Gottesdienst anlässlich 50 Jahre Malteser Hilfsdienst in der Diözese Mainz

am 20. Oktober 2012 im Mainzer Dom

Datum:
Samstag, 20. Oktober 2012

am 20. Oktober 2012 im Mainzer Dom

Lesungen: Kol 3,12-17; Mk 10,42-45; Kol 3,16 ist Malteser-Jahresthema 2012

Jede Religion und jeder Glaube brauchen von Anfang an „Kurzformeln", um ihren Inhalt bündig zusammenzufassen und leicht im Gedächtnis zu behalten. Wir kennen dies am besten aus unserem Glaubensbekenntnis, dem Credo, aber auch von den Zehn Geboten und vielen anderen solchen Zusammenfassungen. Es gibt sie aber nicht nur offiziell und kirchenamtlich, sondern es gibt auch viele Initiativen, die spontan in der Kirche entstehen.

Dies ist auch so beim Malteser Hilfsdienst. Ein alter Leitsatz der Malteser heißt: Bezeugung (oder auch: Wahrung) des Glaubens und Hilfe den Bedürftigen (lateinisch: Tuitio fidei et obsequium pauperum). Damit ist das altbewährte Wort von der Einheit von Gottes- und Nächstenliebe in eine andere Form gefasst. Diese Einsicht, dass das Bekenntnis zum Glauben und der Einsatz für die Armen von innen her zusammengehören, ist schon im Alten Bund besonders im Buch Deuteronomium sowie vor allem auch bei den Propheten bezeugt. Nichts anderes meinen wir auch, wenn wir von den beiden Tafeln der Zehn Gebote sprechen, von denen bekanntlich die ersten drei die Gottesliebe und die Gebote 4-10 die Nächstenliebe ansprechen.

Der Malteser-Hilfsdienst wurde 1953 als Werk des Malteser-Ordens und als Fachverband des Deutschen Caritasverbandes gegründet. Beide wollten den angeführten Leitsatz des Ordens der Malteser, den es schon seit 900 Jahren gibt, „Wahrung des Glaubens und Hilfe den Bedürftigen" in zeitgemäßer Form verwirklichen. Prägnant ist im „Leitfaden" (2001) festgehalten, dass der Malteser-Hilfsdienst sich versteht als „eine Dienst- und Weggemeinschaft innerhalb der katholischen Kirche mit dem Anspruch, von Gott geschenktes Heil weiterzugeben und das Evangelium konkret werden zu lassen... Die Präsenz von Maltesern zielt darauf, Heil erfahren zu lassen, Menschen aufzurichten und einen Anstoß aus dem Glauben und für den Glauben zu geben" (Leitfaden, 32).

Die damit gegebene Aufgabe stellt der Malteser-Hilfsdienst unter folgende Grundsätze: Leben aus dem Glauben, wozu auch begleitende Angebote bereitgestellt werden; Freiwilligkeit des Engagements ohne Erwartung einer Gegenleistung; Ehrenamtlichkeit und Mitverantwortung, die zugleich als Verpflichtung der kirchlichen Glaubensgemeinschaft und als Staatsbürger verstanden wird. (Leitfaden, 1-4) Dazu gehört auch der Grundsatz der Ganzheitlichkeit der Hilfe: „Die Hilfe für den Menschen soll ihn ganz erfassen, seinen Leib und seine Seele." (Leitfaden, 1) Der Malteser-Hilfsdienst bekennt sich auch zu einer ökumenischen Ausrichtung. Schließlich haben die Malteser mit dem Johanniter-Orden einen gemeinsamen Ursprung. Dies wird auch durch das achtspitzige Kreuz als gemeinsames Zeichen erkennbar.

Die Not der Menschen hat immer wieder ein Doppelgesicht. Es gibt die Bedrängnisse der Menschen gewissermaßen von der Steinzeit bis heute, wie z.B. ein jäher Tod, Armut, Erleiden von Gewalttätigkeit. Es gibt aber auch neue und vielleicht sogar lange verborgene Gesichter der Not früher und heute. Der Malteser-Hilfsdienst hat sich immer wieder bemüht, diese neuen Aufgaben als „Zeichen der Zeit" zu verstehen, z.B. die Jugendarbeit, den Sanitätsdienst, den Auslandsdienst, die Osteuropahilfe. Aber auch in jüngster Zeit sind viele neue Nöte zu entdecken. Wir vergessen oft die Leistungen gerade z.B. des Rettungsdienstes: im Jahr 2011 ist der Malteser Rettungsdienst bundesweit alle 54 Sekunden zu einem Notfall ausgerückt, Herzinfarkt oder Schlaganfall sind die häufigsten Ursachen. Aber auch bei Unfällen im Straßenverkehr oder im Haushalt leisten die Malteser schnelle Hilfe und retten Leben. Der Malteser-Hilfsdienst hat, was ihn besonders auszeichnet, auch ein bundesweit einheitliches Qualitätsmanagementsystem im Rettungsdienst aufgebaut, der den Umgang mit Arzneimitteln und Medizinprodukten, Hygiene und Desinfektion, Arbeitssicherheit u.a. regelt. Jährlich werden mehr als 580.000 Einsätze geleistet. Im Bistum Mainz waren es im Jahr 2011 über 25.000 Einsätze, die vor allem von den 120 hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern betreut wurden. Heute sind es 4000 Sanitätsstunden allein im Mainzer Stadtgebiet pro Jahr. Viele ehrenamtliche Helferinnen und Helfer ergänzen die professionelle Hilfe. Die sechs Lehrrettungswachen im Bistum haben sich sehr bewährt, übrigens auch die drei- statt zweijährige Ausbildungszeit für die Azubis. Deswegen ist auch die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen außerordentlich groß.

Ich möchte aber auch einzelne Dienste nennen, die einer besonderen Not entsprungen sind. Dazu gehört die „Malteser Migrantenmedizin 2011", die vor allem medizinische Hilfe für mittellose Patienten bereitstellt und unter der Leitung des Darmstädter Mediziners Dr. Wolfgang Kauder seit 2006 arbeitet. In Deutschland leben ja hunderttausende mittellose Menschen ohne eine Krankenversicherung. Dazu gehören vor allem Migranten mit einem sehr unsicheren Aufenthalts- oder Arbeitsstatus. Es gibt aber auch noch andere Personengruppen, die besonders im Krankheitsfall dringende Hilfe benötigen, die sonst niemand leistet, z.B. insolvent gewordene Selbstständige, Studenten, zahlungsunfähige Besucher aus dem Ausland. Patienten können ohne Anmeldung oder sonstige Formalitäten behandelt werden - auf Wunsch auch anonym. Medikamente werden, wenn nötig, aus gespendeten Vorräten mitgegeben. Das Netzwerk wird von sechs Fachärzten ehrenamtlich und im Anschluss daran von 70 ehrenamtlich mitarbeitenden Ärzten aus allen Fachgebieten getragen.

Ich will nur noch zwei besonders wichtige Arbeitsfelder nennen, die sich in den letzten Jahren entwickelt haben, nämlich die Hospizarbeit besonders in Bingen und Darmstadt sowie in Butzbach, aber auch die Demenzdienste. Ich freue mich besonders, dass die sieben Demenzdienste inzwischen sehr gut angenommen worden sind. Die Nachfrage wächst besonders in den ländlichen Räumen. Viele Dienste wären noch zu nennen, so z.B. der Hausnotruf, der Menüservice, aber auch - einzigartig in unserem Bistum - die so genannten Besuchshunde, die vielen Menschen Freude machen. Nicht unerwähnt bleiben darf auch der Schulsanitätsdienst. Ich freue mich aber auch ganz besonders über die Malteser Jugend, die bei uns an sechs Standorten zu finden ist. Der Malteser Hilfsdienst ist auch immer findig, wenn es um die Erschließung neuer Einnahmequellen geht. So bringen Altkleider - in unserem Bistum sind es rund 750 Container - viele Spenden, die an anderer Stelle wieder nützen.

So haben wir an diesem Wochenende beim Rückblick auf die Gründung des Malteser Hilfsdienstes vor 50 Jahren allen Grund, um den Gründern von damals, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieser fünf Jahrzehnte und besonders auch den früher und heute Verantwortlichen ganz herzlich zu danken. Wir danken ganz besonders auch dafür, dass der MHD über den Katastrophenschutz sowie den Sanitäts- und Rettungsdienst hinaus den sozialen und gesellschaftlichen Notlagen große Aufmerksamkeit geschenkt hat, und dies gerade auch heute. Nochmals möchte ich besonders auch die Alterseinsamkeit in unseren Heimen und Pflegeeinrichtungen erwähnen. Der MHD hat sich seine Aufgaben auch nicht durch den Wegfall des Zivildienstes verdrießen lassen, durch den früher der eine oder andere Helfer gewonnen werden konnte. Ich sage allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von heute, den Hauptamtlichen und den Ehrenamtlichen für ihren hohen Einsatz ein herzliches Vergelt´s Gott. Wir wollen in diesem Gottesdienst auch darum beten, dass sich immer wieder junge Frauen und Männer für diese Sendung zur Verfügung stellen.

Sie haben als Jahresthema der Malteser aus dem Kolosserbrief die Verse ausgewählt: „Das Wort Christi wohne mit seinem ganzen Reichtum bei euch." (3,16) Denken wir am Ende wieder an das Leitwort der Malteser, nämlich „Wahrung des Glaubens und Hilfe den Bedürftigen". Um beides tun zu können, muss in unserem Herzen das Wort Christi Wurzel schlagen. Nur wenn es in uns lebendig ist, kann es auch viele Früchte bringen im Dienst gerade der Armen und der Bedürftigen. Deswegen braucht es immer wieder die Einkehr bei Gott selbst, besonders im Gottesdienst, damit das folgende Wort aus dem Kolosserbrief wahr wird: „Alles, was ihr in Worten und Werken tut, geschehe im Namen Jesu, des Herrn. Durch ihn dankt Gott, dem Vater!" (3,17) Amen.

(c) Karl Kardinal Lehmann, Bischof von Mainz

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz