Zuerst Christsein

Der hl. Augustinus über das Bischofsamt und die Einheit mit dem christlichem Lebenszeugnis

Datum:
Sonntag, 6. Oktober 2013

Der hl. Augustinus über das Bischofsamt und die Einheit mit dem christlichem Lebenszeugnis

Gastkolumne in der Mainzer Kirchenzeitung "Glaube und Leben" vom 6. Oktober 2013

Der hl. Augustinus, Bischof von Hippo in Nordafrika, hat vor allem an seinem eigenen Weihetag der Bischofsweihe über das Amt des Bischofs gepredigt. Gewiss hat er dies auch bei Bischofsweihen in der afrikanischen Kirchenprovinz getan. Man kann gerade von diesen Predigten bis heute viel lernen. Aus Anlass meiner eigenen Gedenktage zur Priester- und Bischofsweihe habe ich ein berühmt gewordenes Wort des hl. Augustinus wieder hervorgeholt und zu durchdenken versucht.

Dieses Wort heißt in deutscher Übersetzung: „Was ich für euch bin, erschreckt mich; was ich mit euch bin, tröstet mich. Für euch bin ich Bischof, mit euch bin ich Christ. Bischof, das ist der Titel einer Aufgabe, die man übernimmt; Christ, das ist der Name einer Gnade. Der Titel ist gefährlich, der Name heilbringend." Das Zweite Vatikanische Konzil hat an einer wichtigen Stelle seiner Ausführungen über die Laien diesen Satz zitiert (Kirchenkonstitution Art. 32). Auch sonst ist dieses Wort in den letzten Jahren sehr oft zitiert worden.

Gewiss darf man diesen Text nicht als unverbindlichen Ausdruck einer persönlichen Bescheidenheit verstehen. Hier geht es um eine wirkliche Theologie des Amtes und zugleich um die Einheit des Christseins in der Verschiedenheit der Aufträge.

„Für euch bin ich Bischof ...": Augustinus betrachtet das Amt nicht in sich, in seiner Würde und Machtfülle. Er versteht das Amt ganz in Bezug auf die ihm anvertraute Aufgabe. Das Bischofsamt ist ganz und gar Dienst als Einsatz für die Schwestern und Brüder im Glauben. Augustinus sagt das auch noch in einer ganz anderen Sprache, wenn er aufzeigt, dass sich für ihn Leitung und Führung nur im Fruchtbarwerden und in der Nützlichkeit für die Menschen der Kirche erfüllt.

Es ist bekannt, dass Augustinus diese Aufgabe als eine Last empfunden hat, die auf ihm liegt und ihn manchmal auch bedrückt. Dabei entstammt diese Erfahrung der Frage, ob er denn wirklich gerade im Blick auf die Anderen seiner Aufgabe gerecht werde und sie vor Gott angemessen erfülle. Dies klingt ganz anders als in vielen Predigten zur Primiz oder zu einem Bischofsjubiläum. Augustinus fragt sich nämlich, ob dieses hohe Amt, das ihm freilich viel zumutet, für ihn selbst nicht eine große Gefahr ist. Oft denken wir anders und glauben, ein hoher Amtsträger sei Gott näher und habe so viele Verdienste, dass ihm Gott gleichsam von selbst Rettung und ewiges Leben schenke. Augustinus sieht im Amt nicht eine Erleichterung, sondern eher eine Gefährdung des Heils, wie es in seinem anfangs angeführten Zitat sehr deutlich wird.

Was ihn gegenüber dieser Gefährdung tröstet, dies ist das gemeinsame Christsein mit allen Schwestern und Brüdern. Hier kann er sich in das „normale" christliche Leben einfügen. Da ist zunächst jeder für sich selbst verantwortlich, wenn dies sich freilich auch auf andere ausdehnen kann. So kann Augustinus verkürzt sagen: „Lehren ist gefährlich, Schüler sein sicher." Wer weiter „oben" steht, muss nach dem Maß seiner Aufgabe auch beurteilt und gerichtet werden. Der Schrecken darüber lässt nach, wenn man sich ganz in die Schar der Glaubenden hineinbegibt. Dies ist noch wichtiger als das Amt für sich allein.

Manche Bürde des Amtes ist leichter zu tragen, wenn man sich ganz demütig zum normalen und einfachen Volk Gottes stellt. Manchmal spreche ich auch gerne von der Zugehörigkeit zum Fußvolk Gottes. Man sieht dann auch, was anderen aufgetragen ist, und überschätzt sich nicht. Diese Einheit im Christsein mit vielen anderen macht bescheiden und demütig. Es steht jedenfalls aller Selbstüberschätzung des Amtes entgegen.

Augustinus weiß dennoch sehr deutlich um die eigene Verantwortung des Amtes, die er nicht verkleinert. Für ihn ist mit Papst Gregor dem Großen der Bischof der „Schauende", der vorausschauen muss und deswegen auch Wege weist. Er muss auch konfliktbereit sein, wenn das Evangelium es verlangt. Dies kann auch Einsamkeit bewirken. Gerade darum ist die Einheit mit allen Glaubenden wiederum so wichtig.

Die eine Aussage des hl. Augustinus „Was ich für euch bin ...", die auch durch viele ähnliche Einsichten in seinem Werk bis hin zur Begründung im Dreifaltigen Gott reflektiert wird, sagt über das Bischofsamt und seine gelebte Ausführung mehr als viele große Abhandlungen über die Theologie des Amtes. Ich danke jedenfalls für dieses tiefe Wort des hl. Augustinus. Es war mir immer kostbar und hilfreich.

(c) Karl Kardinal Lehmann, Bischof von Mainz

 

Diese Gastkolumne lesen Sie auch in der aktuellen Ausgabe der Mainzer Kirchenzeitung "Glaube und Leben" vom 6. Oktober 2013

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz