An alle Absender von Zuschriften und E-Mails im Zusammenhang der Aufhebung der Exkommunikation der Bischöfe der Piusbruderschaft

Datum:
Freitag, 6. November 2009

Sehr geehrte Damen und Herren!

Sie haben mir in den letzten Tagen zahlreiche Mitteilungen in der o.a. Frage zukommen lassen. Ich bitte Sie um Verständnis, dass ich nicht jedem Einzelnen antworten kann. Auf der anderen Seite sind Ihre Urteile und Meinungsbildungen so grundverschieden, dass es mir nicht leicht fällt, in einem Schreiben meinerseits darauf einzugehen. Ich will darum einige wichtige Dinge zusammenfassen, auf die es mir ankommt.

Ich habe von Anfang an den Papst in Schutz genommen. Bevor man kritisiert, muss man etwas zu verstehen suchen. Dies ist bei den kurzen Äußerungsmöglichkeiten vor allem des Fernsehens, besonders wenn ein Statement noch sehr gekürzt und nur selektiv genutzt wird, schwieriger, als die meisten denken. Aber es bleibt bei meiner Kritik, dass es in der Kommunikation des Vatikans eben unverständliche Pannen in der Innen- und Außenkommunikation gegeben hat. Hier ist Abhilfe notwendig. Darin sind sich alle einig. Ich kenne seit gut 35 Jahren die Entwicklung mit der Pius- und Petrusbruderschaft (vgl. meine Einführung und Aktualisierung des Buches von Y. Congar, Der Fall Lefebvre. Schisma in der Kirche, Freiburg i. Br. 1977). Ich bin auch früher mehrfach beim früheren und beim jetzigen Papst zu Gesprächen gewesen. Viele Kontakte mit den mitbetroffenen Vorsitzenden von Bischofskonferenzen kommen hinzu. Ich schätze es sehr, dass sowohl Johannes Paul II. als auch Benedikt XVI. nichts unversucht lassen, um Menschen, die mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil und auch seiner Wirkungsgeschichte im Lauf der letzten 50 Jahre Schwierigkeiten haben, in der Kirche zu halten oder ihnen eine Rückkehr zu ermöglichen. Die Einheit ist eine kostbare Gabe der Kirche und eine erste Sorge von Papst und Bischöfen. Dabei darf es jedoch keine Unklarheit geben: volles und eindeutiges Ja zum ganzen Zweiten Vatikanischen Konzil (selbstverständlich ist an einzelnen Äußerungen Kritik möglich). Für einen Antisemitismus und gar eine Holocaust-Leugnung - davon bin ich tief überzeugt - ist in der Kirche von heute kein Platz, schon gar nicht für Amtsträger. Ich verkenne nicht die Befindlichkeiten bei Juden, die z.B. ihre Familienangehörigen verloren haben, und besonders bei Holocaust-Überlebenden über die unsäglichen Äußerungen von Bischof Williamson, bedauere aber auch die aufgeregten, stark auf die Öffentlichkeit zielenden Aufkündigungen des bisherigen katholisch-jüdischen Dialogs. Er hat in den letzten Jahrzehnten viel erreicht. Ich durfte an ihm teilnehmen und werde auch künftig mich gerne dafür einsetzen. Nur dies führt wirklich weiter, gerade auch dann, wenn die jetzige Diskussion vorüber ist.

Mit freundlichen Grüßen und allen guten Wünschen
Ihr
gez. Karl Kardinal Lehmann

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

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