen. Ich heiße auch Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Apostolischen Nuntiatur willkommen, die mit Ihnen in den letzten vier Jahren den Weg in Berlin und in unserem Land gegangen sind. Ich freue mich, dass dabei Mitbrüder aus allen Diözesen – mit Ausnahme des Bistums Passau – nach Berlin gekommen sind. Ich darf auch herzlich willkommen heißen den Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Herrn Staatsminister a.D. Prof. Dr. Hans-Joachim Meyer, und Herrn Generalsekretär Dr. Stefan Vesper, zugleich auch Herrn Generalvikar Prälat Walter Wakenhut vom Katholischen Militärbischofsamt. Nicht minder auch die leitenden Mitarbeiter des Sekretariates der Deutschen Bischofskonferenz bzw. des Verbandes der Diözesen Deutschlands und des Katholischen Büros Berlin.

Als Priester und Bischöfe haben wir in einer Weltkirche außerordentlich viele Aufgaben, die doch demselben Ziel dienen, nämlich das Evangelium Jesu Christi mit Rat und Tat überall unter die Leute zu bringen. Mit aller Deutlichkeit ist es schon im ersten Brief an Timotheus zum Ausdruck gebracht: Gott „will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“ (1 Tim 2,3 f.) Dies tun wir bis in die kleinsten Gemeinschaften hier bei uns und anderswo, wenn es um die Sorge um Ehe und Familie, Waisen und Witwen geht, aber auch wenn Schwestern und Brüder in der weltweiten Mission tätig sind und Menschen, die in Not und Ungerechtigkeit leben, zur Seite stehen.

Unter diesen Boten gibt es auch seit alter Zeit die Gesandten der Päpste, die schon vor dem zwischenstaatlichen Gesandtschaftswesen in aller Welt waren. Vor allem waren es zwischen dem 5. und 7. Jahrhundert in Konstantinopel am kaiserlichen Hof die so genannten „apocrisiarii“ bzw. „responsores“, die eine Antwort überbrachten. Seit dem 4. Jahrhundert vertraten schon Gesandte mit zeitlich begrenztem Auftrag den Papst auf teilkirchlichen Synoden und Konzilien. Es gibt viele Namen für die unterschiedlichen Funktionen solcher Gesandter, z.B. ein Apostolischer Vikar, ein Missionslegat (wie es z.B. Bonifatius war) oder auch der „geborene Gesandte“ (legatus natus). Heute noch geltende innerkirchliche Aufgaben der Nuntien wurden in Trient festgelegt. Im Rangreglement des Wiener Kongresses (1815) wurden die Legaten und Nuntien den Botschaftern weltlicher Mächte gleichgestellt. Ferner hat dieses Reglement das Amt eines Doyen der Nuntien in den katholischen Ländern anerkannt.

Manche Nuntien haben in unserem Land im vergangenen Jahrhundert eine besonders große Rolle gespielt. Wir denken mit großer Dankbarkeit an den Apostolischen Nuntius Eugenio Pacelli, später Pius XII., in München und in Berlin. In der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland dürfen wir gerade auch am heutigen Tag dankbar die sieben Nuntien seit 1951 nennen: Aloysius Muench (1951-1959), Corrado Kardinal Bafile (1960-1975), Guido Kardinal Del Mestri (1975-1984), Josip Kardinal Uhac (1984-1991), Lajos Kada (1991-1995), Giovanni Lajolo (1995-2003) und nun Erwin Josef Ender (von 25.11.2003 bis zum 30.09.2007).

Verehrter Herr Apostolischer Nuntius, die Beendigung Ihrer Amtszeit am vergangenen Sonntag, 30. September, ist zugleich auch der Abschluss Ihrer Tätigkeit im diplomatischen Dienst des Heiligen Stuhls. Dies bedeutet insgesamt einen über 37 Jahre währenden Einsatz für die universale Kirche. Deshalb sei es mir gestattet, etwas auszuholen.

Herr Nuntius Erwin Josef Ender ist in Steingrund/Grafschaft Glatz am 7. September 1937 geboren. Jahrhundertelang wurde die Grafschaft Glatz durch den „Großdechanten“ verwaltet, der im Auftrag des Erzbischofs von Prag dieses Gebiet leitete. Nach dem Untergang des deutschen Schlesien wurde das Gebiet 1972 dem polnischen Erzbistum Breslau eingegliedert. Ab 1959 studierte Erwin Ender Philosophie und Theologie in Münster und an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom als Alumne des Pontificium Collegium Germanicum et Hungaricum (dort waren wir von 1959 bis 1964 zusammen). Am 10. Oktober 1965 wurde Erwin J. Ender in Rom für das Bistum Münster zum Priester geweiht, wo er sich nach der Vertreibung mit seiner Familie zu Hause fühlte. Von 1966 bis 1970 bereitete er in Rom seine theologische Doktorarbeit vor mit dem Thema „Heilsökonomie und Rechtfertigung: eine Untersuchung über die Heilsfrage bei John Henry Newman“ an der Päpstlichen Universität Gregoriana (im Jahr 1972 im Ludgerus-Verlag in Essen veröffentlicht). Im Jahr 1970 (10. August) trat Erwin J. Ender in den administrativen und ab 1974 in den diplomatischen Dienst des Heiligen Stuhls ein und war für viele Jahre Ansprechpartner für den deutschen Sprachraum, ja lange Zeit Leiter der deutschsprachigen Abteilung des Staatssekretariates. Er war in der Zeit von Papst Johannes Paul II. auch in der so genannten „anticamera“, also im Vorzimmer bei Besuchen des Heiligen Vaters und hat im Übrigen auch Johannes Paul II. nicht nur bei General- und Privataudienzen zur Seite gestanden, sondern auch auf verschiedenen Auslandsreisen begleitet, besonders bei den Deutschlandbesuchen 1980 und 1987. In dieser Zeit hat Erzbischof Ender – es sind ja volle 20 Jahre – viele kleine und große Dienste für unser Land und unsere Kirche erfüllt.

Ab 1990 kommt für Erwin Ender die Zeit von selbstständigen Aufgaben im Gesandtschaftswesen des Heiligen Stuhls. Er wird zum Titular-Erzbischof von Germania in Numidia ernannt und am 5. April 1990 durch Papst Johannes Paul II. zum Bischof geweiht. Zugleich vertritt er als Apostolischer Pro-Nuntius den Heiligen Stuhl im Sudan und als Delegat für den Bereich des Roten Meeres. Ab 1993 ist er zusätzlich Apostolischer Delegat in Somalia. Von 1997 bis 2001 ist Erzbischof Ender Apostolischer Nuntius in den Baltischen Staaten Litauen, Estland und Lettland. Von 2001 bis 2003 hat er dieselbe Aufgabe in der Tschechischen Republik und seit dem 25. November 2003 bekleidet er das Amt eines Apostolischen Nuntius in der Bundesrepublik Deutschland.

Es waren keine einfachen Aufgaben. Der Sudan war auch damals schon ein großes Spannungsfeld und brachte auch für einen Apostolischen Nuntius viele ernsthafte Gefahren. In dem weitgehend islamischen Somalia tobte lange Zeit ein schwerer Bürgerkrieg. Im Baltikum blieb es auch nach 1997 die wichtigste Aufgabe eines Nuntius, in Litauen, Estland und Lettland die kirchlichen Verhältnisse wieder neu zu ordnen und nicht zuletzt auch die Bischöfe und Priester nach der langen Besatzungszeit zu ermutigen, wobei der Nuntius zugleich auch Bischof in Gestalt eines Apostolischen Administrators in Estland ist (etwa 6000 Katholiken). Dieselbe Aufgabe hatte Erwin Ender auch in der Tschechischen Republik, wo die katholische Kirche nach der Trennung der Slowakei von Tschechien sehr schrumpfte. Hier hat Nuntius Ender auch den Staatsvertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und der Tschechischen Republik ausgehandelt.

So war Erzbischof Ender bestens gerüstet, um die Aufgabe als Apostolischer Nuntius in Deutschland zu übernehmen. Wir kennen alle die vielen Aktivitäten und Reisen, Besuche und Konferenzen, bei denen Sie gegenwärtig waren. In Ihrer vierjährigen Amtszeit sind sechs neue Diözesanbischöfe und neun Weihbischöfe ernannt worden. Wenn in nächster Zeit drei weitere Diözesanbischöfe ernannt werden, dürfen wir Ihnen danken, dass Sie die Vorbereitung dafür noch durchführen und abschließen konnten. Ihre Zeit bei uns, so knapp auch vier Jahre sind, ist mit dem Abschluss wichtiger Verträge identisch. Sie haben die Verträge in Brandenburg und mit der Hansestadt Bremen, die schon Ihr Vorgänger unterzeichnet hatte, in Kraft treten lassen. Hinzu kamen der Staatskirchenvertrag des Heiligen Stuhls mit der Freien und Hansestadt Hamburg und das Zusatzprotokoll zum Bayerischen Konkordat. Inzwischen sind auch Verhandlungen über einen solchen Staatskirchenvertrag mit dem Land Schleswig-Holstein begonnen worden. Die beiden einzigen Länder, die bisher noch keinen solchen Vertrag haben, sind nun Berlin und Hessen. Ich denke auch an die vielen Besuche, die Sie in vielen Diözesen über mehrere Tage gemacht haben.

Wenn wir nun Ihre 17-jährige Tätigkeit als Päpstlicher Nuntius insgesamt betrachten, so haben Sie acht Staatskirchenverträge abgeschlossen und sind bei 27 Bischofsernennungen tätig geworden, von denen allein 18 bei uns im Land sind.

Verehrter, lieber Herr Apostolischer Nuntius, wir beide, Sie und unser Land mit unserer Kirche, hatten einen großen Vorteil: wir kannten uns bereits. Sie waren darum rasch mit der Geschichte, der Gegenwart und den Gepflogenheiten bei uns vertraut. Wir haben dies mit vielen Vertretern auf der Ebene der Bundesregierung und der Länderregierungen bemerkt. Dies wurde überall hoch anerkannt. Es kam auch dadurch zum Ausdruck, dass Herr Bundespräsident Prof. Dr. Horst Köhler und auch der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Frank-Walter Steinmeier, in den letzten Wochen jeweils ein Abschiedsessen für Sie gaben. Wir haben dabei die hohe Anerkennung spüren dürfen, die Ihnen überall zuteil geworden ist.

Sie haben selbst ein schönes Wort bei Ihrer Ansprache an die Deutsche Bischofskonferenz am 24. September 2007 in Fulda geprägt, das ich an dieser Stelle gerne wiederholen möchte: „In allen Ländern, wo ich der Kirche für einige Jahre an verantwortlicher Stelle dienen durfte, habe ich einen Teil meines Herzens zurückgelassen. Ich werde diese darum auch bald wieder einmal besuchen. In meiner deutschen Heimat lasse ich hingegen gleich mein ganzes Herz zurück. Ich werde der Kirche in unserem Land zutiefst verbunden bleiben. Ich bin Ihnen und allen, denen ich in diesen Jahren begegnen durfte, von Herzen dankbar für die herzliche und brüderliche Aufnahme in Ihrer Mitte, für die vertrauensvolle Zusammenarbeit, für alle erfahrenen Hilfen.“ Dies haben wir mit großer Dankbarkeit gespürt. Dies hat uns immer wieder ermutigt. Was könnte man mehr von einem Gesandten des Heiligen Vaters sagen, als dass er auf seine Weise mitgeholfen hat, das Herrenwort zu Petrus zu erfüllen: „Stärke deine Brüder“ (Lk 22,32 b)

Lassen Sie mich noch ein Wort etwas persönlicher formulieren. Früher war es ganz selbstverständlich, dass ein Mitglied des diplomatischen Dienstes des Heiligen Stuhls nicht in seiner Heimat eingesetzt wird. Polen war und ist seit Jahrzehnten eine Ausnahme, ebenso auf seine Weise auch Italien. Es war für uns eine große Überraschung, dass wir – wie man gerne sagt – einen „deutschen“ Nuntius bekamen. Dies war wohl eine große Anerkennung für den Apostolischen Nuntius Erwin Ender, aber zweifellos auch ein Erweis von Freundlichkeit und Gunst vonseiten Johannes Paul II. Gewiss haben dabei auch der damalige Kardinalstaatssekretär Sodano und Ihr Vorgänger im Amt, Herr Erzbischof Giovanni Lajolo, mitgewirkt.

Ihnen allen dürfen wir am heutigen Tag für diese gute Regelung danken. Ich will aber etwas nicht verschweigen: Mir war auch ein wenig bange, wenn nun ein Apostolischer Nuntius kommt, der nicht nur aus unserem Lande stammt, sondern den viele von uns aus der Studienzeit oder von verschiedenen Begegnungen kennen. Wird man uns nicht bald Kumpanei und Vetternwirtschaft in die Schuhe schieben? Manche waren ja mit diesem Vorwurf schnell bei der Hand. Ich habe mich deswegen von Anfang an um größtmöglichen Respekt vor Ihrem Amt und um eine hohe Objektivität Ihnen gegenüber bemüht. Ich habe Sie nie nach etwas gefragt, wo ich um Ihre Pflicht zur Diskretion wusste. Dies gilt umgekehrt nicht weniger für Sie. Ich musste ja auch damit rechnen, dass Sie uns eines Tages weniger angenehme Nachrichten und Forderungen überbringen könnten. Heute darf ich dankbar sagen und bekennen, dass wir in einer für mich überraschenden Weise diese Gratwanderung bestanden haben. Wir waren und blieben freundschaftlich verbunden, haben dabei jedoch immer Respekt vor der je eigenen Verantwortung und der Würde des Amtes, das Sie inne hatten, gehabt. Dies haben auch alle gespürt. Dass dieses Experiment so gut gelang, dass uns am Ende doch niemand ein klüngelhaftes Verhältnis vorwarf, erfüllt mich mit besonderer Freude und Dank.

Verehrter, lieber Herr Nuntius, im Namen der Deutschen Bischofskonferenz und der deutschen katholischen Mitchristen, nicht zuletzt auch des Zentralkomitees der deutschen Katholiken und aller Verbände, darf ich Ihnen ein herzliches Vergelt´s Gott sagen. Wir wünschen Ihnen vor allem Gottes Segen für Leib und Seele. Wir freuen uns auf jede Begegnung, wenn Sie nun wieder in Rom sind.

Als Zeichen unseres Dankes möchte ich Ihnen einen farbenprächtigen Kodex überreichen, das „Ungarische Legendarium“, das Episoden aus dem Leben von über 50 Heiligen darstellt. Die Heiligen dieser kostbaren Handschrift mögen Sie begleiten und Ihnen die gute Zeit in Berlin in Erinnerung rufen. Ein herzliches Vergelt´s Gott und Gottes Segen!

Ich möchte es auch nicht versäumen, Ihren Mitarbeiterinnen und Ihren Mitarbeitern in dieser Berliner Zeit ein herzliches Vergelt´s Gott zuzurufen. Wir sind überzeugt, dass sie auch unter einem neuen Nuntius, dessen Namen wir noch nicht offiziell wissen, die gute Tradition der Apostolischen Nuntiatur in Ihrem Geist fortsetzen werden. Dabei wollen wir dem einstweiligen Geschäftsträger, Herrn Nuntiaturrat Prälat Dr. Marek Zalewski, unsere Hilfe und eine gute Zusammenarbeit zusichern.

(c) Karl Kardinal Lehmann

Es gilt das gesprochene Wort 

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz