Hirtenwort des Bischofs von Mainz, Karl Kardinal Lehmann,
zur Österlichen Bußzeit 2006
Einladung an die Gemeinden zur Teilnahme beim Verwirklichen der neuen Seelsorge-Einheiten
Verehrte, liebe Schwestern und Brüder im Herrn!
Der Glaube ist im Herzen des Menschen, in seiner innersten Mitte, verwurzelt. Wenn er nicht immer wieder von hier aus lebt und Kraft gewinnt, verwelkt er langsam und wird schwach. Aber gerade wenn er lebt, vollzieht er sich konkret in Raum und Zeit. Er verleiblicht sich in sichtbaren und gesellschaftlich greifbaren Strukturen. Wir dürfen sie darum nicht vernachlässigen, auch wenn sie nicht die erste Stelle einnehmen. Von Zeit zu Zeit müssen wir uns diesen Fragen stellen, damit diese Strukturen dem Leben des Glaubens in einer bestimmten Zeit entsprechen.
Ich habe dies 1985 bald nach dem Beginn meines Dienstes im Bistum Mainz - damals im Zusammenhang einer Umfrage - in einem ersten Schritt angegangen. In den Jahren 1994 bis 1996 haben wir im Bistum unter Beteiligung vieler Gemeinden eine Konsultation „Damit Gemeinde lebt...“ durchgeführt und die Ergebnisse in den „Zentralen Leitlinien zur künftigen pastoralen Planung in den Pfarrgemeinden“ verbindlich verabschiedet. Manches davon ist dank des Einsatzes vieler verwirklicht worden. Wiederum im Abstand von zehn Jahren beschäftigt uns nun seit einiger Zeit die Frage einer Neustrukturierung der Pfarreien, vor allem im Sinne einer besseren, fruchtbaren Kooperation der Gemeinden untereinander. Jetzt sind wir so weit gekommen, dass es alle Schwestern und Brüder im Glauben angeht. Dafür erbitte ich mit diesem Hirtenwort zur Österlichen Bußzeit 2006 Ihr Gehör, auch wenn die Sache vielleicht nicht jeden in gleicher Weise interessiert.
I. Die Pfarrei als bleibende, kostbare Errungenschaft
Ich will es gegen manche falsche Vermutung von Anfang an klar sagen: Die neuen Strukturen wollen nicht die Bedeutung der Pfarrei schmälern. Papst Paul VI. hat es vor mehr als vierzig Jahren mit aller Klarheit gesagt: „Wir sind einfach davon überzeugt, dass diese alt überkommene und geschätzte Struktur der Pfarrei eine unverzichtbare und höchst aktuelle Sendung hat; ihr kommt es zu, die erste Gemeinschaft des christlichen Volkes zu bilden; sie versammelt das Volk und führt es in die liturgische Feier ein; sie beschützt und belegt den Glauben in den Menschen unserer Zeit; sie bietet ihnen den Unterricht über die heilbringende Lehre Christi; sie verwirklicht in der Haltung und in der Tat die demütige Liebe in den guten und brüderlichen Werken.“
Freilich ist uns besonders im Lauf der letzten Zeit noch deutlicher geworden, dass die Pfarrei nicht in erster Linie aus einer Struktur, aus einem Gebiet oder aus einer Reihe von Gebäuden, einschließlich des Gotteshauses besteht. Man kann sich ja rasch mit der Situation einer Pfarrgemeinde zufrieden geben, wenn man zuerst auf ihre Größe und ihre Grenzen, auch auf ihre Einrichtungen und Bauten schaut. Dies ändert sich, wenn man ernst damit macht, dass die Pfarrei die Gemeinschaft der Glaubenden am jeweiligen Ort, „Familie Gottes“, Gemeinde von Schwestern und Brüdern ist. Sie muss darum auch geschwisterlich leben und sich gastfreundlich-offen verhalten. Sie erbaut sich immer wieder von der Feier der Eucharistie her. Darum ist sie am Ende auch bei aller konkreten gesellschaftlichen Größe zuerst eine religiös-spirituelle Gemeinschaft. Dies weckt auch immer wieder sofort Fragen: Sind wir eine solche Gemeinde?
Dies kann freilich nicht heißen, dass man die so genannte Territorialgemeinde, also die Pfarrei vor Ort, an den Rand des Interesses rückt. Gewiss bewegen sich heute die Menschen zwischen vielen Orten. Mobilität ist ein Kennzeichen unseres Lebens geworden. Davon ist, besonders in den Städten, unser kirchliches Leben stark mitgeprägt. Aber wir wollen auch nicht übersehen, dass wir keine Lebewesen mit einer schwebenden Allgegenwart sind. Wir sind und bleiben Menschen in Raum und Zeit. Wir ziehen es vor, an einem bestimmten Ort wie an einem Schwerpunkt zu wohnen, auch wenn wir noch andere Aufenthalte haben. Hier sind wir zu Hause. Es ist auch eine gute Erfahrung, wenn wir dies „Heimat“ nennen. Es tut dem Menschen nicht gut, wenn er sich seiner Herkunft nicht bewusst ist und sie nicht achtet.
Darum ist die Pfarrei bei allen Wandlungen eine bleibende, kostbare Errungenschaft unseres kirchlichen Lebens, die wir in allen Reformen grundsätzlich nicht antasten, sondern evangeliumsgemäß und zeitgerecht stärken wollen.
II. Die notwendige Erneuerung der Pfarrgemeinden
Wir müssen immer wieder fragen, ob wir wirklich Gemeinschaft der Glaubenden und so etwas wie eine Pfarrfamilie sind. Zwar brauchen wir Bistümer und Pfarreien als unersetzliche Größen und Strukturen des kirchlichen Lebens, aber ihre konkrete Organisation ist nicht auf ewig festgeschrieben. Diözesen und Pfarreien können unter Umständen neu gegründet, aber auch aufgehoben werden. Dieses Bewusstsein ist heute weltweit lebendig. Darum gibt es auch auf weltkirchlicher Ebene die Aufforderung, unsere bisherigen pastoralen Strukturen zu überdenken und zu überprüfen.
Dabei wird verlangt, dass die Pfarrstrukturen flexibel sein sollen. Dies entspricht den größeren Lebensräumen, in denen wir heute gewöhnlich wohnen. Dabei macht man eigens auch darauf aufmerksam, dass die Strukturen zur Förderung der Teilhabe der Laien an der pastoralen Verantwortung passen sollen. Sie müssen sich auch immer wieder auf das nahe Umfeld öffnen und sensibel bleiben für alte und neue Nöte der Menschen. In diesem Sinne müssen die Gemeinden Konkretisierungen der großen kirchlichen Gemeinschaft, in der wir stehen, und zugleich Zentren missionarischer Verkündigung des Glaubens, also der Evangelisierung, sein und immer mehr werden.
Bei unseren Überlegungen „Damit Gemeinde lebt..." vor gut zehn Jahren hat uns der neuere Begriff „Lebensraum" festgehalten. Wir leben nicht nur an einem bestimmten, gleichsam neutralen Ort, sondern dazu gehört im Umfeld ein ganzes Geflecht von menschlichen und gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Gegebenheiten, die unser Leben bestimmen. Deswegen haben wir auch damals gesagt: „Jede Pfarrgemeinde soll stets den Lebensraum, zu dem die Menschen gehören, im Blick haben und bei den Planungen und Überlegungen seelsorglicher Aktivitäten berücksichtigen." (Leitlinien 6.1) In der Tat leben wir auch immer schon und zunehmend mehr in erweiterten Räumen, die über unser Dorf oder den jeweiligen Stadtteil hinausreichen. Dies gilt für unseren Arbeitsort, oft für die Schulen der Kinder, nicht selten für das Rathaus und die kommunale Gemeinde im Ganzen, auch für den Friedhof, die Vereine, die Ärzte und die Krankenhäuser. Manchmal haben auch kommunale Planungen neue Gebilde und Strukturen geschaffen, ohne dass sie immer auch schon mit Leben erfüllt sind. Aber dies wird sich mit der Abfolge der Generationen auch ändern. Der Wechsel ist schon im Gang.
Bei den dadurch mitbedingten Änderungen der Strukturen spielte der Priestermangel gewiss eine wichtige Rolle. Darum haben viele Mitbrüder auch eine Zuständigkeit für mehrere Gemeinden. Aber aus dem bisher Gesagten geht auch hervor, dass es außer dem Priestermangel viele zusätzliche Hinweise und Einsichten für eine Erneuerung und für den Strukturwandel der Pfarrgemeinden gibt. Sie können uns auch helfen, wenigstens zu einem Teil die Folgen des Priestermangels zu mildern. Darum gibt es auch im Recht der Weltkirche entsprechende Empfehlungen, z.B. „Um die Hirtensorge durch gemeinsames Handeln zu fördern, können mehrere benachbarte Pfarreien zu besonderen Zusammenschlüssen...verbunden werden.“ (can. 374 § 2 CIC) Ähnlich heißt es im Abschlussdokument der Weltbischofssynode von 1988: „Im Dienst der Erneuerung der Pfarreien und um die Wirksamkeit ihrer Initiativen besser zu sichern, sollen auch institutionalisierte Formen der Mitarbeit zwischen den verschiedenen Pfarreien eines Dekanates gefördert werden.“ (Nachsynodales Apostolisches Schreiben „Christifideles Laici“, Nr. 26)
III. Neue Formen der Zusammenarbeit im pastoralen Nahraum
Viele Anforderungen dieser Art haben wir schon in den bereits erwähnten Bemühungen der Jahre 1994–1996 „Damit Gemeinde lebt...“ zu erfüllen versucht. So heißt ein tragender Grundsatz: „Kooperative Pastoral gilt als verpflichtendes Grundkonzept der Seelsorge im Bistum Mainz.“ (3.1) Früher (ab 1980) hatten wir bereits dafür die Pfarrverbände eingeführt, die die Zusammenarbeit benachbarter und zusammengehörender Gemeinden regeln sollten. Im Grundsatz haben wir dies auch beibehalten: „Die Pfarrverbände haben im Konzept der kooperativen Pastoral im Bistum Mainz eine unersetzbare Funktion und Bedeutung und werden deshalb grundsätzlich als Strukturprinzip bekräftigt.“ (7.1) Wir konnten jedoch trotz mancher gelungener Einzelbeispiele auch gravierende Mängel nicht übersehen. Die Verwirklichung des Pfarrverbandes musste flexibler gestaltet werden. Darum heißt es: „Die Form und Gestalt der einzelnen Pfarrverbände wird künftig verschieden sein, um mehr der einzelnen Situation zu entsprechen. Im Einzelfall kann z.B. ein Stadtbezirk ein Pfarrverband sein, gelegentlich sogar ein kleines Dekanat... Die Offenheit und Flexibilität der zu erneuernden Pfarrverbände darf freilich nicht mit Willkür und Beliebigkeit verwechselt werden.“ (7)
Zur genaueren Ausarbeitung dieser grundlegenden Forderung haben wir uns etwas Zeit gelassen. Wir haben aus den eigenen Erfahrungen und dem Gestaltungsprozess anderer Diözesen zu lernen versucht. Im Verlauf dieser intensiven Vorbereitung haben wir dann auch den Begriff „Pfarrverband“ fallen gelassen, ohne auf die Sache zu verzichten. Die Identifizierung mit dem da und dort ungeliebten Namen oder auch mit dem nicht geglückten Modell „Pfarrverband“ könnte auch schädlich sein. Allgemein spricht man heute international eher von „pastoralen Einheiten“ oder auch deutsch von „Seelsorge-Einheiten“.
Bei der Suche nach diesen neuen Seelsorgeeinheiten mussten wir vor allem zwei fundamentale Bedingungen beachten. Es war selbstverständlich, dass die Ortspfarrei im Sinne des früher Dargelegten (vgl. I.) als bleibende, kostbare Errungenschaft die innere Mitte und Achse aller Überlegungen bleibt. Die Menschen suchen immer noch vor Ort eine Zuflucht, vor allem auch in der Eigenständigkeit und im Fortbestehen der kirchlichen Gemeinde. Die Kirche als Gotteshaus und als Gemeinschaft der Glaubenden gibt mit ihrem eigenen Profil einer Gemeinde und auch einem Stadtteil oft ein eigenes Gepräge, das man gerade in einer Zeit hoher Mobilität und zahlreicher Wandlungen der Lebensverhältnisse nicht aufgeben will und auch wieder neu schätzt. Die Ortspfarrei darf also auf keinen Fall, wie es manchmal heute Tendenz ist, stiefmütterlich behandelt werden. Aber dieser richtige Grundgedanke darf nicht dazu missbraucht werden, um die enge Zusammenarbeit im selben gesellschaftlichen Kontext und vor allem auch im pastoralen Nahraum zu verweigern. Dies ist der zweite Gesichtspunkt, den wir schon früher erläutert haben (vgl. II.): Wir können nicht davon absehen, dass unsere Lebensräume größer, weiter und umfassender geworden sind. Oft kann man das spannungsvolle Phänomen beobachten, dass wir zwar in erweiterten Lebensräumen wohnen und leben, aber gerade für die Kirche leibhaftig am Ort soll dies nicht gelten. Man muss die beiden Elemente des Lebens in einer konkreten Heimat vor Ort und zugleich in erweiterten Lebensräumen zusammenbringen und klug, rücksichtsvoll und differenziert miteinander vermitteln. Wir kön-nen nicht davon absehen, dass es Aufgaben gibt, die eben besser in einem größeren Verbund zu lösen sind. Jede größere Einheit braucht aber in jedem Fall einen lebendigen Unterbau (Substruktur) und eine funktionierende Vielfalt.
In Rücksicht auf diese Voraussetzungen haben wir für die engere Zusammenarbeit im pastoralen Nahraum zwei neue Formen und Typen geschaffen, die den bisherigen Pfarrverband ersetzen sollen. Dies sind die Grundmodelle der Pfarrgruppe und des Pfarreienverbundes. In der Pfarrgruppe arbeiten mehrere hauptberufliche Seelsorger mit Ehrenamtlichen in mehreren Pfarreien unter Leitung eines Pfarrers zusammen. Die Pfarreien sollen sich in einzelnen Schritten stärker aufeinander zubewegen und werden in einem überschaubaren Zeitraum auch einen gemeinsamen Seelsorgerat bilden. Besondere Themen der Zusammenarbeit sind z.B. die Katechese, Taufvorbereitung, Erstkommunion, Firmung, Ehevorbereitung, Bildungsveranstaltungen, inhaltliche und zeitliche Abstimmung der Gottesdienste und Erarbeitung einer Vertretungsordnung. Angestrebt wird auf Dauer auch ein gut funktionierendes zentrales Pfarrbüro mit Ansprechpartnern in den einzelnen Gemeinden. Die Pfarrgruppe hat in diesem Sinne eine stärker integrative Struktur. Davon verschieden ist der Pfarreienverbund: Er ist eine Gemeinschaft der Zusammenarbeit, in der die einzelnen Pfarreien auf eine totale Selbstständigkeit in allen Belangen verzichten und alles gemeinsam planen und tun, was sie rationaler und effektiver gemeinsam leisten können. Dies ist also eine kooperative Gemeinschaft in einer etwas lockereren Form, die nicht zuletzt durch die Größe der einzelnen Pfarrgemeinden bedingt ist. Die gemeinsamen Aufgaben sind ähnlich wie bei der Pfarrgruppe. Es ist auch eine gute Entwicklung, dass einige Pfarreien im Bistum vor diesem Hintergrund eine regelrechte Zusammenlegung im Sinne einer Fusion beantragt haben.
Ein Hirtenwort ist nicht der geeignete Ort, um noch mehr Einzelheiten dieser Planung zu beschreiben. Die Struktur ist auf allen Ebenen sehr oft beraten und überprüft worden. Sie kön-nen sich also leicht bei den Verantwortlichen Ihrer Gemeinde erkundigen, wenn Sie noch mehr über die Planung für Ihre Gemeinden wissen möchten. Es gibt noch wichtige Themen, die beachtet werden müssen: die Integration von Gemeinden einer anderen Muttersprache, eine stärkere Verknüpfung der territorialen und der personal-kategorialen Seelsorge, die Gestaltung der Gottesdienstangebote, die künftige Entwicklung der Rätestrukturen, die Mitarbeit der Ordensgemeinschaften. Aber dies soll nicht als ein Bündel von Schwierigkeiten, sondern eher von wirksamen Hilfen verstanden werden. Vieles lässt sich auch nur in kleinen, freilich entschiedenen Schritten verwirklichen. Es muss Übergangsfristen geben. Wir sind unterwegs.
IV. Die Notwendigkeit eines Immobilienkonzeptes
Zu den pastoralen Planungen gehört auch ein schwieriges Kapitel, nämlich der Umgang mit unseren zahlreichen Immobilien. Wir haben - auch im Gespräch mit Experten - seit vielen Jahren die Einsicht gewonnen, dass wir den großen und immer größer werdenden Stau von Sanierungen kirchlicher Gebäude in naher Zukunft und erst recht später nicht bewältigen können. Nach allen gründlichen Prognosen werden wir ohnehin mit einem starken Schwund unserer Einnahmen rechnen müssen. Wir werden mit den auflaufenden Lasten nicht mehr fertig werden können. Darum ist eine nüchterne Konsequenz darin zu sehen, dass wir die Aufwendungen für Immobilien auf der Bistumsebene und für die Pfarreien reduzieren müssen. Wir brauchen dafür freilich konsequente und verlässliche Regeln, die für alle Beteiligten in der Bistumsverwaltung und in den Pfarreien eine Handlungsgrundlage für die nächsten Jahre und Jahrzehnte darstellen. Wir sind dabei, diese zu formulieren. Wir gehen davon aus, dass wir 25 % der eigentlich notwendigen Aufwendungen einsparen müssen.
Dies ist eine heikle Aufgabe. Manche möchten dabei von außen gerne einen Schwund des religiösen Lebens überhaupt sehen. Andere werfen der Kirche vor, nicht in angemessenem Respekt mit Sakralbauten umzugehen. Wir haben deshalb schon lange von der Deutschen Bischofskonferenz her Beurteilungskriterien und Entscheidungshilfen bei der „Umnutzung von Kirchen“ an die Hand gegeben.
Wir werden im Bistum besonders sensibel mit dieser Aufgabe umgehen und die notwendigen Entscheidungen möglichst in gemeinsamen Beratungen mit den betroffenen Gemeinden treffen. Ich will jedoch auch keinen Zweifel daran lassen, dass wir dieser sensiblen Aufgabe nicht entkommen können und bitte Sie alle, ganz besonders die Räte und die Experten, dafür um Ihre nüchterne, offene und verständnisvolle Mitarbeit. Ich bin mir dabei durchaus bewusst, dass wir emotionsgeladene Auseinandersetzungen in Kauf nehmen und bestehen müssen.
Schluss
Im Blick auf alle Ausführungen dieses Hirtenwortes muss am Schluss noch ein kurzes Wort gesagt werden. Manches sieht so aus, als ob es nur um Fusion, Reduzierung und Aufgabe bisheriger Strukturen bzw. Gebäude geht. Gewiss geht es nicht ohne schmerzliche Entscheidungen. Wir können sie aber nur mit einem solidarischem Zusammenstehen meistern. Es geht vor allem darum, dass wir viele Maßnahmen nicht nur negativ sehen dürfen, sondern auch als eine echte Chance ergreifen. Die zentralen Aufgaben des kirchlichen Lebens müssen dabei gewinnen und nicht verlieren. Es kann ja durchaus auch heilsam sein, wenn man die eine oder andere Aktivität überprüft. Ein gutes pastorales Netzwerk kann vieles verbessern helfen und als Ansporn begriffen werden. Freilich brauchen wir dafür auch eine gewiss begrenzte, aber wirkliche Veränderungsbereitschaft. Dies ist auch eine spirituelle Größe und Haltung.
Um diese Veränderungsbereitschaft bitte ich Sie alle von Herzen. Ich danke Ihnen jetzt schon für alles Mitdenken und Mitwirken. Ich bitte Sie auch um Verständnis, wenn ich nach den jahrelangen Diskussionen und Vorbereitungen jetzt im Lauf des Jahres 2006 einen gezielten und zügigen Abschluss unserer Planungen anstrebe und erwarte. Wenn im nächsten Jahr die Räte wieder gewählt werden, sollen sie ihre Arbeit mit den neuen Strukturen beginnen können. Auch müssen die inhaltlichen Fragen unseres Glaubens wieder ganz in den Vordergrund kommen. Um dieses zügige Vorgehen zu ermöglichen, haben wir mit den ersten Maßnahmen schon zum 1. Januar 2006 begonnen. Im Herbst dieses Jahres wollen wir diese formellen Arbeiten abschließen.
Dazu segne uns alle der Dreifaltige Gott, der + Vater, der + Sohn und der + Heilige Geist.
Mainz, am Aschermittwoch 2006 (1. März)
Ihr Bischof
+ Karl Kardinal Lehmann
Bischof von Mainz
Herr, unser Gott, Du hast Dein Volk aus allen Zerstreuungen herausgerufen und eingeladen, Dein Evangelium als Gemeinde Jesu Christi zu leben und vor aller Welt zu bezeugen. Wir begegnen dabei Hindernissen in uns selbst und von außen, die uns oft lähmen. Wir bitten Dich um Deinen Geist:
- Ermutige uns Christen, dass wir vor allem das Reich der Gerechtigkeit und der Liebe suchen und ihm nichts vorziehen.
Christus, höre uns!
Christus, erhöre uns!
- Gib uns Freude und Stärke des Glaubens, damit wir überzeugende und unerschrockene Boten des froh machenden und befreienden Evangeliums für alle Menschen werden.
Christus, höre uns!
Christus, erhöre uns!
- Schenke uns Kraft und Zuversicht, damit wir unermüdlich und mit allen Kräften die Spaltungen unter den Christen als großes Hindernis für die Wirksamkeit Deiner Botschaft zu überwinden suchen.
Christus, höre uns!
Christus, erhöre uns!
- Stärke alle Frauen und Männer, die sich in der Kirche ehren- und hauptamtlich in den Dienst des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe stellen, damit sie das Wort des Lebens den Menschen unserer Zeit einladend vermitteln können.
Christus, höre uns!
Christus, erhöre uns!
- Verleihe uns schöpferische Fantasie und Einfallsreichtum, damit wir die besten Wege und Strukturen, Mittel und Formen finden, wie die christliche Botschaft die Menschen unserer Zeit in unseren Pfarrgemeinden segensreich und fruchtbar erreichen kann.
Christus, höre uns!
Christus, erhöre uns!
- Erwecke in der Kirche immer wieder neue geistliche Berufungen von Menschen, die Dir uneigennützig und selbstlos dienen und unvoreingenommen für die Nächsten da sind.
Christus, höre uns!
Christus, erhöre uns!
Herr Jesus Christus, Du hast uns immer wieder Mut zugesprochen, Dich um alles zu bitten und stets bei Dir anzuklopfen. Wir kommen mit unseren inständigen Bitten zu Dir und vertrauen auf Deine Güte und Barmherzigkeit: Erleuchte uns mit Deinem Licht! Darum bitten wir Dich, der du in der Einheit des Heiligen Geistes mit dem Vater lebst und herrschest in alle Ewigkeit. Amen.
1. Dokumente des Heiligen Stuhls und der Deutschen Bischofskonferenz
Nachsynodales Apostolisches Schreiben „Christifideles Laici“ vom 30. Dezember 1988 über die Berufung und Sendung der Laien in Kirche und Welt. Deutsche Ausgabe: Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 87, Bonn 1989.
Der pastorale Dienst in der Pfarrgemeinde = Die deutschen Bischöfe 54, Bonn 1995.
Kongregation für den Klerus, „Der Priester, Hirte und Leiter der Pfarrgemeinde“. Instruktion vom 4. August 2002 = Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 157, Bonn 2002.
Missionarisch Kirche sein. Reihe „Die deutschen Bischöfe“ 72, Bonn 2003.
Umnutzung von Kirchen, Beurteilungskriterien und Entscheidungshilfen. Reihe „Arbeitshilfen“ 175, hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 2003.
2. Texte aus dem Bistum Mainz
„Damit Gemeinde lebt...“ in der Reihe: Pastorale Richtlinien des Bistums Mainz, Nr. 8, Mainz 1996.
3. Veröffentlichungen von Bischof Karl Kardinal Lehmann
Artikel „Gemeinde", in: Christlicher Glaube in moderner Gesellschaft, Band 29, Freiburg i. Br. 1982, 5 - 65, Lit.: 61-65 (eine Zusammenfassung vieler Studien seit 1970).
Die Zukunft der Seelsorge in den Gemeinden. Zur Planung einer kooperativen Pastoral im Bistum Mainz = Mainzer Perspektiven. Das Wort des Bischofs 1, Mainz 1995 (mit weiteren Literaturangaben).
„...damit sie das Leben haben und es in Fülle haben". Aufruf zur Teilnahme an gemeinsamen Beratungen zur Zukunft der Seelsorge in den Pfarrgemeinden. Hirtenwort zur Österlichen Bußzeit 1995, Sonderdruck der Bischöflichen Kanzlei Mainz 1995, auch in: Frei vor Gott. Glauben in öffentlicher Verantwortung, Freiburg i.Br. 2003, 197 - 202.
4. Aus dem Bereich der Praktischen Theologie
H. Wieh, Konzil und Gemeinde. Eine systematisch-theologische Untersuchung zum Gemeindeverständnis des Zweiten Vatikanischen Konzils in pastoraler Absicht = Frankfurter Theologische Studien 25, Frankfurt 1978.
P. M. Zulehner, Pastoraltheologie, Band 2: Gemeindepastoral. Orte christlicher Praxis, Düsseldorf 1989.
Das Handeln der Kirche in der Welt von heute. Ein pastoraltheologischer Grundriss, hrsg. von der Konferenz der bayerischen Pastoraltheologen, München 1994.
J. Werbick, Warum die Kirche vor Ort bleiben muss, Donauwörth 2002.
P. Müller, Gemeinde: Ernstfall von Kirche. Annäherungen an eine historisch und systematisch verkannte Wirklichkeit = Innsbrucker theologische Studien 67, Innsbruck 2004, hier ein sehr umfassendes Literaturverzeichnis: 995 – 1058.
M. N. Ebertz, O. Fuchs, D. Sattler (Hg.), Lernen, wo die Menschen sind. Wege lebensraumorientierter Seelsorge (Geschichte, Verlauf und Ergebnisse des Mainzer Prozesses: Lebensraumorientierte Seelsorge, LOS), Mainz 2005.
Hirtenwort von Kardinal Karl Lehmann zur Österlichen Bußzeit 2015 (PDF)
von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz
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