Dank zur Verabschiedung von Herrn Domkapellmeister Prof. Mathias Breitschaft

am 16. Juni 2012 im Hohen Dom zu Mainz

Datum:
Samstag, 16. Juni 2012

am 16. Juni 2012 im Hohen Dom zu Mainz

Wir haben allen Grund, am heutigen Abend heiter und froh zu sein, auch wenn wir mit einer gewissen Wehmut Herrn Domkapellmeister Prof. Mathias Breitschaft verabschieden. An erster Stelle steht aber ein großer Dank für seine lange Tätigkeit im Dienst der Musica sacra. Dahinter stecken 42 Berufsjahre. Blicken wir darum zuerst ein wenig auf die Lebensgeschichte von Mathias Breitschaft.

Mathias Breitschaft ist am 6. Mai 1950 in Würzburg geboren. Die Eltern waren beide sehr musikalisch. Die Mutter war Pianistin, der Vater war schon als Junge bei den Regensburger Domspatzen, später Opernsänger am Städtischen Theater in Würzburg, ging aber dann wegen der kümmerlichen Bezahlung dieser Tätigkeiten in das Bankfach, wo er schließlich als Bankdirektor in den Ruhestand ging. Er hat jedoch immer nebenberuflich Chöre geleitet. Es war ein schwerer Schlag, als 1956 - der junge Mathias war sechs Jahre alt - die Mutter plötzlich verstarb.

Der Vater war fest überzeugt von der musikalischen Begabung des Jungen. Er meldete ihn deshalb 1958 in der Vorschule der Regensburger Domspatzen an. Ab 1960 besuchte er das Musikgymnasium der Regensburger Domspatzen. Vom 8. Lebensjahr an sang er im Knabenchor mit. Ab dem 14. Lebensjahr wurde die musikalische Erziehung nochmals intensiviert. Nicht nur Harmonielehre und andere theoretische Fächer standen auf dem Programm, sondern zugleich auch Klavier und Orgel, Cello und Violine. In dieser Zeit wurde Mathias Breitschaft maßgebend vom Regensburger Domkapellmeister Prälat Georg Ratzinger geprägt, dem älteren Bruder von Papst Benedikt XVI.

Unmittelbar nach dem Abitur 1970 wurde der junge Musiker Assistent des Limburger Domkapellmeisters und übernahm 1973/74 die Leitung der Limburger Domsingknaben. Aber er beließ es in dieser Zeit nicht bei dieser Aufgabe, sondern wollte unbedingt sein musikalisches Studium fortführen und abschließen. So machte er neben seiner Haupttätigkeit 1975 die Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien (Schulmusik). Mathias Breitschaft hat jedoch auch seine musikalischen Kenntnisse durch persönliche Studien außerordentlich bereichert. Dies betraf besonders die Liturgie, die Hymnologie sowie die Geschichte der Kirchenmusik. Die Kenntnisse in der Gregorianik vertiefte er durch Kurse bei P. Godehard Joppich OSB. Schließlich wurde Mathias Breitschaft im Jahr 1977 von Bischof Dr. Wilhelm Kempf zum Domkantor ernannt.

Die Zeit in Limburg, besonders von 1978 bis 1980, war ungewöhnlich intensiv. Mathias Breitschaft pflegte nicht nur eindrucksvoll die gregorianischen Gesänge, sondern er dehnte seine Tätigkeit auch auf die geistliche und weltliche Literatur aus, was sich in der Konzertvielfalt zu Händel, Bach, Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert und Mendelssohn-Bartholdy zeigte. Für viele Sender wurden Hörfunkproduktionen durchgeführt. Die ersten Schallplatten erschienen. Breitschaft wandte sich der Ausbildung von Chorleitern zu und verschmähte es auch nicht, kleinere Chöre auf dem Lande selber zu leiten. In Limburg hat er eine Mädchenkantorei aufgebaut, gleichsam ein Vorspiel auf die Mainzer Zeit hin. Chorleitung wurde seine Leidenschaft, hier war und ist er besonders von seinem großen Lehrer Helmut Rilling geprägt.

Spätestens an dieser Stelle muss aber auch die Rede sein von der musikalischen Gesamtausrichtung des Domkapellmeisters Mathias Breitschaft. Von frühester Jugend an gehörten Musik und Glaube eng für ihn zusammen. Obgleich er eine ganz außerordentliche Erfolgslaufbahn, und dies schon in jungen Jahren, präsentieren konnte, ging es ihm nie bloß oder vorwiegend um den persönlichen Erfolg. In einem frühen Lebenslauf schrieb er die Worte: „Für mich ist die Arbeit als Kirchenmusiker und Chorerzieher Dienst an der Verkündigung des Wortes Gottes in gleichem Maß wie Verantwortung gegenüber den jungen Menschen." Dies zeigt, wie sehr die Musica sacra und die pädagogische Leidenschaft für ihn eng zusammengehörten. Es ist ein Credo für sein ganzes Leben. Deswegen hat er auch immer den ganzen Menschen vor Augen.

Die Tätigkeit von Mathias Breitschaft in Limburg und bald weit darüber hinaus wird in der Presse jener Jahre mit hohem Lob bedacht. Ich führe nur einige ausgewählte Grundworte an: hohe Souveränität, extreme Genauigkeit, hinreißende Chorführung, leidenschaftlicher Ausdruckswille, machtvolles Bekenntnis, Meisterleistungen in vollendeter Gestalt, umjubelte Konzerte. Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass Gesang und Musik für Mathias Breitschaft Ausdruck der Gottesverehrung sind.

Es kam der Wechsel nach Mainz. Nur wenige Wochen nach meiner Einführung als Bischof von Mainz (2.10.1983) musste das Domkapitel den damaligen Leiter des Domchors fristlos entlassen. Schändliches Verhalten zu den Jungen kam an den Tag. Der Domchor stürzte in eine große Krise ab. Die Ratlosigkeit war sehr groß. Höhepunkt war die Jahreswende 1983/84. Bei der Suche nach einem Nachfolger, dem man zutraute, das Vertrauen wiederherzustellen und dem Chor wieder zu Ansehen zu verhelfen, fiel der Blick auf den Limburger Chorleiter Mathias Breitschaft. So wurde er im Herbst 1984 nach Mainz berufen. In mehreren Stufen wurde er endgültig zum 1. März 1985 zum Domkapellmeister ernannt. Schon im Jahr 1999 konnte er insgesamt auf eine 25-jährige Dienstzeit zurückblicken, im Frühjahr 2010 feierten wir das 25-jährige Dienstjubiläum in Mainz. Mathias Breitschaft erhielt bereits 1994 den Professorentitel, hatte aber vorher schon doziert. Ihm lag immer sehr an der Ausbildung vor allem der Chorleiter. Er wirkte an der Hochschule für Darstellende Kunst an der Universität in Frankfurt und später an der Hochschule für Musik und Akademie für Bildende Künste an der Universität Mainz, heute Musikwissenschaftlicher Fachbereich.

In Mainz konnte Mathias Breitschaft seine Erfahrung voll ins Spiel bringen und seine Begabung noch stärker entfalten. Er brachte den Knabenchor bald wieder zu einer weithin anerkannten Leistungshöhe. Selbst schon in jungen Jahren Mitglied der Regensburger Domspatzen wurde Mathias Breitschaft zu einem wichtigen und angesehenen Förderer der Knabenchöre und übernahm über längere Zeit Mitverantwortung in den entsprechenden Gremien und Verbänden in Deutschland. Zwölf Jahre war er im Präsidium der Pueri Cantores.

Schon im Jahr 1987 schuf Mathias Breitschaft den Gemischen Chor, der heute zwischen 80 und 100 jugendliche und erwachsene Mitglieder hat. In Mainz gründete er im Jahr 1994 den Mädchenchor, der heute ca. 110 junge Sängerinnen umfasst. Insgesamt singen etwa 400 Sängerinnen und Sänger in den Mainzer Domchören. So wird am Mainzer Dom in einem sehr umfassenden Maß Kirchenmusik lebendig. Dies verdanken wir unserem Domkapellmeister, Prof. Mathias Breitschaft, seinem Talent und seiner Energie.

Von dieser fruchtbaren und reichen Mainzer Wirkungszeit brauche ich hier nicht viel zu erzählen. Wir sind seit 25 Jahren alle Zeugen dafür, sei es durch die aktive Mitwirkung oder durch den Besuch der Gottesdienste und Konzerte. Es ist uns auch eine große Hilfe, dass diese Tätigkeit vor allem bei Gelegenheit verschiedener Jubiläen im Wort und Bild festgehalten worden ist und so den kommenden Generationen zugänglich ist. Schließlich darf ich aus der Amtszeit von Mathias Breitschaft die Gründung des Mainzer Domorchesters, der Mainzer Dombläser und auch der Mainzer Domkonzerte erwähnen. Nicht vergessen werden darf sein ständiger Einsatz für das gelungene Chorhaus. Anlässlich seines 60. Geburtstages erhielt Mathias Breitschaft die höchste Auszeichnung des Dachverbandes für katholische Kirchenmusik in Deutschland, nämlich die Orlando di Lasso-Medaille des Allgemeinen Cäcilienverbandes für Deutschland. Das Land Rheinland-Pfalz ehrte ihn mit der Cornelius-Plakette, die Stadt Mainz mit der Gutenberg-Plakette und der Gutenberg-Statuette. Unter Breitschafts Leitung liegen zahlreiche Einspielungen auf CD mit allen Ensembles am Mainzer Dom vor.

Ich möchte schließlich die Frage zu beantworten suchen, was denn über alle diese Erfolge hinaus Domkapellmeister Breitschaft vor allem auszeichnet. Es sind dabei mehrere Dinge:

  • Ein großes Talent des Musikers Mathias Breitschaft ist seine schöne, sonore und warme Stimme, die er durch die Ausbildung bei den Regensburger Domspatzen und im Studium erworben hat. Sie ist auch eine segensreiche Voraussetzung in der chorpädagogischen Arbeit mit Kindern und Erwachsenen. Er kann alles vorsingen und erläutert so ohne zusätzliche Worte ganz unmittelbar seine Absicht. Deshalb legt er auch auf die Stimmbildung und den Gesangsunterricht immer großen Wert
  • Ich habe schon darauf hingewiesen, wie sehr Mathias Breitschaft sein künstlerisches Tun als Dienst versteht. Musik ist für ihn unmittelbar an den liturgischen Raum gebunden. Dies schließt ein Auftreten im säkularen Raum nicht aus. Aber Musik ist Verkündigung, Musik ist Gottesdienst. Dieser Grundsatz war stets Motor für sein Schaffen.
  • Einer seiner Grundsätze heißt: Fördern durch Fordern. Er will seinen Sängern etwas zutrauen und fordert es auch ein. Seine Proben sind anspornend, packend, mitreißend dynamisch und voller Energie. Er ist sich und seiner Prägung stets treu geblieben und hat sich vielen Modetendenzen der letzten Jahre verwehrt. Seine Interpretationen sind darum stets authentisch und ehrlich.
  • Mathias Breitschaft hat eine besondere Sensibilität für den Klang. Klangvolles Singen ist für ihn der Schlüssel zu den Ohren der Zuhörer. Das Feilen an einem runden und weiten Klang, der jedoch nicht scharf ist, dessen Vokale vielmehr grundtönig und ausgewogen sind, gehört für ihn zu den entscheidenden Kriterien.
  • Mathias Breitschaft hat durch sein künstlerisches Wirken und durch sein persönliches Charisma viele junge Menschen, Mädchen und Jungen, aber auch Erwachsene beider Geschlechter für die Musik begeistert. Die Musik an unserem Dom ist von ihm zu einer der bedeutendsten deutschsprachigen Musiken an den Kathedralen ausgebaut worden. Die Mainzer Chöre, besonders auch der Knabenchor, sind so zu wichtigen Kulturbotschaftern unseres Landes geworden. Die vielen Reisen der Chöre in die ganze Welt zeugen davon. Ich möchte nur als Aufenthalte St. Petersburg und Jerusalem, aber auch die Favelas in Brasilien oder die Townships von Johannesburg erwähnen. Dabei versteht er die Musik auch als eine Möglichkeit des Zeugnisses für den Frieden und für internationale Partnerschaft.

Von Mathias Breitschaft zu sprechen heißt auch, dass man von seiner verehrten Frau Monika spricht. Im Jahr 1977 heirateten sie in Limburg. Frau Breitschaft, geb. Schardt, war Sonderschullehrerin für behinderte Kinder. Drei heute erwachsene Kinder sind die Frucht dieser ehelichen Verbindung: Johanna (1979), Klemens (1981) und David (1983). Wer das Umfeld der Chöre kennt oder gar auf den Reisen mit dabei war, weiß, in welch hohem Maß Frau Breitschaft die pädagogische Arbeit ihres Mannes vorbildlich und diskret unterstützt hat. Ihnen, verehrte Frau Breitschaft, gehört unser tiefer Dank für 35 Jahre intensiver Begleitung nach innen und außen.

Wer so leidenschaftlich begeistert ist und so vorbildlich überzeugen kann wie Mathias Breitschaft, der hat auch das Glück, gute Schüler zu haben. Es ist darum auch ein Gebot dieser Stunde, seine Assistenten zu erwähnen, die heute anderswo als Domkapellmeister oder in vergleichbarer Position tätig sind:

  • Eberhard Metternich, Domkapellmeister in Köln,
  • Franz-Peter Huber, Domkapellmeister in Fulda,
  • Harald Schmitt, Domkapellmeister in Berlin,
  • Andreas Bollendorf, Domkapellmeister in Münster,
  • Christoph Klemm, Domkapellmeister in Innsbruck,
  • Ronald Pelger als Chorleiter am Peter-Cornelius-Konservatorium in Mainz.

Schließlich gibt es zwei Höhepunkte in jüngster Zeit: Karsten Storck, Domkapellmeister und Nachfolger von Prof. Mathias Breitschaft in Mainz. Und nun ein besonderes Geschenk: Ihr Sohn Klemens Breitschaft als Domchordirektor in Osnabrück.

Wir sind besonders glücklich, dass Herr Karsten Storck mit hoher externer Beratung als der Nachfolger von Mathias Breitschaft ausgewählt worden ist und sein Werk hier am Dom, wo er die Tätigkeit von Mathias Breitschaft mitgetragen und unterstützt hat, auf seine Weise fortsetzen wird. Ich danke ihm auch sehr herzlich für diese wichtige Wegbegleitung.

Ich möchte unserem Domkapellmeister Mathias Breitschaft für seine herausragende Leistung an der Kirchenmusik unseres Domes, aber auch an der Musica sacra im Bistum und weit über die Diözese Mainz hinaus ein herzliches Vergelt´s Gott sagen. Einen bescheidenen Ausdruck darf dies finden in dem instruktiven großen Bildband „Musica. Geistliche und weltliche Musik des Mittelalters", herausgegeben von Vera Minazzi unter Mitarbeit von Cesarino Ruini, Freiburg i. Br. 2011, ein Buch, das zugleich in italienischer Fassung erschien. Ihnen, verehrte Frau Breitschaft darf ich mit den Blumen ein Buch mit wichtigen literarischen Stellen über die Musik übergeben.

Mathias Breitschaft wird gewiss in dem nachher folgenden Abschiedskonzert nochmals alle Töne und auch die ganze Fülle, Weite und Tiefe seiner Begabung zum Klingen bringen.

Hier wird verwirklicht, was der Kolosserbrief von uns Christen sagt und verlangt: „In eurem Herzen herrsche der Friede Christi; dazu seid ihr berufen als Glieder des einen Leibes. Seid dankbar! Das Wort Christi wohne mit seinem ganzen Reichtum bei euch. Belehrt und ermahnt einander in aller Weisheit! Singt Gott in eurem Herzen Psalmen, Hymnen und Lieder, wie sie der Geist eingibt, denn ihr seid in Gottes Gnade. Alles, was ihr in Worten und Werken tut, geschehe im Namen Jesu, des Herrn. Durch ihn dankt Gott, dem Vater!" (3,15-17) 

(c) Karl Kardinal Lehmann, Bischof von Mainz

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz