Von vielen Medien gab es gute Noten für die am 18./19. Oktober zu Ende gegangene Außerordentliche Bischofssynode über Ehe und Familie in Rom. Es wurde ihr bescheinigt, dass nicht nur eine vollkommene Freiheit bestand, über alle Fragen zu reden, sondern dass dies auch offen und ehrlich, nüchtern und auch manchmal in einem notwendigen Streit vonstatten ging.
Hinzu kommt, dass die Presseinformation vom Vatikan ganz erheblich verbessert worden ist. Gewiss gibt es hier immer auch zu diskutieren, ob es z.B. diesmal sinnvoll war, auf die Berichterstattung der einzelnen bischöflichen Wortmeldungen zu verzichten. Aber auch hier gibt es gute Gegenargumente für den Vorzug eines allgemeinen Zwischenberichtes.
Dies ging soweit, dass Papst Franziskus am Samstag, 18. Oktober, entschieden hat, dass der Text des Schlussdokumentes sogar mit den Abstimmungszahlen und seine Schlussansprache bereits am frühen Abend veröffentlicht worden sind. Ich hatte am Samstagabend um 20 Uhr alle diese Texte, freilich in italienischer Sprache, vor mir liegen, und zwar auf ganz normalen Pressewegen. Dies kann nicht hoch genug anerkannt werden, besonders wenn man viele früheren Synoden mitgemacht hat und an die früheren Kommunikationsprobleme denkt.
Es gab aber auch unerklärbare Pannen. Leider gab es sie auch in den Fernsehnachrichten. Da gab es Wertungen folgenden Typs: Die Synode ist zu Ende. Es gab keinen Durchbruch, besonders nicht in der Frage der Wertung der Homosexualität und der Stellung Geschiedener Wiederverheirateter in der Kirche. Was in der Gesellschaft überhaupt keine Frage mehr ist, da hinkt die Kirche hinterher.
Ich habe mich über diese und andere Urteile gründlich geärgert. Es waren so viele Zugänge zu dem wirklichen Verlauf der Synode offen, dass diese Urteile in meinen Augen nur Vor-Urteile darstellen. Dabei ging es nicht nur um einzelne Versehen, sondern manchmal zeigte sich auch eine erstaunliche Unkenntnis schon der Grundlinien dieser Bischofsversammlung: Es war ja von Anfang an klar, dass diese aus mindestens zwei Phasen besteht, nämlich der Außerordentlichen Versammlung mit den Vorsitzenden der Bischofskonferenzen als vollberechtigte Mitglieder (114) im Oktober 2014 und die Ordentliche Mitgliederversammlung, zu der die bischöflichen Mitglieder je nach Größe von den Konferenzen gewählt werden (für Deutschland drei Bischöfe) und die im Oktober 2015 zusammentreten.
Damit war auch gegeben, worauf sehr oft hingewiesen worden ist, dass man im Herbst 2014 weitgehend eine Situationsanalyse aus aller Welt, einige grundsätzliche Ausführungen, vor allem aber am Ende einen Arbeitsauftrag bis zum nächsten Herbst erwarten kann, auf keinen Fall aber schon verbindliche Beschlüsse. Es ist mir vor diesem Hintergrund unerklärlich, wie man wenigstens in einer minimalen Kenntnis des Synodenverlaufs die oben angedeuteten Urteile abgeben konnte.
Dies sind nicht nur kleine Pannen, wie sie im rasanten Pressealltag immer wieder vorkommen können. Da die Synoden in ihrem Funktionsablauf bei den allermeisten Lesern und Hörern von Nachrichten - was ganz selbstverständlich ist - unbekannt sind, ist dies eine wirkliche Irreführung. Eine Berichterstattung kann freilich kontrovers diskutierte Themen nicht selbst einer Lösung zuführen. Dies darf man von den Medien nicht erwarten. Aber es gibt eben doch eine sehr schädliche Aufnahme solcher Urteile, wenn z.B. nachträglich eine „angstfreie" Diskussion dieser Themen verlangt wird.
Viele Probleme aus dem kirchlichen Leben der letzten Jahrzehnte sind nach meiner festen Überzeugung und Erfahrung auch deshalb nicht fruchtbar diskutiert worden und gleichsam festgefahren, weil in der öffentlichen Information und Diskussion sehr stark mit Verkürzungen, Vereinfachungen und Polarisierungen gearbeitet worden ist. Dies hat oft von Anfang an die notwendige Atmosphäre für eine sachliche Diskussion verhindert und manchmal leider auch vergiftet. Ich habe dies über Jahrzehnte z.B. bei den Themen Zölibat des Priesters, Geburtenregelung, Homosexualität, Ehescheidung, Zulassung Wiederverheirateter Geschiedener zu den Sakramenten, Diakonat der Frau usw. erlebt. Die öffentliche Behandlung dieser Themen, die ja für die weitere Erwägung in Kirche und Gesellschaft nützlich sein sollte, verhindert in solchen Fällen und unter solchen Bedingungen gerade den erwünschten, notwendigen Dialog. Ich wünsche mir vor allem, dass dies im Blick auf die Fortsetzung des Gesprächs zu diesen Themen bis zur nächsten Synodensitzung 2015 besser gelingt.
(c) Karl Kardinal Lehmann, Bischof von Mainz
Diese Gastkolumne lesen Sie auch in der aktuellen Ausgabe der Mainzer Kirchenzeitung "Glaube und Leben" vom 2. November 2014
von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz
Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz